Heute habe ich im Tagesspiegel Background Gesundheit und E-Health in der Rubrik „Standpunkt“ einen Namensbeitrag zum Thema Drogen- und Suchtpolitik veröffentlicht:
Die Ergebnisse der Verhandlungsgruppen von Union und SPD sind da und ein Thema muss man dabei mit der Lupe suchen: Drogen- und Suchtpolitik. Gerade mal ein schwammiger Hinweis dazu, dass man Prävention irgendwie stärken und ein bundesweites Nichtraucherschutzgesetz etablieren will. Diese Vernachlässigung ist ein fataler Fehler, denn Drogen- und Suchtpolitik ist ein wichtiger Pfeiler guter Gesundheitspolitik. Was bräuchte es und warum?
Viele denken bei Drogen- und Suchtpolitik an Heroin- oder Crackabhängige. Doch die Volksdrogen Alkohol, Tabak und mittlerweile auch Glücksspiel und Sportwetten sind weit verbreitet und verursachen immense Kosten im Gesundheitssystem. Schätzungen zufolge sterben hierzulande jährlich 40.000 Menschen an den direkten oder indirekten Folgen von Alkohol, die enormen Kosten durch Arbeitsausfälle sind dabei noch nicht eingerechnet. Auch durch Tabak sterben jedes Jahr geschätzte 79.000 Menschen.
Was viel zu oft vergessen wird: Jedes vierte bis fünfte Kind in Deutschland wächst mit mindestens einem suchtkranken Elternteil auf. Diese Kinder tragen eine erdrückende psychische Last, schämen sich oft für die Situation daheim, versuchen sie zu vertuschen und sind viel zu früh auf sich allein gestellt. Sie haben obendrein ein extrem erhöhtes Risiko, selbst suchtkrank zu werden. Die beste Prävention wäre es, hier stärker hinzuschauen und Familien frühzeitig Hilfe und Beratung anzubieten.
Suchtberatung in Deutschland: chronisch unterfinanziert
Doch gerade bei den Beratungsangeboten hakt es: Suchtberatung ist in Deutschland zwar kostenlos und damit erfreulicherweise niedrigschwellig zugänglich, doch ist sie eine Kann-Leistung der Kommunen. Das heißt: Kommunen müssen sie sich leisten können. In Zeiten leerer Kassen trifft es diesen Bereich leider vielerorts oft als Erstes. Wir brauchen verpflichtende Angebote abhängig von der Einwohnerzahl. Denn Suchtberatung ist hoch effektiv: Wenn Betroffene ihre Krankheit anerkennen und zur Therapie bereit sind, können Suchterkrankungen effektiv behandelt werden. Wir haben eines der besten Suchthilfesysteme der Welt, doch viele Betroffene werden nicht erreicht, weil es schon bei der Beratung hakt!
Ebenso wichtig wie Behandlung sollte es uns sein, Suchterkrankungen zu vermeiden. Prävention ist vielschichtig: Studien zeigen, dass die so genannte Verhältnisprävention besonders effektiv ist. Das bedeutet, dass man Lebensumstände so ausgestaltet, dass der Konsum von Suchtmitteln möglichst unattraktiv wird. Konkret heißt das etwa: Werbung und Sponsoring eindämmen oder untersagen, Verkaufsorte und -zeiten für Alkohol und Tabak einschränken, effektive Alterskontrollmaßnahmen beim Verkauf oder auch konsumfreie Zonen im öffentlichen Raum. Einsatzlimits und Abstandsregeln sind insbesondere bei Glücksspiel und Sportwetten effektiv, um Suchtkranke daran zu hindern, unbegrenzt Geld an Automaten oder in Online-Casinos zu verzocken.
Die neue Regierung wäre gut beraten, bei der Verhältnisprävention legaler Suchtmittel voranzugehen. Eine deutliche Mehrheit unterstützt dies: Etwa 80 Prozent befürworten einer Studie von 2023 zufolge starke Einschränkungen von Werbung für Alkohol. Doch mit einer CSU aus Bayern, wo exzessiver Bierkonsum auf dem Oktoberfest mit sieben Millionen Maß Bier zelebriert wird, und Markus Söder meint, auch nach mehreren Bieren noch Auto fahren zu können, darf leider bezweifelt werden, ob Fortschritte möglich werden.
