Anlässlich der ersten Nationalen Meereskonferenz am 6./7. Mai 2025 in Berlin erklärt Bundestagsabgeordnete Linda Heitmann:
„Die Meere – auch unsere heimische Nord- und Ostsee – sind nicht nur unverzichtbare Verbündete im Kampf gegen Klimawandel, sondern bieten auch Lebensraum für zahlreiche Arten, regulieren unseren Wärmehaushalt und speichern gigantische Mengen an Kohlenstoffdioxid. Gleichzeitig sind sie vielfältigen Herausforderungen, Belastungen und Nutzungen ausgesetzt.
Unsere Meere und Küsten brauchen angesichts dieser Herausforderungen nicht nur besonderen Schutz, sondern auch großflächige Renaturierung. Nichtsdestotrotz findet der Schutz unserer Nord- und Ostsee sowie ihrer Küstenökosysteme kaum Beachtung im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Im Gegenteil: Die Meeresschutzoffensive, die die letzte Regierung unter Federführung des grünen Umweltministeriums auf den Weg gebracht hat, wird massiv ausgebremst oder gar rückgängig gemacht, wenn man den Vertrag zur Grundlage der Arbeit in den nächsten Jahren nimmt.
Daher fordere ich die angehende Bundesregierung auf, die strukturelle Stärkung des Meeresschutzes, die die Vorgängerregierung begonnen hat, fortzusetzen. Mit der Ernennung des ersten Bundes-Meeresbeauftragten, der Errichtung des Meeresnaturschutz-Fonds, dem Aufbau der Unterabteilung „Schutz der Meere“ im Bundesumweltministerium sowie der Gründung der interministeriellen Arbeitsgruppe „IMA Meer“ wurde der Meeresschutz in Deutschland institutionell auf eine neue Ebene gehoben. Im Deutschen Bundestag hat sich zudem der interfraktionelle Parlamentskreis Meerespolitik gegründet, dessen Arbeit ich diese Legislatur gemeinsam mit Kolleg*innen anderer Fraktionen fortsetzen möchte, um dem Meeresschutz im parlamentarischen Raum weiter ein Forum zu geben.
Mit der Entwicklung einer Nationalen Meeresstrategie wurde begonnen, diese konnte allerdings aufgrund der vorgezogenen Wahlen nicht abgeschlossen werden. Es liegt nun an der angehenden Bundesregierung, die Meeresstrategie zu finalisieren und eine Meeresschutzoffensive zu starten. Die kumulativen Belastungen müssen miniert, der Nutzungsdruck in der Nord- und Ostsee zu Gunsten des Arten-, Natur- und Küstenschutzes reduziert und künftige Nutzungen an der ökologischen Tragfähigkeit unserer Küsten und Meere ausrichtet werden, um ihre vielfältigen Ökosystemleistungen zu schützen, zu erhalten und wiederherzustellen.
Die Nationale Meereskonferenz bietet nun eine wichtige Plattform, auf der im Dialog mit verschiedenen Akteur*innen und Entscheidungsträger*innen praxisnahe Ideen und Konzepte entwickelt werden können, die in die zünftige Meeresstrategie einfließen können.“
Die Meere – auch unsere heimische Nord- und Ostsee – sind ein unbeschreiblicher Reichtum in Sachen Natur- und Artenvielfalt und unverzichtbare Verbündete gegen den Klimawandel sowie in Fragen der Klimaanpassung. Denn sie bieten nicht nur Lebensraum für zahlreiche Arten, sondern regulieren auch unseren Wärmehaushalt und bestimmen unser Wetter. Mit einem Flächenanteil von 71% der Erdoberfläche nehmen Meere den größten Teil der Wärme auf, die durch Sonnenstrahlung entsteht, und stellen einen gigantischen natürlichen Kohlenstoffspeicher dar.
Trotz ihrer unverzichtbaren Ökosystemleistungen finden der Schutz unserer Nord- und Ostsee sowie der küstennahen Ökosysteme kaum Erwähnung im 144-seitigen Koalitionsvertrag der angehenden schwarz-roten Regierung. Im Gegenteil: Da, wo sie erwähnt werden, sind in erster Linie Rückschritte in den Schutzbemühungen nachzulesen. Das heißt: Die Meeresoffensive, die die Koalition aus Grünen, SPD und FDP angestoßen haben, wird massiv ausgebremst oder gar rückgängig gemacht.
Der wohl belastendste Punkt für die Nord- und Ostsee in den nächsten Jahren: Es soll direkt nach Beginn der Legislaturperiode umgehend ein Gesetzespaket beschlossen werden, mit dem die Entnahme und äußerst energieaufwendige Verpressung von Kohlenstoffdioxid (Carbon Capture and Storage, CCS) in Gesteinen im Meer sowie an Land ermöglicht wird. Dabei ist wichtig zu wissen, dass die Verpressung an Land in Abstimmung mit den Bundesländern erfolgen muss. Die meisten davon haben schon jetzt angekündigt, diese Technik, die auch mit erheblichen Gefahren für das Trinkwasser verbunden ist, bei sich nicht zulassen zu wollen. Es bleibt also nur die Verpressung im Meer, die mit erheblichen Lärmemissionen sowie dem Verlegen von Leitungen durch sensible Naturräume wie das Wattenmeer unweigerlich verbunden sein wird.
Wenn man die CCS-Technik schon ermöglichen will, wäre es daher eigentlich dringend nötig, mindestens sensible Schutzgebiete im Meer auszuschließen und insgesamt die Menge des zu verpressenden Kohlenstoffdioxids möglichst gering zu halten. Doch auch dies deutet sich im Koalitionsvertrag leider nicht an: Nicht nur für die besonders schwer- bis gar nicht vermeidbaren Emissionen, wie etwa aus der Zement- und Stahlherstellung, sondern auch für andere Emissionen aus dem Industriesektor und Gaskraftwerken will Schwarz-Rot die CO2-Abscheidung ermöglichen. Damit wird ein Allheilmittel in Sachen Klimaschutz versprochen, bei dem Unternehmen nicht mehr dazu angehalten werden, Emissionen zu vermeiden, sondern sie in unbegrenzter Menge abscheiden und verpressen zu können. All das auf Kosten des Meeresschutzes! Die Energiewende und insbesondere der Ausbau der Erneuerbaren Energien, die wir massiv beschleunigen konnten, werden entscheidend ausgebremst und der fossilen Energieerzeugung Tür und Tor geöffnet.
