Zur aktuellen Einigung zur Umsetzung der Verbandsklage erkläre ich als Berichterstatterin für Verbraucherschutz gemeinsam mit meinem Kollegen Till Steffen aus dem Rechtsausschuss:
„Betrogene Verbraucher*innen können sich bald besser und auf Augenhöhe wehren. Mit der Verbandsklage bekommen sie ein wirksames Instrument, um gemeinsam und direkt Schadensersatz einzufordern. Bisher mussten sie individuell klagen, wie etwa beim Dieselbetrug, was viele abgeschreckt hat. Mit der Verbandsklage werden also Hürden für Geschädigte abgebaut und die Justiz spürbar von Massenverfahren entlastet. Daneben erhalten die Unternehmen Planungssicherheit.
Besonders freut uns das späte Opt-in: Kläger*innen können sich bis zu drei Wochen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung einer Verbandsklage anschließen. Hier konnten wir in den Verhandlungen deutliche Verbesserungen erreichen. Zudem begrüßen wir die Verabredung, das ähnliche Sachverhalte besser gebündelt werden können, damit nicht viele parallele Verfahren geführt werden müssen, deren Fälle sich nur um Nuancen unterscheiden. Wir konnten den bürokratischen Aufwand reduzieren, mit dem klagende Verbände 50 betroffene Verbraucher*innen nachweisen müssen.
Die neue Verbandsklage ist ein Meilenstein für einen starken und modernen Verbraucherschutz. Wir haben eine Triple-Win-Situation geschaffen: Verbraucher*innen kommen besser und schneller zu ihrem Recht, die Justiz wird entlastet und die Unternehmen erhalten Planungssicherheit.“
Wie in einem früheren Artikel vom 27. Mai 2022 bereits erläutert, ist die (Neu)Regelung der Sterbehilfe ein Thema auf der Bundestagsagenda, bei dem das Bundesverfassungsgericht uns aufgefordert hat, eine breit akzeptierte Regelung zu finden, da es laut Urteil ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben gibt.
Die Kernfrage der Debatte dreht sich dabei um die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen des assistierten Suizids. Davon streng zu trennen ist die sogenannte Tötung auf Verlangen, bei der der Tötungsakt durch eine dritte Person durchgeführt wird und nach §216 StGB strafbar ist. Diese Regelung wird weiterhin unberührt bleiben. Beim assistierten Suizid hingegen geht es um die selbstbestimmte Selbsttötung mit der Hilfe Dritter. Die Hilfe zur Selbsttötung kann beispielsweise in der Verschreibung entsprechender Medikamente, der Ermöglichung mittels durch Suizidwillige auszulösende technische Unterstützung (z.B. eye-tracking) oder dem Bereitstellen eines entsprechenden Raums bestehen.
Der Anlass für den Neuregelungsbedarf ist – wie erwähnt – ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020, welches den §217 StGB, welcher erst 2015 durch das Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung eingeführt wurde, für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt hat. Denn es gab mehrere Klagen, u.a. auch vom Verein Sterbehilfe Deutschland, gegen die §217-Regelung, die besagt, dass die geschäftsmäßige assistierte Selbsttötung sowohl durch Ärzt*innen als auch Einzelpersonen und Organisationen kategorisch strafbar ist – ganz gleich, ob mit kommerzieller oder nichtkommerzieller Absicht. Dementsprechend drohen bei geschäftsmäßiger Sterbehilfe eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Unter „geschäftsmäßiger“ Suizidhilfe versteht man dabei jede auf wiederholte Hilfe zur Selbsttötung angelegte Tätigkeit von Organisationen, Vereinen und Einzelpersonen. Erst recht, wenn diese mit finanziellen Interessen noch einhergeht.
Nach zahlreichen Debatten, die im Zuge der Orientierungsdebatte vom 18. Mai 2022, der ersten Lesung im Juni 2022 sowie der darauffolgenden öffentlichen Anhörung im November 2022 stattfanden, hatten sich drei Gruppenanträge herauskristallisiert. Inzwischen haben sich die Antragsteller*innen von zweien der ursprünglichen drei Anträge auf eine gemeinsame Version geeinigt, so dass letztlich zwei konkurrierende Anträge in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause zur abschließenden Abstimmung stehen. Da es sich um ein Thema handelt, das als Gewissensentscheidung eingestuft wird, ist die Fraktionsdisziplin aufgehoben. Es handelt sich bei den Anträgen auch um fraktionsübergreifende Anträge von verschiedenen Parlamentariergruppen:
Der eine Gesetzentwurf (Drs. 20/1121, ehemals Drs. 20/904) sieht vor, dass die Regelung der geschäftsmäßigen Suizidhilfe weiterhin im Strafgesetzbuch verankert bleibt und enge Ausnahmen definiert werden, unter denen die Strafbarkeit nicht gilt. Lars Castellucci (SPD), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) und Benjamin Strasser (FDP) gelten als die wesentlichen Initiator*innen dieses Gruppenantrages.