Niedrigschwellige Hilfen statt Kriminalisierung
Abseits von Alkohol und Tabak hat die letzte Regierung mit dem Bundes-Drogenbeauftragten Burkhard Blienert (SPD) eine Kehrtwende in der Drogenpolitik eingeleitet: Weg von Kriminalisierung und Stigmatisierung hin zu mehr Hilfen und akzeptierenden Angeboten. Denn suchtkranke Menschen brauchen Hilfe statt Strafverfolgung.
Bei Cannabis wurde der Paradigmenwechsel besonders kritisch beäugt, aber er ist und bleibt richtig. Umso wichtiger ist, dass wir den eingeschlagenen Weg weitergehen und auch für illegalisierte Substanzen niedrigschwellige Zugänge zu Hilfen und Aufklärung ausbauen. Konkret heißt das: mehr Drogenkonsumräume und Drugchecking-Angebote, Ersatzstofftherapie fördern breiter erforschen.
Die neue Koalition täte gut daran, diese Erkenntnisse anzunehmen und dem Thema in den aktuellen Verhandlungen mehr Raum einzuräumen. Denn eine zeitgemäße Drogen- und Suchtpolitik rettet Leben!
Der Beitrag ist auch auf der Website des Tagesspiegel Background hier zu finden.
Vor zwei Wochen war ich in der Verbraucherzentrale im Gespräch mit der Stabstelle Patientenbeteiligung. Sie koordiniert unter anderem die Besetzung zentraler Hamburger Gesundheitsgremien mit ehrenamtlichen Menschen, die sich dort für die Rechte von Patient*innen engagieren.
Ein Ausschuss, für den es in Hamburg beispielsweise Patient*innen-Vertretungen zu organisieren gilt, ist der Zulassungsausschuss für Arztsitze.
Im Sozialgesetzbuch ist die Beteiligung von Interessensvertretungen der Patient*innen geregelt, dies kann über die Einrichtung einer Stabsstelle erfolgen – in Hamburg gibt es diese seit dem 01.02.2024 . Auch wenn noch nicht alle aufwendigen Ehrenämter mit Freiwilligen besetzt sind, ist seitdem viel passiert in der Akquise motivierter Menschen.
Ebenfalls zu den Aufgaben gehört ein bundesweiter Austausch der Stabstellen über die Ausgestaltung ihrer Arbeit. Dort gibt es noch große Unterschiede. So sind manche Stabstellen beispielsweise immer noch ausschließlich ehrenamtlich organisiert.
Die Mitbestimmung von Patient*innen ist wichtig, um die Stimmen der Betroffenen in die Entscheidungen des Gesundheitswesen einzubringen. Bisher haben sie sowohl auf Landesebene, als auch auf Bundesebene in den Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) jedoch nur eine beratende Funktion. Aus meiner Sicht ist es wichtig, die Mitbestimmung institutionell zu verankern, etwa durch Stimm- und Vetorechte. Ein Vorstoß, dies auch für den Gesamtdeutschen Bundesausschuss zu erreichen, welcher zentrale Entscheidungen im Gesundheitswesen regelt, ist in der vergangenen Legislatur an trotz Verankerung im Koalitionsvertrag und Diskussionen über konkrete Vorschläge im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz am Ende leider nicht mehr umgesetzt worden . Dies jedoch weiter voranzubringen kann ein wichtiges Zeichen für die Mitbestimmung auf Landesebene setzen.
Ich freue mich, dass die Hamburger Stabstelle sich durch die Arbeit von Frau Schefe für eine effektive Mitbestimmung von Patient*innen einsetzt und werde mit ihr auch künftig kontinuierlich im Gespräch bleiben. Mehr Informationen zur Arbeit der Stabsstelle finden sich auch hier auf der Website der Verbraucherzentrale Hamburg.
Wohn- und Obdachlosigkeit überwinden – das ist mir schon immer ein wichtiges politisches Anliegen. Auf dem Weg dahin braucht es die Zusammenarbeit mit sozialen und Hilfseinrichtungen für wohnungslose Menschen. Mir ist es dabei wichtig, vor Ort im Austausch zu sein, darum habe ich kürzlich die Ambulante Hilfe Hamburg e.V. besucht.