Apropos fossile Energieerzeugung: wer im Koalitionsvertrag eine Absage an neue Öl- und Gasförderprojekte in der Nordsee sucht, wird leider ebenfalls bitter enttäuscht. So soll nicht nur die Gasspeicherumlage abgeschafft und verstärkt auf Gasimporte aus dem Ausland gesetzt werden, sondern auch die „Potenziale konventionelle[r] Gasförderung im Inland“ (S. 30) genutzt werden. Somit werden auch die umstrittenen Pläne zur Gasförderung vor Borkum nicht ausgeschlossen. Dabei sind die dort liegenden Gasvorkommen für die Energieversorgung nachgewiesenermaßen nicht notwendig. Eine Förderung am Rande des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer würde das sensible Ökosysteme schädigen oder gar irreversible zerstören.
„Der Schutz der Ostsee als vom Klimawandel besonders betroffenem [sic] Binnenmeer hat für uns Priorität“, heißt es auf Seite 38 im Koalitionsvertrag – die einzige Stelle, wo Meeresschutz überhaupt erwähnt wird. Gleichzeitig sollen unter dem Deckmantel der Planungsbeschleunigung wichtige Maßnahmen, die eben diesen Schutz sicherstellen, ausgehöhlt und teilweise ausgesetzt werden: Konkret soll die Umweltverträglichkeitsprüfung durch die Anhebung von Schwellenwerten und die Aussetzung der Vorprüfung für Änderungsgenehmigungen abgeschwächt werden. Dadurch könnten Projekte wie der Bau von CCS/CCU-Anlagen und -Leitungen, die laut Koalitionsvertrag im überragenden öffentlichen Interesse liegen sollen, ohne Rücksicht auf ihre Umweltauswirkungen durchgeführt werden.
Weitere Minus-Punkte im Koa-Vertrag: Mit einer geplanten Verschlankung des Umwelt-Informationsgesetzes wird die Beteiligung und Informationsgewinnung der Zivilgesellschaft erschwert, was gleichzeitig mit einer Aushöhlung der Demokratie einhergeht. Außerdem soll das Umweltrechtsbehelfsgesetz auf eine unmittelbare Betroffenheit bei Klage und Beteiligungsrechten fokussiert werden, wodurch es Umweltverbänden erschwert wird, stellvertretend für die Natur und die Tiere Recht einzuklagen. Ob dies überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist, darf bezweifelt werden. Darüber hinaus sollen die Nationale Biodiversitätsstrategie sowie die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law, NRL) in der Umsetzung abgeschwächt werden. Gerade das NRL stellt dabei einen harterkämpften Meilenstein der europäischen Umweltpolitik dar, welcher die EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, nach und nach geschädigte Ökosysteme auf Land und im Meer zu renaturieren, um ihre Ökosystemleistungen wieder zu herstellen.
Darüber hinaus bleibt die grundberührende Fischerei weiterhin voraussichtlich erlaubt. Sie belastet empfindliche Ökosysteme auch in Schutzgebieten, wie etwa dem Nationalpark Wattenmeer. Im Koalitionsvertrag heißt es lediglich: „Wir stehen zur Fischerei und stärken deren Entwicklung entsprechend den Empfehlungen der Zukunftskommission Fischerei (ZKF) und der Leitbildkommission Ostseefischerei“ (S. 38).
Trotz all dieser massiven Angriffe auf den Umwelt-, Natur- und Meeresschutz ist es versöhnlich, dass auch die GroKo daran nicht vorbeikommt, zentrale Meilensteine der Vorgängerregierung fortzusetzen. Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) der letzten Regierung unter Federführung des grünen Umweltministeriums bleibt also die bislang umfangreichste Förderung der Geschichte für Klima- und Naturschutz sowie Renaturierungsprojekte bestehen. Bis 2028 stehen im Rahmen des ANK 3,5 Milliarden Euro u.a. für Maßnahmen zur Wiederherstellung sowie für klimafreundliche und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen zur Verfügung. Über 9000 Projekte wurden bereits bewilligt und werden somit aus dem Programm (mit)finanziert. Gefördert werden auch Projekte zur Erhaltung und zum Wiederaufbau von Salzwiesen, Seegraswiesen, Kelpwäldern sowie zu deren Vorlauf- und Begleitforschung zur Stärkung ihres Beitrags zum natürlichen Klimaschutz.
Ebenso erfreulich ist, dass das Sofortprogramm zur Bergung von Munitionsaltlasten fortgeführt und ein Bundeskompetenzzentrum dafür in Ostdeutschland errichtet werden soll, in dem wissenschaftliche Einrichtungen, Privatwirtschaft und operative Behörden zusammenarbeiten. Erstmals ging die Regierung aus Grünen, SPD und FDP es aktiv an, den giftigen Munitionsschrott aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg aus dem Meer zu entfernen. Dafür wurden im parteiübergreifenden Konsens 100 Millionen Euro durch den Bundestag zur Verfügung gestellt, um erste Probebergungen zu machen und die notwendige Technik zur Bergung zu entwickeln. Es liegt nun in der Verantwortung der schwarz-roten Regierung, eine langfristige Finanzierung in Zusammenarbeit mit den Ländern sicherzustellen. Im Koalitionsvertrag bleibt der Finanzierungsaspekt allerdings offen.
Ebenso fortgesetzt wird erfreulicherweise die Meeresnaturschutz- und Fischereikomponente aus dem Wind-See-Gesetz. Noch an dem Tag, an dem Bundeskanzler Scholz Finanzminister Lindner entließ, sicherte der Haushaltsausschuss des Bundestages 400 Millionen Euro für den Meeresnaturschutz in Form eines Meeresnaturschutzfonds in der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Die Mittel stammen aus Einnahmen aus den Versteigerungen von Windkraftflächen auf See und können als DBU-Stiftungskapital dauerhaft schätzungsweise eine jährliche Ausschüttung von ca. 10 Millionen Euro generieren, die für Meeresnaturschutzprojekte eingesetzt werden. Der Koalitionsvertrag lässt jedoch leider offen, ob auch weitere Einnahmen aus den Ausschreibungen von Windkraftflächen für den Meeresnaturschutz eingesetzt werden und was genau die neue Regierung unter nachhaltiger Fischerei verstehen wird.
