Am heutigen 21. Juli findet jährlich der Tag zum Gedenken verstorbener Drogengebraucher*innen statt und in diesem Jahr bin ich dafür bundesweit Schirmherrin.
Dabei wird stets all jener Menschen gedacht, die im vergangenen Jahr als sogenannte „Drogentote“ in die Statistik eingegangen sind. In Deutschland waren dies in 2022 insgesamt 1990 Menschen. Und hinter dieser erschreckend hohen Zahl verbergen sich 1990 einzelne Lebensläufe und Schicksale.
In Hamburg wird der Gedenktag schon seit vielen Jahren mit Mahnwachen von den Drogenhilfeträgern ragazza e.V. und freiraum e.V. begangen. Hier werden jährlich Kerzen oder kleine Fahnen mit Namen, Fotos und Infos zu den Verstorbenen aufgestellt. Ich finde das eine schöne Geste, um den Betroffenen ein Gesicht zu geben.
Wie ich heute auch in meiner Rede auf der ragazza-Mahnwache nahe des Hamburger Hauptbahnhofes deutlich machen konnte, ist es gut und wichtig, diesen Gedenktag zu begehen, um ebenjenen ein Gesicht zu geben, die sonst so häufig viel zu sehr am Rande unserer Gesellschaft stehen und vergessen werden. Gleichzeitig würde ich mir eigentlich aber wünschen, dass es den Tag nicht bräuchte, weil keine Menschen direkt in Folge des Konsums illegalisierter Drogen mehr sterben.
Allerdings ist auch mir klar: vermutlich wird das leider noch lange ein Wunsch bleiben. Als Politik önnen und müssen wir aber dafür sorgen, dass es künftig weniger Drogentote gibt: mit mehr niedrigschwelligen Hilfen, Maßnahmen zum Drugchecking oder z.B. mehr Schulungen im Umgang mit dem Notfallmedikament Naloxon.
Ich bleibe dran! Und auch wenn der nächste Gedenktag erst im Juli 2014 stattfindet, denke ich an die Verstorben immer wieder und mache Politik auch für sie.
Wie in einem früheren Artikel vom 27. Mai 2022 bereits erläutert, ist die (Neu)Regelung der Sterbehilfe ein Thema auf der Bundestagsagenda, bei dem das Bundesverfassungsgericht uns aufgefordert hat, eine breit akzeptierte Regelung zu finden, da es laut Urteil ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben gibt.
Die Kernfrage der Debatte dreht sich dabei um die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen des assistierten Suizids. Davon streng zu trennen ist die sogenannte Tötung auf Verlangen, bei der der Tötungsakt durch eine dritte Person durchgeführt wird und nach §216 StGB strafbar ist. Diese Regelung wird weiterhin unberührt bleiben. Beim assistierten Suizid hingegen geht es um die selbstbestimmte Selbsttötung mit der Hilfe Dritter. Die Hilfe zur Selbsttötung kann beispielsweise in der Verschreibung entsprechender Medikamente, der Ermöglichung mittels durch Suizidwillige auszulösende technische Unterstützung (z.B. eye-tracking) oder dem Bereitstellen eines entsprechenden Raums bestehen.
Der Anlass für den Neuregelungsbedarf ist – wie erwähnt – ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020, welches den §217 StGB, welcher erst 2015 durch das Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung eingeführt wurde, für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt hat. Denn es gab mehrere Klagen, u.a. auch vom Verein Sterbehilfe Deutschland, gegen die §217-Regelung, die besagt, dass die geschäftsmäßige assistierte Selbsttötung sowohl durch Ärzt*innen als auch Einzelpersonen und Organisationen kategorisch strafbar ist – ganz gleich, ob mit kommerzieller oder nichtkommerzieller Absicht. Dementsprechend drohen bei geschäftsmäßiger Sterbehilfe eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Unter „geschäftsmäßiger“ Suizidhilfe versteht man dabei jede auf wiederholte Hilfe zur Selbsttötung angelegte Tätigkeit von Organisationen, Vereinen und Einzelpersonen. Erst recht, wenn diese mit finanziellen Interessen noch einhergeht.
Nach zahlreichen Debatten, die im Zuge der Orientierungsdebatte vom 18. Mai 2022, der ersten Lesung im Juni 2022 sowie der darauffolgenden öffentlichen Anhörung im November 2022 stattfanden, hatten sich drei Gruppenanträge herauskristallisiert. Inzwischen haben sich die Antragsteller*innen von zweien der ursprünglichen drei Anträge auf eine gemeinsame Version geeinigt, so dass letztlich zwei konkurrierende Anträge in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause zur abschließenden Abstimmung stehen. Da es sich um ein Thema handelt, das als Gewissensentscheidung eingestuft wird, ist die Fraktionsdisziplin aufgehoben. Es handelt sich bei den Anträgen auch um fraktionsübergreifende Anträge von verschiedenen Parlamentariergruppen:
Der eine Gesetzentwurf (Drs. 20/1121, ehemals Drs. 20/904) sieht vor, dass die Regelung der geschäftsmäßigen Suizidhilfe weiterhin im Strafgesetzbuch verankert bleibt und enge Ausnahmen definiert werden, unter denen die Strafbarkeit nicht gilt. Lars Castellucci (SPD), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) und Benjamin Strasser (FDP) gelten als die wesentlichen Initiator*innen dieses Gruppenantrages.