Die Ambulante Hilfe Hamburg berät und unterstützt Menschen ohne Wohnung oder in Wohnungsnot. In insgesamt 7 Beratungsstellen in Hamburg unterstützen Berater*innen diese Zielgruppe auf dem Weg zurück in eigenen Wohnraum oder dabei, das Dach über dem Kopf gar nicht erst zu verlieren. Außerdem vermitteln sie an andere Einrichtungen wie z.B. Suchtkrankenhilfe oder Frauenhäuser. Auch in Altona ist für dieses Angebot die Ambulante Hilfe Hamburg zuständig.
Gemeinsam mit Mareike Engels, sozialpolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion, habe ich mich dabei u.a. über das Modellprojekt „Dele“ informiert: Wohnungen gehen nicht nur durch Mietschulden verloren. Das Projekt „Dele“ hilft desorganisiert lebenden Menschen, die im Übermaß Dinge sammeln – erfolgreich und frühzeitig, bevor eine Räumung droht.
Die Ambulante Hilfe hat uns dabei auch von den aktuell größten Hürden für ihre Arbeit berichtet:
Es gibt aktuell zu wenig Wohnraum und zu lange Wartelisten
Der Fachkräftemangel trifft auch die Sozialarbeit
Ohne Dolmetscher*innen stehen oft Sprachbarrieren der Kommunikation im Weg
Drei Dinge, ich noch einmal ganz besonders aus dem Termin mitgenommen habe:
Krisen vermeiden, bevor sie entstehen! Es braucht mehr Fokus auf Prävention statt ausschließlich auf Krisenbewältigung.
Das Angebot an Notwohnungen für Frauen & Familien muss ausgebaut werden
Es braucht eine Verstärkung der Straßensozialarbeit.
Ein bedeutender Fortschritt für die Schadensminderung in der Drogen- und Suchthilfe: Der Ausschuss unabhängiger Sachverständiger des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat einstimmig für die Entlassung von Naloxon zur nasalen Anwendung aus der Verschreibungspflicht gestimmt.
Die Zahl der drogenbedingten Todesfälle in Deutschland ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, wobei Opioide weiterhin die häufigste Ursache sind.
Verbesserung bringen kann hier das Notfall-Medikament Naloxon, das es seit einigen Jahren auch als Nasenspray gibt. Die flächendeckende Umsetzung von Take-Home-Naloxon kann entscheidend dazu beitragen, die Zahl zu senken und die Notfallversorgung bei Opioid-Überdosierungen erheblich zu verbessern, wenn es zügig angewendet wird. Naloxon wirkt schnell und effektiv und würde ohne Rezept leichter zugänglich werden – ein bedeutender Fortschritt für gefährdete Personen und ihr Umfeld. Modellprojekte wie „THN Bayern“ und „NALtrain“ zeigen, dass geschulte medizinische Laien Naloxon sicher anwenden und so Leben retten können. In diesen Projekten wurden Angehörige gezielt im Umgang mit dem Medikament geschult.
Dennoch bleiben offene Fragen, bevor Naloxon als Nasenspray wirklich für alle verfügbar wird: Nyxoid® bleibt vorerst verschreibungspflichtig, aber mit Ventizolve® könnte bald eine rezeptfreie Alternative verfügbar sein. Unklar ist auch noch, ob Naloxon weiterhin von den Krankenkassen erstattet wird – eine entscheidende Frage für den barrierefreien Zugang.
Für mich ist klar: Diese Entscheidung in den Gremien der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens ist ein entscheidender Fortschritt für die Vermeidung opioidbedingter Todesfälle. Jetzt gilt es, die Verfügbarkeit von Take-Home-Naloxon sicherzustellen und regulatorische Hürden abzubauen. Die Umsetzung der notwendigen Rechtsverordnung könnte sich wegen der Neuwahlen verzögern, doch wir bleiben dran, hier politischen Druck zu machen und aufrecht zu erhalten. Die wissenschaftliche Evidenz spricht auf jeden Fall für eine schnelle Umsetzung.
Heute morgen habe ich im momaDuell des ZDF-Morgenmagazin über besseren Schutz für Passivraucher diskutiert. Anlass waren die Pläne der Europäischen Union für mehr Nichtraucherschutz in ganz Europa. Meinen Gegenpart in der Diskussion hat Daniel Caspary, Mitglied des Europäischen Parlaments (CDU) übernommen. Ihr seht das Video direkt hier:
Hierkönnt Ihr die ganze Sendung auf der Website des ZDF sehen
Passend zur derzeit gesellschaftlich und politisch wieder verstärkt geführten Debatte über unseren Umgang mit dem Rauchen, fand am 27. November ein digitaler Experten*innen-Austausch von Linda Heitmann MdB und Renate Künast MdB statt.