Alles in allem ist der schwarz-rote Koalitionsvertrag leider insbesondere auch im Küsten- und Meeresschutz von Rückschritt sowie Ambitionslosigkeit gekennzeichnet und verkennt nicht nur die zentralen Herausforderungen der Klima- und Artenkrise, sondern macht auch große Fortschritte der letzten Regierung gerade im Hinblick auf den Klimaschutz und die Energiewende rückgängig. Dabei trifft der Klimawandel Europa besonders stark. Denn kein Kontinent erwärmt sich schneller als Europa, wie gerade der jüngst veröffentlichte Klimabericht 2024 des EU-Klimawandeldienstes Copernicus aufzeigt. Daher wird die nächste Regierung sich auch daran messen lassen müssen, inwieweit sie es schafft, Deutschland an die Klimafolgen anzupassen.
Viele Leaks zu vorläufigen Koalitionsvereinbarungen zwischen Union und SPD erblickten letzte Woche das Licht der Welt, auch zum Thema Umwelt- und Naturschutz. Dabei werden unter dem Stichwort Meeresschutz immerhin Munitionsbergung und nachhaltige Fischerei als Ziele genannt. Doch Küsten- und Hochwasserschutz sucht man in dem Papier vergeblich. Das ist ein fataler Fehler!
Warum ist das so und wie müsste ein wirklich nachhaltiger zukunftsgewandter Schutz der Küsten aussehen?
Die Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 ist tief eingebrannt in das Gedächtnis der Bevölkerung in Norddeutschland. Mit 130 Stundenkilometern löste der Orkan „Vincinette“ die folgenreichste Sturmflut an der Nordsee seit Beginn der Wasserstandsaufzeichnungen aus, die neben Schleswig-Holstein und Niedersachsen ganz besonders auch Hamburg traf. Trotz Sturmflutwarnung wurden viele Menschen damals vom Hochwasser wortwörtlich im Schlaf überrascht. Bis in die frühen Morgenstunden brachen fast alle Deiche und Dämme mit gravierenden Folgen: 315 Tote, 20.000 Obdachlose, zahlreiche zerstörte oder schwer beschädigte Wohnungen sowie kaputte Infrastruktur.
63 Jahre nach dieser schrecklichen Naturkatastrophe ist die Gefahr ähnlicher Extremwetterereignisse nicht gebannt, im Gegenteil: Infolge des anthropogenen Klimawandels dehnt sich nicht nur das Wasser in unseren Meeren und Ozeanen aus, sondern auch die Gletscher und Eisschilde schmelzen immer weiter ab, was unter anderem zu einem globalen Anstieg des Meeresspiegels führt. Dadurch treten Extremwetterereignisse wie Sturmfluten, Starkregen oder aber auch Dürren häufiger und heftiger auf. Nicht zuletzt haben uns die Flut in Spanien im Herbst 2024 oder aber auch die schwere Flut im Herbst 2023 an der Ostseeküste dies deutlich vor Augen geführt.
Daher ist die kommende Bundesregierung dringend gefordert, sich dieser immensen Herausforderung zu stellen und in enger Kooperation mit den Küstenländern den Küsten- und Hochwasserschutz zukunftsfest aufzustellen. Konventioneller und natürlicher Küsten- und Hochwasserschutz müssen dabei künftig stärker zusammengedacht werden. Ein schlichtes Weiterso ist weder finanziell noch ökologisch nachhaltig. Bereits jetzt stößt der konventionelle Küstenschutz mit dem Fokus auf Deicherhöhung und -verbreiterung, ständigen Sandaufspülungen sowie technische Entwässerung an logistische und finanzielle Grenzen und ist ökologisch nur bedingt nachhaltig.
Die immensen Schäden der Sturmflut von 1962 waren ein folgenschwerer Stresstest für die damaligen Schutzanlagen. Infolgedessen wurde eine komplett neue, fast durchgehenden Hochwasserschutzlinie von ca. 100 Kilometern und mindestens 7,20 Meter über Normalnull gebaut. Seit 1990 werden die Schutzanlagen stetig modernisiert und erhöht, aktuell mit einer Deichhöhe von 7,50 bis 9,25 Metern über Normalnull. Ein Erfolg: Zwar gab es seither weitere Sturmfluten, die sogar noch höher ausfielen, jedoch ohne vergleichbare Schäden.
Die nahezu geschlossene Deichlinie bietet derzeit zwar ein hohes Schutzniveau vor Sturmfluten, allerdings können und dürfen wir uns darauf nicht ausruhen: Je höher der mittlere Meeresspiegel steigt, umso häufiger und heftiger treten Extremwetterereignisse wie Sturmfluten auf. Infolge der globalen Erwärmung steigt der Meeresspiegel immer weiter an – schätzungsweise bis zu 1,20 Metern bis zum Ende des Jahrhunderts, wenn wir unsere Treibhausgasemissionen unverändert lassen. In der Deutschen Bucht könnte dies dazu führen, dass Sturmfluten bis zu 1,50 Metern höher ausfallen als heute – dementsprechend wäre auch eine viel größere Fläche zu schützen.
Dieser Umstand setzt unsere Schutzanlage einem immer höheren Anpassungsdruck aus – mit enormen finanziellen und ökologischen Kosten. Vielerorts fehlen nicht nur Sand, Klei und die zusätzlich benötigte Fläche, sondern auch der Untergrund kann die zusätzliche Last durch die kontinuierliche Erhöhung und Verbreiterung nicht ohne Weiteres tragen kann.
Deiche bieten für das Land dahinter zwar sichtbar Schutz vor Sturmfluten, beanspruchen allerdings auch viel Fläche, die dann fehlt, damit die Wassermassen auslaufen und Energie abbauen können. Dadurch staut sich das Wasser auch verstärkt in den Marschgebieten vor den Deichen auf. Um diese zu entwässern, müssen die Deichanlagen mit umfangreichen Grabensystemen und Sieltoren ergänzt werden. Doch vielfach reichen die bisherigen Siele nicht mehr und es müssen zunehmend energieaufwändige Pumpen zur Entwässerung eingesetzt werden.
Das durch den gestiegenen Meeresspiegel entstandene „umgekehrte Gefälle“ erhöht zudem den Druck des Salzwassers auf die Grundwasserschichten. Infolge des Abpumpens des oberflächennahen Süßwassers durch die Entwässerung dringt mehr Salzwasser in die Süßwasserschichten ein, wodurch unser Grundwasser zunehmend versalzt und damit ungenießbar wird.