Er zielt in erster Linie darauf ab, die Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung sicherzustellen. Dazu gehöre auch, dass die Suizidwilligen von Einwirkungen und Repressionen freizuhalten sind, welche sie gegenüber Suizidhilfeangeboten in eine Rechtfertigungslage bringen könnten. Die Suizidwilligen sollen möglichst lange frei entscheiden können, d.h. auch vorherige Entscheidungen revidieren und Suizidhilfeangebote ausschlagen können, ohne das Gefühl zu haben, sich dafür rechtfertigen zu müssen. Daher soll zum wirksamen generalpräventiven Schutz der Freiverantwortlichkeit der Suizidentscheidung die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich strafbar sein. Die Möglichkeit der straffreien geschäftsmäßigen Suizidhilfe soll dabei durch Ausnahmeregelungen von diesem Grundsatz gegeben sein. Dementsprechend soll die geschäftsmäßige Suizidhilfe straffrei sein, wenn die sterbewillige Person „volljährig und einsichtsfähig“ ist und in der Regel mindestens zweimal mit einem Abstand von mindestens drei Monaten ein umfassendes, individuell angepasstes und ergebnisoffenes Beratungsgespräch durch eine*n Fachärzt*in für Psychiatrie und Psychotherapie in Anspruch genommen hat. Ein einziger Untersuchungstermin soll nur bei jenen Betroffenen ausreichen, die unter einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung leiden. Um der gesellschaftlichen Normalisierung der Suizidhilfe entgegenzuwirken, soll darüber hinaus ein Werbeverbot für die Hilfe zur Selbsttötung geben.
Der andere Gesetzesentwurf setzt sich aus den ehemaligen Anträgen mit den Drucksachen 20/2332 und 20/2293 zusammen. Katrin Helling-Plahr (FDP), Renate Künast (Grüne), Dr. Nina Scheer (SPD) und Petra Sitte (Die Linke) stehen hinter diesem Entwurf federführend.
Dieser Gesetzentwurf basiert auf der Prämisse, dass als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch die Freiheit einschließt, sich das Leben zu nehmen und hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen, sofern sie angeboten wird. Daher soll die assistierte Selbsttötung grundsätzlich straffrei sein und durch ein eigenständiges Suizidhilfegesetz (d.h. außerhalb des Strafgesetzes) rechtlich verankert werden. Demnach müsse die Leistung der Suizidhilfe grundsätzlich erlaubt sein, wenn die sterbewillige Person, die volljährig sein muss, sich freiwillig und ohne unzulässige Einflussnahme für die assistierte Selbsttötung entschieden hat und diese Entscheidung von gewisser Dauerhaftigkeit sowie innerer Festigkeit geprägt ist. Um diese Voraussetzungen festzustellen, müsse die suizidwillige Person in der Regel ein umfassendes, ergebnisoffenes und ggf. individuell angepasstes Beratungsgespräch durch eine staatlich anerkannte Beratungsstelle in Anspruch nehmen, welches auch Handlungsalternativen aufzeigt. Erst nach einer Bedenkzeit von mindestens drei und höchstens zwölf Wochen dürfe ein*e Ärzte*in ein entsprechendes Medikament zum Zwecke der Selbsttötung verschreiben. In Härtefällen kann die Verschreibung des todbringenden Medikaments auch ohne Beratungsgespräch erfolgen, wenn eine zweite ärztliche Einschätzung eingeholt wird. Ein Härtefall liegt vor, wenn ein existentieller Leidensdruck mit anhaltenden Symptomen besteht, der die gesamte Lebensführung dauerhaft beeinträchtigt, oder wenn eine unheilbare, fortschreitende und weit fortgeschrittene Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung vorliegt. Entsprechende Beratungsangebote sollen nach Willen der Antragsteller*innen bundesweit entstehen.
Wie ich mich in der Abstimmung kommenden Mittwoch verhalten werde, dazu steht mein endgültiger Entschluss bislang nicht fest. Für mich persönlich ist es wichtig, dass zum einem ein selbstbestimmtes Leben und Sterben möglich sind und zum anderen sichergestellt ist, dass Suizid als der allerletzte Ausweg gilt, zu dem sich die Betroffenen absolut freiwillig entschieden haben. Es muss aus meiner Sicht wirklich wirksam verhindert werden, dass Menschen sich selbst töten, die dies aus einer persönlichen oder psychischen Notlage heraus tun, für die auch Hilfe möglich wäre. Welcher von beiden Anträgen dies besser sicherstellt, dazu führe ich derzeit noch Gespräche und Diskussionen.
Darüber hinaus muss aus meiner Sicht zwingend verhindert werden, dass die assistierte Selbsttötung zu einem neuen lukrativen Geschäftsmodell wird. Dies sehe ich in beiden Anträgen gegeben.