Es gibt europaweit und auch in Deutschland einen wachsenden Markt für sogenannte alternative oder neuartige Tabak- und Nikotin-Produkte wie Tabakerhitzer, E-Zigaretten und Einweg-E-Zigaretten – auch bekannt als Vapes.
Besonders diskutiert wird dabei immer wieder, welche gesundheitlichen Auswirkungen diese Produkte langfristig für Konsumierende haben und welche Rolle die E-Produkte beim Einstieg ins Rauchen wie auch bei der Rauchentwöhnung spielen können. In unserem internen Fachgespräch lag der Fokus vor allem auf dem Jugendschutz.
Wie schädlich sind nun eigentlich E-Produkte für Kinder und Jugendliche? Hier waren sich die Expert*innen einig, dass E-Produkte wegen ihres hohen, bis extrem hohen Nikotingehalts ein großes Risiko bergen, früh abhängig zu machen. Die mittlerweile fast 16.000 vorhanden Aromen, so machten die Fachleute deutlich, erleichterten zusätzlich den Einstieg, weil sie das Inhalieren buchstäblich versüßen.
Kritisch beleuchtet wurden zudem einige Marketingstrategien der Tabak- und Nikotinindustrie. Denn die neuartigen Produkte werden von den etablierten Tabakunternehmen hergestellt und Werbemaßnahmen richten sich teils offensichtlich an Kinder und Jugendliche. Auch der Coolness-Faktor spielt für die 14- bis 17-Jährigen eine große Rolle, um zur E-Zigarette zu greifen. Hier geht der Konsum-Trend im Vergleich zu herkömmlichen Tabakzigaretten leider nach oben. Daher müsse man auch indirekte Werbung, etwa über Influencer und Social Media, die attraktive Rollenmodelle vermittelten, in den Blick nehmen.
Die Fachleute forderten eine bessere politische Regulierung von E-Produkten im Sinne der Verhältnisprävention und der Marktkontrolle. Vorschläge waren hier z.B. neutral designte Einheitsverpackungen, die den Kaufanreiz minimieren. Auch höhere Preise seien ausschlaggebend für die Konsumentscheidung speziell jünger Menschen. Es müsse dafür gesorgt werden, dass Produkte, die augenscheinlich die nötigen Standards in der Produktqualität und damit im Verbraucher*innen-Schutz nicht einhalten würden, vom Markt in Deutschland verschwänden und eine wirksamere Kontrolle der Altersüberprüfung im Online-Handel stattfände. Zu den Forderungen zählten aber auch die Marktverbannung von Einweg-E-Zigaretten und Aromen sowie die Einbeziehung der E-Produkte in das Nichtraucherschutzgesetz.
In unseren europäischen Nachbarländern gibt es politische Bestrebungen, E-Produkte wieder vom Markt zu nehmen: So hat Belgien etwa mit Zustimmung der EU-Kommission gezielt Einweg-E-Zigaretten ab 2025 aus dem Handel verbannt. Auch die EU-Kommission sieht es als wissenschaftlich geboten, die öffentlichen rauchfreien Zonen auf Außenflächen und das Dampfen von E-Zigaretten auszuweiten und hat jüngst diese Empfehlung an die Mitgliedstaaten ausgesprochen. Im Bundesrat wurde gerade letzte Woche ein Antrag von verschiedenen Bundesländern beschlossen, der fordert, Einweg-E-Zigaretten auch in Deutschland vom Markt zu nehmen.
Aus politischer Sicht teilen wir die Einschätzung der Expert*innen, dass auch in Deutschland Maßnahmen der Verhältnisprävention und des vorsorgenden Gesundheits- und Verbraucher*innen-Schutzes nötig sind, um Lücken im Jugendschutz zu schließen. Wir müssen Kinder und Jugendliche stärken, damit sie gesund und unabhängig aufwachsen können. Dafür werden wir uns auch weiterhin stark machen! Wir werden mit vereinten Kräften kämpfen und ressortübergreifend Ansätze der Gesundheits-, Landwirtschafts-, Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik zusammendenken. Nur so kann es gelingen, den Einstieg junger Menschen in den Konsum von Nikotin und oder Tabak künftig zu verhindern.