Alles in allem ist ein schlichtes Weiterso des Küsten- und Hochwasserschutzes weder finanziell noch ökologisch nachhaltig. Bereits jetzt stößt die aktuelle Praxis an technische wie auch finanzielle Grenzen. Mit steigenden Pegeln werden immer höhere Deichaufstockungen notwendig sein, als dies mit Blick auf die Tragfähigkeit des Untergrundes möglich ist. Daher muss guter Küsten- und Hochwasserschutz Naturschutz klug mitdenken und Synergien schaffen, um langfristig zu funktionieren.
Das heißt ganz konkret: In der Klimaanpassungsstrategie müssen insbesondere die natürlichen Küsten- und Hochwasserschutzfunktionen unserer marinen sowie küsten- und flussnahen Ökosysteme wie Moore, Auen, Riffe, Salzmarschen und Seegraswiesen stärker einbezogen werden, indem wir diese schützen, fördern und vor allem wiederherstellen.
Infolge ihrer systematischen Vernachlässigung und Umgestaltung für wasserbauliche und landwirtschaftliche Nutzungen sind bereits jetzt die Ökosystemleistungen dieser wichtigen Biotope deutlich beeinträchtigt oder sogar unwiderruflich zerstört worden. So sind viele einstige Salzwiesen an den deutschen Küsten eingedeicht oder für landwirtschaftliche Zwecke umgestaltet und dadurch entwässert worden. Allein an der Ostseeküste wurden im vergangenen Jahrhundert 95% der Salzwiesen eingedeicht. Dabei bieten Salzwiesen eine Pufferzone zwischen Land und Meer und schützen vor Sturmfluten und Hochwasser, indem sie die Wellen effektiv ausbremsen. Sie sind zudem auch hochproduktive Kohlenstoffsenken, die um ein Vielfaches schneller Kohlenstoff speichern können als ein Wald. Viele der entwässerten Gebiete haben ursprünglich Moorböden. Durch die vielen trockengelegten Moore fehlen uns nicht nur wichtige Kohlenstoffspeicher, sondern auch viele Insekten und Brutvögel verlieren zudem ihren Lebensraum.
Als hochproduktive natürliche Kohlenstoffsenken und ausgezeichnete Wellenbrecher gelten auch Seegraswiesen. Ihr tiefreichendes Wurzelwerk ist eine natürliche Kohlenstofflagerstätte, die gleichzeitig den Meeresboden stabilisieren und damit vor Hochwasser und Überschwemmungen schützen kann. Schätzungsweise können dichte Seegraswiesen Wellen und Meeresströmungen um 25 bis 45 Prozent dämpfen, bevor diese die Küsten erreichen. Durch die Anhäufung von Sediment bieten sie zudem kontinuierlichen Schutz vor steigenden Meeresspiegeln. Leider sind auch die Seegraswiesenbestände an den deutschen Küsten stark geschrumpft – vor allem durch Nährstoffeinträge. Obwohl leichte Verbesserung zu verzeichnen sind, sind die Ostsee und 87% der Nordsee überdüngt – vor allem in den Mündungsgebieten der deutschen Flüsse.
Im Kampf gegen Hochwasser und Dürreperioden gehören auch Auen zu den Schlüsselakteuren. Bei Hochwasser nehmen sie das Wasser auf und in Trockenperioden geben sie es nach und nach wieder an die Landschaft ab. Zudem lagern sie ebenfalls viel Kohlenstoff und bieten Lebensraum für viele Arten. Allerdings sind in Deutschland zwei Drittel der Überschwemmungsgebiete verloren gegangen, entlang großer Flüsse sind in vielen Abschnitten teilweise nur noch 10-20% der ehemaligen Auen vorhanden.
Wenn wir all diese Ökosysteme künftig besser schützen bzw. auch wiederherstellen, leisten wir zeitgleich zum Hochwasser- und Küstenschutz einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Naturschutz. Denn dadurch wird zudem Kohlenstoff der Atmosphäre entzogen und die vielen marinen wie auch terrestrischen Tier- und Pflanzenarten bekommen wieder einen gesunden Lebensraum zur Verfügung gestellt.
Unsere marinen sowie küsten- und flussnahen Ökosysteme zu schützen und wiederherzustellen, sollte unser vorrangig erklärtes Ziel sein, im Sinne des Klima- und Hochwasserschutzes! Dabei muss und darf der natürliche Küsten- und Hochwasserschutz die technischen Maßnahmen nicht unbedingt ersetzen, sondern vielmehr sinnvoll ergänzen. Beispielsweise können Deiche rückverlegt und durch die Wiederherstellung von Salz- und Seegraswiesen im Deichvorland ökologisch aufgewertet werden. Die Bepflanzung der Hohlräume von Deckwerken kann ebenfalls neue Lebensräume für verschiedene Pflanzen- und Tierarten schaffen. Auch die Wiederherstellung von Riffen schafft nicht nur neue Lebens- und Rückzugsräume für verschiedene Arten, sondern kann auch den natürlichen Küsten- und Hochwasserstutz stärken, da stabile Riffe den Wellengang ausbremsen können.
Mit dem Aktionspragramm Natürlicher Klimaschutz hat die Bundesregierung 2021 bis 2025 unter der Federführung des grünen Umweltministeriums bereits 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, mit denen bis 2028 Maßnahmen zur Wiederherstellung sowie für klimafreundliche und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen gefördert werden, die auch dem natürlichen Küsten- und Hochwasserschutz zugutekommen. Es muss auch langfristig weitergehen, denn all das zeigt: Klima-, Natur- und Küstenschutz sind gut miteinander vereinbar. Auch der neu geschaffene Meeresnaturschutzfonds der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), der Fördergelder für Renaturierungsprojekte vergeben wird, ist ein wichtiger Schritt, der 2024 eingeschlagen wurde. Nun muss es dringend weitergehen! Die nächste Bundesregierung muss es nur politisch wollen und ermöglichen!
Über Gelder aus dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) fördert das grün geführte Bundesumweltministerium Meeresschutzprojekte in Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachen. Mit 26 Millionen Euro unterstützt die Bundesregierung den Schutz und die Wiederherstellung von Salzwiesen, Seegraswiesen und Algenwäldern sowie ein ökologisches Sedimentmanagement. Mit diesen Projekten leistet das Ministerium nicht nur echte Pionierarbeit für die Wiederherstellung von kohlenstoffreichen Küstenökosystemen, sondern schafft gleichzeitig auch die Grundlagen für den natürlichen Klimaschutz in unseren Küstengewässern und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt.