Er zielt in erster Linie darauf ab, die Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung sicherzustellen. Dazu gehöre auch, dass die Suizidwilligen von Einwirkungen und Repressionen freizuhalten sind, welche sie gegenüber Suizidhilfeangeboten in eine Rechtfertigungslage bringen könnten. Die Suizidwilligen sollen möglichst lange frei entscheiden können, d.h. auch vorherige Entscheidungen revidieren und Suizidhilfeangebote ausschlagen können, ohne das Gefühl zu haben, sich dafür rechtfertigen zu müssen. Daher soll zum wirksamen generalpräventiven Schutz der Freiverantwortlichkeit der Suizidentscheidung die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich strafbar sein. Die Möglichkeit der straffreien geschäftsmäßigen Suizidhilfe soll dabei durch Ausnahmeregelungen von diesem Grundsatz gegeben sein. Dementsprechend soll die geschäftsmäßige Suizidhilfe straffrei sein, wenn die sterbewillige Person „volljährig und einsichtsfähig“ ist und in der Regel mindestens zweimal mit einem Abstand von mindestens drei Monaten ein umfassendes, individuell angepasstes und ergebnisoffenes Beratungsgespräch durch eine*n Fachärzt*in für Psychiatrie und Psychotherapie in Anspruch genommen hat. Ein einziger Untersuchungstermin soll nur bei jenen Betroffenen ausreichen, die unter einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung leiden. Um der gesellschaftlichen Normalisierung der Suizidhilfe entgegenzuwirken, soll darüber hinaus ein Werbeverbot für die Hilfe zur Selbsttötung geben.
Der andere Gesetzesentwurf setzt sich aus den ehemaligen Anträgen mit den Drucksachen 20/2332 und 20/2293 zusammen. Katrin Helling-Plahr (FDP), Renate Künast (Grüne), Dr. Nina Scheer (SPD) und Petra Sitte (Die Linke) stehen hinter diesem Entwurf federführend.
Dieser Gesetzentwurf basiert auf der Prämisse, dass als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch die Freiheit einschließt, sich das Leben zu nehmen und hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen, sofern sie angeboten wird. Daher soll die assistierte Selbsttötung grundsätzlich straffrei sein und durch ein eigenständiges Suizidhilfegesetz (d.h. außerhalb des Strafgesetzes) rechtlich verankert werden. Demnach müsse die Leistung der Suizidhilfe grundsätzlich erlaubt sein, wenn die sterbewillige Person, die volljährig sein muss, sich freiwillig und ohne unzulässige Einflussnahme für die assistierte Selbsttötung entschieden hat und diese Entscheidung von gewisser Dauerhaftigkeit sowie innerer Festigkeit geprägt ist. Um diese Voraussetzungen festzustellen, müsse die suizidwillige Person in der Regel ein umfassendes, ergebnisoffenes und ggf. individuell angepasstes Beratungsgespräch durch eine staatlich anerkannte Beratungsstelle in Anspruch nehmen, welches auch Handlungsalternativen aufzeigt. Erst nach einer Bedenkzeit von mindestens drei und höchstens zwölf Wochen dürfe ein*e Ärzte*in ein entsprechendes Medikament zum Zwecke der Selbsttötung verschreiben. In Härtefällen kann die Verschreibung des todbringenden Medikaments auch ohne Beratungsgespräch erfolgen, wenn eine zweite ärztliche Einschätzung eingeholt wird. Ein Härtefall liegt vor, wenn ein existentieller Leidensdruck mit anhaltenden Symptomen besteht, der die gesamte Lebensführung dauerhaft beeinträchtigt, oder wenn eine unheilbare, fortschreitende und weit fortgeschrittene Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung vorliegt. Entsprechende Beratungsangebote sollen nach Willen der Antragsteller*innen bundesweit entstehen.
Wie ich mich in der Abstimmung kommenden Mittwoch verhalten werde, dazu steht mein endgültiger Entschluss bislang nicht fest. Für mich persönlich ist es wichtig, dass zum einem ein selbstbestimmtes Leben und Sterben möglich sind und zum anderen sichergestellt ist, dass Suizid als der allerletzte Ausweg gilt, zu dem sich die Betroffenen absolut freiwillig entschieden haben. Es muss aus meiner Sicht wirklich wirksam verhindert werden, dass Menschen sich selbst töten, die dies aus einer persönlichen oder psychischen Notlage heraus tun, für die auch Hilfe möglich wäre. Welcher von beiden Anträgen dies besser sicherstellt, dazu führe ich derzeit noch Gespräche und Diskussionen.
Darüber hinaus muss aus meiner Sicht zwingend verhindert werden, dass die assistierte Selbsttötung zu einem neuen lukrativen Geschäftsmodell wird. Dies sehe ich in beiden Anträgen gegeben.
Mir ist es zudem wichtig, dass die Suizidprävention verbessert und ausgebaut wird, indem u.a. der Zugang zu Beratungsangeboten niedrigschwellig und zügig sichergestellt wird. Welcher der beiden Anträge dies besser sicherstellt, auch dazu bin ich bislang noch unschlüssig.