Mir ist es zudem wichtig, dass die Suizidprävention verbessert und ausgebaut wird, indem u.a. der Zugang zu Beratungsangeboten niedrigschwellig und zügig sichergestellt wird. Welcher der beiden Anträge dies besser sicherstellt, auch dazu bin ich bislang noch unschlüssig.
Endlich ist es uns gelungen, einen zentralen drogenpolitischen Punkt aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen: Drugchecking ist nach dem Betäubungsmittelgesetz nun möglich!
Kurz vor der Sommerpause ist dies ein wichtiger gesundheitspolitischer und für mich persönlich großer Erfolg für eine progressive neue Drogenpolitik. Seit Jahren setze ich mich für eine flächendeckende Einführung von Drugchecking-Angeboten ein. Denn wir sehen leider immer wieder, dass Menschen aufgrund von unkalkulierbaren Inhaltsstoffen, speziell in synthetischen Drogen, durch ihren Konsum versterben oder mit starken Schädigungen und Nebenwirkungen kämpfen.
Partydrogen wie MDMA, zum Teil Kokain und Speed sind gerade auch für junge Leute reizvoll und sehr leicht verfügbar. Leider werden die Risiken meist unterschätzt. Denn Verunreinigungen oder ein enorm hoher Wirkstoffgehalt sind lebensgefährlich und lassen sich nicht augenscheinlich erkennen. Auf dem illegalen Markt gibt es weder Gesundheits- noch Verbraucher*innen-Schutz.
Deswegen ist es richtig, dass wir im Bund jetzt endlich die gesetzliche Grundlage geschaffen haben, um Drugchecking zu ermöglichen. So können sich Konsumierende darüber informieren, was zum Beispiel in ihrer Ecstasy-Pille steckt. Ihnen werden Angebote zur Konsumreflexion und Beratung zur Schadensminderung gemacht. Untersuchungen zeigen, dass dies User*innen immer wieder auch vom Konsum abhält oder zu weniger Konsum führt. Außerdem ist es durch die Substanzanalysen der eingereichten Proben möglich, Konsumtrends und Gefahren immerhin ansatzweise zu erkennen und früher vor lebensgefährlichen Stoffen, die aktuell irgendwo im Umlauf sind, zu warnen.
Was im Gesetz steht
Wir haben nun eine bundesweit rechtssichere Ermächtigung der Länder für Drugchecking-Modelle geschaffen. Dazu ändern wir das Betäubungsmittelgesetz und ergänzen einen neuen Paragraphen 10b BtMG (siehe Bild). Die Landesregierungen sind nun dazu veranlasst, Vorgaben für die Erteilung einer Erlaubnis für Drugchecking zu erlassen. Denn vielerorts stehen Träger bereits in den Startlöchern, um Drogenchecks mit Beratungsangeboten ins Leben zu rufen. Teile des bisherigen Paragraphen 10a BtMG werden gestrichen.
Wir erlauben Drugchecking in Drogenkonsumräumen, was bislang ausgeschlossen war. Hierdurch passen wir das Gesetz an die bereits gelebte Safer-use-Praxis in Konsumräumen an und schaffen Klarheit zur Stärkung der Handlungskompetenz der Fachkräfte in den Suchhilfeeinrichtungen. Das Fachpersonal darf den Konsumierenden dort künftig individuell Rückmeldung zu den eingereichten Proben geben.
Wichtig ist mir auch die Einführung des neuen Paragraphen 31a. Hier wird festgeschrieben, dass im direkten Umkreis von Drugchecking-Projekten keine Strafverfolgung auf Grund von Drogenbesitz stattfinden darf.
Die Ziele der Einführung von Drugchecking – eine verbesserte gesundheitliche Aufklärung und Schutz – werden in den Ländern wissenschaftlich begleitet und die Ergebnisse dieser Evaluierungen im Bund zusammengeführt. Auch dies ist ein wichtiger Beitrag zu einer evidenzbasierten Drogenpolitik, für die ich mich stark mache.
Was nun wichtig ist
Die Landesregierungen müssen nun ins Handeln kommen! Gerade der Einfluss synthetischer Drogen, wie Crystal Meth und andere Amphetamine, auf das Konsumverhalten in den Grenzregionen in Deutschland ist ein Auftrag an die jeweiligen Landesgesundheitsbehörden, Drugchecking einzuführen. Denn es gilt: Erst wenn es bundesweit genug Drugchecking-Angebote gibt, werden wir strukturell eine Verbesserung des Gesundheitsschutzes spürbar machen können.
Zur Beteiligung der Länder habe ich mich auch in der parlamentarischen Debatte eingebracht und meinen Kollegen Dirk Heidenblut befragt.
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Der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik akzept e.V. hat zur Verabschiedung des Gesetzes eine Pressemitteilung veröffentlicht: PM