Denn wie zuvor in einem ausführlichen Artikel auf meiner Homepage erläutert, haben gesunde marine und küstennahe Ökosysteme wie Salzmarschen, Seegraswiesen und Algenwälder einen dreifachen Nutzen für Mensch, Natur und Tier:
Sie bieten zahlreichen terrestrischen und marinen Tier- und Pflanzenarten sowohl Schutz als auch Nahrung und sind damit wesentlich für den Erhalt der biologischen Vielfalt.
Gerade im Hinblick auf den steigenden Meeresspiegel infolge des Klimawandels schützen Küstenökosysteme vor Hochwasser und Überschwemmung. Durch ihr teilweise tiefreichendes Wurzelwerk können sie den Meeresboden stabilisieren und damit als Wellenbrecher sowohl Meeresströmungen als auch Sturmfluten ausbremsen und die Küsten vor Erosion schützen. Durch die Anhäufung von Sediment bieten sie zudem kontinuierlichen Schutz vor steigenden Meeresspiegeln.
Vegetationsreiche Küstenökosysteme sind hochproduktive, lebendige Speicherwerke des sogenannten „Blauen Kohlenstoffs“ (eng. Blue Carbon) und können um Vielfaches schneller Kohlenstoff binden als ein Wald an Land. Die oftmals luftdicht abgeschlossenen Kohlenstofflager im Küstensediment können viele Jahrhunderte oder gar Jahrtausende überstehen, solange die sie schützenden Biotope zumindest erhalten bleiben oder – noch besser – wachsen und gedeihen können.
Trotz oder gerade wegen ihrer Mehrfachnutzen wurden viele Küstenökosysteme durch direkte menschliche Eingriffe und Aktivitäten, aber auch durch den menschengemachten Klimawandel stark geschädigt oder irreversibel zerstört. Damit sie ihre Ökosystemleistungen wieder vollumfänglich wahrnehmen und den steigenden Herausforderungen infolge des Klimawandels besser begegnen können, brauchen wir eine Wiederherstellungsoffensive für unseren marinen und küstennahen Lebensräume. Daher freue ich mich besonders, dass in einem eigenen Handlungsfeld zu „Meeren und Küsten“ des ANK die Stärkung dieser wichtigen Lebensräume in den Mittelpunkt gestellt wird.
Die Küstenländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen haben in diesem Rahmen bereits 15 Projekte entwickelt. Die ersten acht Projekte können nun starten und werden mit rund 26 Millionen Euro durch das ANK gefördert. Mit dabei ist beispielsweise auch das Projekt „Klimasalzwiese“, mit dem meine Stadt Hamburg Wiederherstellungsoptionen für Salzwiesen im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer erarbeitet. Mit dem Projekt sollen Lebensräume auf der Insel Neuwerk sowie um die Scharhörnplate untersucht und naturnah entwickelt werden. Eine Übersicht über die Projekte und weitere Infos gibt es hier.
Schätzungsweise 250.000 Menschen leiden derzeit in Deutschland an Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) – eine schwere Erkrankung des Nervensystems, die zu unterschiedlich schweren Verläufen bis hin zu dauerhafter Bettlägerigkeit führen kann. Mit lediglich zwei Spezialambulanzen für ME/CFS in Deutschland ist die medizinische Versorgungslage weiterhin prekär. Gleichzeitig gibt es immer mehr Menschen, die am sogenannten Long Covid erkranken – einer Langzeitfolge von Covid-19, welche ein ähnliches Krankheitsbild aufweist und im Verdacht steht, eine post-Covid-Form von ME/CFS zu sein.
Die Ampelkoalition hat sich deshalb per Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, die Versorgungssituation speziell in diesen Krankheitsbildern zu verbessern, indem ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen zur bedarfsgerechten Versorgung und Erforschung von ME/CFS und Long Covid geschaffen wird.
Zur Konkretisierung dieser Vereinbarung habe ich als zuständige Berichterstatterin gemeinsam mit den Gesundheitspolitiker*innen der Ampelfraktionen Martina Stamm-Fibich (SPD) und Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP) ein Fachgespräch am 6. Juli im Bundestag veranstaltet.
Mit dem Titel „Zukunft der ME/CFS-Versorgung in Deutschland“ diskutierten wir gemeinsam mit den folgenden Expert*innen:
Frau Prof. Dr. Uta Behrends, die die Spezialambulanz in München leitet, gibt mit dem Vortrag „Die Odyssee zur richtigen Diagnose und Therapie: Was ist ME/CFS und wie kann eine bedarfsgerechte Versorgung aussehen?“ einen Einblick in die aktuelle Versorgungssituation und macht Vorschläge für deren Verbesserung.
Frau Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, die das Charité Fatigue Centrum in Berlin leitet, referiert zu „ME/CFS: Forschungslücken schließen und Voraussetzungen für Therapiestudien schaffen.“
Herr Prof. Dr. Thomas Harrer von der UK Erlangen, wo derzeit an einem vielversprechenden Medikament gegen Long-Covid geforscht wird, widmet sich schließlich der brennenden Frage „BC007: Ein Hoffnungsschimmer auch für ME/CFS-Erkrankte?“
Gemeinsame Pressemitteilung: Martina Stamm-Fibich (SPD), Linda Heitmann (Bündnis 90/Die Grünen) und Prof. Andrew Ullmann (FDP) zum Fachgespräch „Zukunft der ME/CFS-Versorgung in Deutschland“:
Wir Ampel-Gesundheitspolitikerinnen freuen uns, dass sich die Koalition darauf verständigt hat, Menschen, die an Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) leiden und deren Angehörige stärker in den Fokus zu nehmen. Der Willen dazu ist im Koalitionsvertrag explizit formuliert und die Vereinbarung wollen wir jetzt auch ausgestalten. Dazu werden die Koalitionspartner*innen die Erforschung und Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung für ME/CFS-Patient*innen umsetzen und ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen schaffen.
Schätzungsweise leiden aktuell in Deutschland etwa 250.000 Menschen an der schweren neuroimmunologischen Krankheit, die in unterschiedlich schweren Verläufen häufig zur Pflegebedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit der Betroffen führt. Oftmals sehen Patient*innen keine mit dem Krankheitsbild vertraute Ärztin bzw. keinen Arzt. Dies bedeutet, die Erkrankung wird nicht diagnostiziert oder die Symptome werden fehlinterpretiert und -behandelt. Das birgt ein hohes Risiko für die gesundheitliche Verschlechterung und für Folgeschäden.
Um diese Versorgungslücken abzubauen, braucht es nun ein Versorgungskonzept mit geschulten Praxen und spezialisierten Ambulanzen deutschlandweit. Zudem müssen wir Deutschland als Forschungsstandort weiter stärken. Dazu gilt es, die Digitalisierung auszubauen und die Daten für die Forschung nutzbar zu machen. Vor diesem Hintergrund findet das heutige Fachgespräch statt. Wir wollen dort genauer ausloten, welche Lücken geschlossen werden müssen und wie die Politik hier gezielt unterstützen kann. Dazu sind wir auf das Know-How der eingeladenen Expert*innen angewiesen.
Infektionsschutzgesetz, Impfpflicht und aktuelle Regelungen: Wann soll die allgemeine Impfpflicht kommen und wie soll sie umgesetzt werden?
Es ist angedacht, in der ersten Jahreshälfte 2022 im Bundestag über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht abzustimmen. Hierfür werden voraussichtlich Anfang 2022 fraktionsübergreifend sogenannte Gruppenanträge erarbeitet, in denen die unterschiedlichen Positionen und Konzepte dann möglichst gut zum Ausdruck kommen.
Bisher liegen keine Anträge und Konzepte vor. Es ist allen Mitgliedern in Bundestag und Bundesregierung klar, dass eine allgemeine Impfpflicht auf jeden Fall frühestens dann greifen kann, wenn sichergestellt ist, dass jedem*jeder Bürger*in auch zeitnah ein Impf-Angebot gemacht werden kann.
Zudem steht es derzeit noch in der Diskussion, dieAbstimmung freizugeben. Das heißt, dass die die einzelnen Abgeordneten rein nach ihrem Gewissen entscheiden sollen und nicht nach vorher in den einzelnen Fraktionen geeinten Positionierungen.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht
Welche Personen und Einrichtungen sind von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht umfasst?
Personen, die tätig sind in:
Krankenhäusern, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken,
Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden,
Rettungsdiensten,
sozialpädiatrischen Zentren, medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen
voll- oder teilstationären Pflegeheimen, in ambulanten Pflegediensten, in der ambulanten Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen und ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderungen sowie in Werkstätten für behinderte Menschen.
Einen Impfnachweis vorlegen müssen außerdem Personen,
die persönliche Assistenzleistungen für Pflegebedürftige oder behinderte Menschen erbringen (§ 78 SGB IX)
in Unternehmen, die Leistungen der interdisziplinären Früherkennung und Frühförderung nach § 42 Absatz 2 Nummer 2 und § 46 SGB IX in Verbindung mit der Frühförderungsverordnung oder heilpädagogische Leistungen nach § 79 SGB IX erbringen,
die für Fahrdienste tätig sind, die Leistungen nach § 83 Absatz 1 Nummer 1 SGB IX erbringen. Zudem werden auch Unternehmen erfasst, die beauftragt sind, die betreuten Menschen mit Behinderungen zu befördern.
Ausgenommen von der Impfpflicht sind Menschen, die über einen gültigen Genesenennachweis verfügen oder bei denen eine Impfung aus medizinischen Gründen kontraindiziert ist.
Was geschieht, wenn bis zum 15. März 2022 kein gültiger Impfnachweis vorgelegt wird?
Wird bis zum 15. März 2022 von den entsprechenden Personengruppen kein Impfnachweis vorgelegt, muss der*die Beschäftigte unverzüglich das jeweilige Gesundheitsamt informieren. Dieses kann anordnen, dass die betreffende Person nicht mehr die jeweilige Einrichtung betreten oder dort tätig werden darf. Wenn die Person entgegen des von dem Gesundheitsamt angeordneten Tätigkeitsverbots in der Einrichtung tätig wird bzw. dort beschäftigt wird, kann zusätzlich ein Bußgeld in Höhe von bis zu 2500 Euro verhängt werden. Dabei müssen je nach Konstellation ggfs. sowohl der*die Arbeitnehmer*in als auch der*die Arbeitgeber*in das Bußgeld bezahlen. Arbeitgeber*innen müssen bei Kontrollen nachweisen können, dass sie diese Impfpflicht umsetzen.
Welche Maßnahmen gelten ab dem 28.12.2021?
Bund und Länder haben auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 21. Dezember 2021 beschlossen, dass ab dem 28. Dezember 2021 folgende Maßnahmen zur Kontaktreduzierung in Kraft treten: Demnach werden bundesweit die privaten Kontakte von Geimpften auf maximal 10 Personen reduziert. Für Ungeimpfte bleibt es bei dem eigenen Haushalt sowie maximal zwei Personen eines weiteren Haushaltes. Kinder bis 14 Jahren sind von den Kontaktbeschränkungen weiterhin ausgeschlossen. Für Kultur-, Freizeiteinrichtungen und den Einzelhandel bleibt die 2G- oder 2G-Plus-Regel bestehen. Geschäfte des täglichen Bedarfs sind nicht betroffen. Clubs und Diskotheken müssen geschlossen bleiben. Auch Tanzveranstaltungen sind verboten. Großveranstaltungen finden ohne Zuschauer*innen statt.
Omikron
Wie reagieren wir auf Omikron?
Omikron ist eine ernste Herausforderung. Es zeichnet sich ab, dass Omikron noch infektiöser ist als es die Delta-Variante bereits war. Es ist jedoch noch nicht eindeutig, ob Omikron schwerere Krankheitsverläufe bewirkt oder mildere Folgen hat. Auch ist noch unklar, wie hoch genau die Schutzwirkung der bisher verwendeten Impfstoffe bei einer Infektion mit der Omikron-Variante ist. Klar ist allerdings auf jeden Fall, dass eine Impfung weiterhin hohe Schutzwirkung hat und dass insbesondere 3-fach Geimpfte am besten auch gegen Omikron sowie gegen einen schweren Verlauf der Krankheit im Falle einer Infektion geschützt sind.
Wir sind uns mit SPD und FDP darüber einig, dass wir weiter vorsichtig und vorausschauend agieren müssen, um eine flächendeckende Überlastung unseres Gesundheitswesens zu verhindern.
Gibt es genug Impfstoffe?
Der neue Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat eine Impfstoff-Inventur angekündigt. Es muss und wird mit Blick auf die notwendige Beschleunigung der Booster-Impfungen, die einrichtungsübergreifende Impfpflicht sowie die mögliche Einführung einer allgemeinen Impfpflicht allerhöchste politische Priorität haben, die ausreichende Versorgung mit Impfstoffen in den kommenden Monaten sicherzustellen.
Infektionsschutzgesetz
Warum wird das Infektionsschutzgesetz immer wieder geändert?
Die Pandemie-Lage in Deutschland ist weiterhin ernst. Die Zahl der Covid-19-Patient*innen mit schweren Krankheitsverläufen nimmt in vielen Regionen weiter zu. Auch in Hamburg erreicht die Sieben-Tage-Inzidenz neue Höchststände von etwa 280 (Stand: 21. Dezember 2021). Weiterhin höchst besorgniserregend ist die allmähliche Ausbreitung der Omikron-Variante, auch in Hamburg. Vieles deutet darauf hin, dass die Variante noch ansteckender ist als Delta. Deshalb kommt es nun mehr denn je darauf an, das Risiko für Infektionen und damit Kontakte deutlich zu reduzieren. Gerade vor dem Hintergrund dieser Dynamik ist es wichtig, auf Bund- und Länderebene ein zügiges und koordiniertes Handeln auf einer sicheren Rechtsgrundlage zu gewährleisten.
Als Gesetzgeber*innen ist es uns dabei stets wichtig, Freiheitsrechte der Bevölkerung bestmöglich zu wahren und gleichzeitig Rechtsgrundlagen zu schaffen, die rechtssicher sind und bestmöglichen Schutz vor einer zu starken Ausbreitung des Virus bieten können. Die von uns Grünen gemeinsam mit SPD und FDP beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie schaffen genau diese gesetzliche Grundlage, müssen aber je nach Lage in der Pandemie auch stets neu überdacht und austariert werden.
Was sind die wesentlichen Inhalte des zuletzt beschlossenen Gesetzentwurfes?
Bereits die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes vom 18. November 2021 zeigen erste positive Wirkungen: Im öffentlichen Fern- und Nahverkehr gilt seitdem die 3G-Regelung, mehr Menschen arbeiten wieder im Homeoffice und die Erstimpfungen steigen wieder an. Ergänzend und verstärkend dazu haben wir mit unserer Gesetzesänderung das Instrumentarium der Länder präzisiert und erweitert, so dass diese jeweils differenziert entsprechend der pandemischen Lage in dem jeweiligen Bundesland schnell reagieren können.
Erstens haben die Länder angesichts der drohenden Überlastung unseres Gesundheitswesens die Möglichkeit erhalten, die Geltungsdauer der durch die Länder bis zum 25. November 2021 in Kraft getretenen Schutzmaßnahmen bis zum 19. März 2022 zu verlängern. So haben die Bundesländer die Möglichkeit, je nach länderspezifischer epidemischer Situation notfalls regionale Kontaktbeschränkungen einzusetzen. Zudem können zur Not auch gastronomische Einrichtungen, Bars und Diskotheken geschlossen und Messen sowie Kongresse untersagt werden. Zu diesem Zweck hat z.B. die Hamburgische Bürgerschaft bereits die epidemische Notlage in ihrer Sitzung am 15. Dezember reaktiviert, um über die Weihnachtsfeiertage kurzfristig handlungsfähig zu sein.
Zweitens wurde im Zuge der letzten Änderung des Infektionsschutzgesetzes eine einrichtungsbezogene Impfpflicht eingeführt. Dies bedeutet, dass Beschäftige in beispielsweise medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Arztpraxen sowie Pflegediensten oder Pflegeheimen bis zum 15. März den Nachweis einer Impfung erbringen müssen. Damit sollen Menschen mit besonders hohem Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf besser geschützt werden. Der Übergang bis zum 15. März ist nötig, um allen Beschäftigten tatsächlich die realistische Möglichkeit zu geben, ab Beschluss des Gesetzes die Erst- und Zweitimpfung erhalten zu können.
Drittens haben wir als Parlament den Kreis der Impfberechtigten erweitert, indem wir Impfungen zum Beispiel durch Apotheker*innen oder Zahnärzte*innen nach vorheriger Schulung ermöglichen. Auch die bereits vorhandenen Möglichkeiten für Impfungen durch Hebammen und Pflegekräfte wurden klargestellt. Denn Kontaktreduzierungen sind nach wie vor unabdingbar und tragen maßgeblich zur Eindämmung der Pandemie bei, jedoch bleibt unser wohl wichtigstes und wirksamstes Mittel im Kampf gegen die Pandemie: Impfen, Impfen, Impfen.
Viertens erhalten bestimmte Krankenhäuser nun zeitlich befristete Pauschalen für freigehaltene Intensivbetten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Krankenhäuser nicht in finanzielle Probleme geraten, weil sie planbare Operationen absagen, um Kapazitäten für die Behandlung von Covid-19 zu schaffen. Ergänzend sind auch Fristen im Zusammenhang mit der bereits ausgelaufenen epidemischen Lage angepasst und die geltende Kurzarbeitergeld-Regelung verlängert worden.
Welche Maßnahmen können die Länder nun auf Grundlage der Bundesgesetzgebung alle ergreifen?
Nach dieser Gesetzesänderung können die Länder auf der Basis von Länderverordnungen grundsätzlich folgende Maßnahmen ergreifen: Sie können
Abstandsgebote im öffentlichen Raum, insbesondere in öffentlich zugänglichen Innenräumen, verordnen.
Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum verhängen. Dabei ist es grundsätzlich möglich, die Kontaktbeschränkungen für Menschen ohne Impfschutz deutlich strenger zu fassen als für jene mit Impfschutz, indem sie sogenannte 2G- oder 2G+-Regelungen zum Betreten von Einrichtungen, Geschäften u.Ä. verordnen.
zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz) verpflichten.
zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen beim Zugang zu bestimmten Betrieben, Gewerben, Einrichtungen, Angeboten, Veranstaltungen, Reisen sowie Ausübungen verpflichten.
zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten sowie die Beschränkung der Anzahl von Personen in bestimmten Betrieben, Gewerben, Einrichtungen, Angeboten, Veranstaltungen, Reisen und Ausübungen verpflichten.
Auflagen für die Fortführung des Betriebs von Gemeinschaftseinrichtungen wie etwa Kitas, Schulen, Hochschulen, außerschulischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung oder ähnlichen Einrichtungen erteilen.
die Verarbeitung der Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern anordnen.
Außerdem können die Länder ergänzend folgende Maßnahmen einsetzen, sofern von dem jeweiligen Landtag ein entsprechender Beschluss vorliegt: Sie können
gastronomische Einrichtungen sowie Freizeit- und Kultureinrichtungen wie etwa Diskotheken und Klubs schließen.
Freizeitveranstaltungen und ähnliche Veranstaltungen, wie etwa große Sportevents, gänzlich untersagen oder einschränken.
Hochschulen, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung oder ähnlichen Ein-richtungen schließen oder Auflagen für die Fortführung ihres Betriebs erteilen.
Es ist hingegen grundsätzlich nicht möglich, folgende Maßnahmen zu ergreifen. Es sei denn, das jeweilige Land hat bis zum 25. November bereits entsprechende Maßnahmen beschlossen. Dies sind Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Sachsen. Nur dort können ergänzend zu den oben genannten Maßnahmen auch diese bis zum 19. März 2022 fortgelten:
Ausgangsbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum,
Untersagung oder Beschränkung von Sportveranstaltungen und der Sportausübung,
Untersagung von Ansammlungen, Aufzügen, Versammlungen sowie religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften,
Untersagung oder Beschränkung von Übernachtungsangeboten und Reisen, insbesondere zu touristischen Zwecken
Schließung oder Beschränkung von Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandel,
Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen wie etwa Kitas, Horte, Schulen, Kinderheime usw.
Ist ein flächendeckender Lockdown möglich? Ist ein regionaler Lockdown möglich?
Ein Lockdown im Sinne von Ausgangsbeschränkungen und weitgehenden Maßnahmen zur Schließungen des Einzelhandels ist nur in den Bundesländern möglich, die vor dem 25. November solche Maßnahmen in einer Rechtsverordnung ermöglicht hatten. Diese Regelungen können allerdings nur bis zum 19. März 2022 fortbestehen. In allen anderen Ländern sind solche Maßnahmen derzeit nicht möglich.
Noch weitergehende Lockdown-Maßnahmen wie beispielsweise eine Schließung von Betrieben gab es in Deutschland bisher noch nicht im Verlauf der Pandemie und sie sind auch auf der derzeitigen gesetzlichen Grundlage nicht möglich.
Werden Kitas & Schulen wieder geschlossen?
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 19. November 2021 Schul- und Kita-Schließungen grundsätzlich nicht ausgeschlossen, jedoch dem Gesetzgeber aufgegeben, das Recht der Kinder auf schulische Bildung künftig besonders zu achten. Die Schulschließungen haben auf gravierende Weise in dieses Recht eingegriffen.
Damit sind Schul- und Kita-Schließungen grundsätzlich enge Grenzen gesetzt worden. Wir haben die präventive Schließung von Schulen und Kitas in der derzeit geltenden Fassung des Infektionsschutzgesetzes bislang ausgeschlossen. Im Falle eines hohen Infektionsgeschehens in einzelnen Schulen oder Kitas ist eine Schließung einzelfallbezogen allerdings durchaus möglich.
Gibt es jetzt Hotel- und Gastronomieschließungen, wenn ja, wann und wo?
Die Untersagung von Hotelübernachtungen ist nur in den Ländern möglich, die dies vor dem 25. November 2021 bereits in einer Rechtsverordnung angeordnet hatten. Diese Regelung kann allerdings nur bis zum 19. März 2022 fortgelten. In allen anderen Ländern ist eine gänzliche Untersagung derzeit nicht möglich. Es sind aber Beschränkungen möglich, wie beispielsweise Hygieneauflagen. Schließungen gastronomischer Einrichtungen aufgrund von Landesverordnungen sind möglich.
Gibt es Wirtschaftshilfen, wenn Clubs & Co. dicht gemacht werden und wie sehen die aus?
Unternehmen und Selbständige müssen selbstverständlich schnell Hilfe erhalten, wenn Betriebe und Einrichtungen coronabedingt schließen müssen. Damit Hilfen schnell ausgezahlt werden können, greifen wir auf die vorhandenen und bereits erprobten Programme zurück. Deshalb werden die vorhandenen Hilfen bis Ende März verlängert und angepasst. Alle Hilfsmaßnahmen sind Neuauflagen schon vorhandener Hilfsprogramme, so wird Planungssicherheit gewährleistet.
Selbstständige können bis Ende März 2022 bis zu 1500€/Monat über die Neustarthilfe direkt beantragen oder wie Unternehmen je nach Höhe des Umsatzausfalls ihre Kosten erstattet bekommen. Schon jetzt kann und sollte jedes betroffene Unternehmen die Überbrückungshilfe III+ beantragen, um Hilfen für Verluste im November oder Dezember zu erhalten. Für alle, die jetzt unmittelbar betroffen sind, zum Beispiel die Kultur- und Veranstaltungsbranche, Schausteller auf Weihnachtsmärkten, aber auch Einzelhandel wird es zusätzlich zur Überbrückungshilfe IV Sonderzuschüsse geben. Das existierende Programm wird so angepasst, dass Betroffene bis zu 90% der Ausfall- und Vorbereitungskosten für abgesagte Veranstaltungen im November und Dezember erhalten.
Warum wurde im Vergleich zu früheren Fassungen des Gesetzentwurfes der Bonus für Pflegekräfte im Intensivbereich wieder gestrichen?
Es besteht Einigkeit unter den drei Partnern, dass Pflegekräfte allgemein und im Intensivbereich eine Prämie erhalten sollen. Zunächst war ein zweistufiges Verfahren vorgesehen. Dabei sollten zunächst Pflegekräfte im Intensivbereich eine Prämie bekommen und später dann alle anderen Pflegekräfte. Die Zahlungen sollten über die Krankenhäuser abgewickelt werden. Es war jedoch aufgrund fehlender Daten in der Kürze der Zeit nicht möglich, die genaue Zahl der Pflegekräfte im von Covid-19-betroffenen Intensivbereich zu bestimmen und darauf aufbauend eine Systematik zu entwickeln, um eine zielgenaue Zahlung an die betreffenden Krankenhäuser und daraus resultierende feste Prämien für Pflegevollkräfte zu erreichen. Deswegen wurde vereinbart, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Prämie für alle Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Anfang 2022 umzusetzen.
Wer kontrolliert die Umsetzung der Schutzmaßnahmen?
Die Kontrolle obliegt den zuständigen Landesbehörden, alsoden Gesundheitsämtern und den Ordnungsbehörden.