Mit der diesjährigen COA-Aktionswoche vom 12. bis 18. Februar 2023 soll jenen eine Stimme gegeben werden, die oft still, heimlich und vor allem alleine leiden: Children of Addicts, also Kindern aus suchtbelasteten Familien. Unter der Schirmherrschaft des Sängers Max Mutzke, der mit einer alkoholabhängigen Mutter aufgewachsen ist, werden im Rahmen der COA-Aktionswoche bundesweit über 80 Aktionen in Präsenz oder digital durchgeführt, um auf die schwierige Lebenssituation von Kindern aus suchtbelasteten Familien aufmerksam zu machen. Unterschiedlichste Krankenkassen und Verbände unterstützen und fördern die Aktionswoche.
Schätzungsweise 2,65 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wachsen allein in Deutschland mit einem alkoholkranken Elternteil auf. Hinzu kommen ca. 40.000 bis 60.000 Minderjährige, deren Eltern abhängig von illegalisierten Substanzen sind, sowie eine große Anzahl von Kindern, die in Familien mit einer nichtstofflichen Sucht (z.B. Glücksspielsucht, Medien- und Onlinesucht, Arbeitssucht, Beziehungssucht, Sexsucht) aufwachsen. Für verhaltensbezogene Süchte gibt es jedoch keine verlässlichen statistischen Daten. Daher wird die Zahl der Kinder, die in einer suchtbelasteten Familie leben, auf insgesamt drei Millionen geschätzt, aber es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Jedes sechste Kind in Deutschland lebt demnach in einer Familie, in der Alkohol, andere Drogen oder eine verhaltensbezogene Suchterkrankung den Alltag prägen.
Wenn man bedenkt, dass Kinder aus suchtbelasteten Familien ein ca. sechsfach höheres Risiko tragen, selbst eine Suchterkrankung im Erwachsenenalter zu entwickeln, ist es auch im Hinblick auf Prävention unabdinglich, diese Personengruppe stärker in den Fokus zu nehmen. Unter anderem durch Schulungen und Sensibilisierung müssen wir ein stärkeres Bewusstsein dafür schaffen, dass bei Kindern und Eltern angesetzt werden muss und dass es sich bei Sucht um eine Erkrankung handelt, die durch gezielte Therapie behandelbar ist. Damit die vorhandenen Unterstützungsangebote jedoch überhaupt in Anspruch genommen werden, müssen wir zum einen die bürokratischen Hürden beim Zugang zu Hilfesystemen reduzieren und zum anderen das Krankheitsbild entstigmatisieren.
Auch Hamburger Einrichtungen, wie etwa die Sucht.Hamburg gGmbH sind an der Aktionswoche beteiligt: Am 13. Februar 2023 (10:00 – 12:00 Uhr) werden in Hamburg Kinderbücher zum Thema vorgestellt sowie Methoden zum kommunikativen Umgang mit Kindern aus suchtbelasteten Familien vermittelt. Am 14. Februar 2023 (10:00 – 12:00 Uhr) wird das Projekt „Connect – Hilfe für Kinder aus suchtbelasteten Familien – Kooperation und Vernetzung“ vorgestellt, das sich seit 20 Jahren aktiv für die Verbesserung der Lebenssituation der betroffenen Kinder einsetzt.
Die einwöchige internationale Kampagne, die von NACOA Deutschland – Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien e.V. organisiert wird, begann bereits letzte Woche Freitag mit einer Auftaktveranstaltung, zu der verschiedene Expert*innen eingeladen wurden, darunter auch der Bundesdrogenbeauftragte Burkhardt Blienert und ich. Nicht nur als Berichterstatterin für Drogen- und Suchtpolitik in meiner Fraktion, sondern auch als ehemalige Geschäftsführerin der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. liegt mir das Thema sehr am Herzen. Mir ist es wichtig, ein größeres Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Sucht eine Erkrankung ist, die behandelt werden muss. Kinder suchtkranker Eltern sind häufig schon früh gefordert, Verantwortung zu übernehmen und gleichen vielfach das aus, was Eltern nicht schaffen. Die Eltern in den betroffenen Familien brauchen daher Hilfe, ihre Kinder Unterstützung statt Stigmatisierung und Scham.
Daher freue ich mich sehr, dass die Aktionswoche unter dem Hashtag #Schlussmitstigma ein starkes Zeichen gegen die Stigmatisierung der Betroffenen setzt. Außerdem freue ich mich, dass ab April 2023 Projekte vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert werden, die zur Entstigmatisierung von Suchterkrankungen beitragen und dabei auch die Angehörigen miteinbeziehen.
Vergangenen Donnerstag hat der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert sein Jahresprogramm für dieses Jahr vorgestellt. Gemeinsam mit meiner drogenpolitischen Kollegin Kirsten Kappert-Gonther habe ich das Jahresprogramm in der Presse kommentiert. Besonders freue ich mich darüber, dass wir bei legalen Drogen einen klaren Fokus auf Prävention und Gesundheitsschutz legen. Werbung und Sponsoring für Alkohol, Tabak, Nikotin und Glücksspiel sollen deutlich eingeschränkt werden – so ist es auch im Koalitionsvertrag verabredet. Außerdem machen wir deutlich, dass wir schnell eine rechtliche Grundlage zum Drugchecking schaffen wollen.
Parallel dazu habe ich mich sehr über die Ergebnisse einer Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (dkfz) gefreut, die Burkard Blienert gemeinsam mit der Pressekonferenz veröffentlicht hat. Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums hat das Zentrum die Einstellungen zu verschiedenen Präventionsmaßnahmen in Deutschland untersucht. Die Zahlen sprechen für sich: 64 Prozent der Befragten unterstützen ein generelles Werbeverbot für Alkohol in Deutschland. Dieses Bild zieht sich durch alle Altersgruppen hindurch und ist ein starkes Votum für unseren Ampel-Kurs. Ich freue mich auf die Umsetzung.
Das vollständige Statement von Kirsten und mir findet Ihr hier.
Anlässlich des Aktionstags Glücksspielsucht 2022 am 28. September erklärt Linda Heitmann, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit sowie im Ausschuss für Umwelt und Verbraucher*innenschutz:
Es ist wichtig, mit dem Aktionstag für das große Suchtpotenzial von Glücksspiel zu sensibilisieren. Mit dem aktuellen Glücksspielstaatsvertrag haben wir ein Regelwerk, in das alle Bundesländer eingebunden sind. Seit Inkrafttreten im Juli 2021 hat sich einiges getan: Die Lizenzvergabe für Online-Spielstätten wird hoffentlich nachhaltig dem illegalen Glücksspielangebot entgegenwirken. Die außerdem eingeführte bundesweite Spieler*innen-Sperrdatei kann zudem zu effektiverem Spieler*innenschutz beitragen.
Trotz dieser Erfolge ist gerade beim Online-Glücksspiel noch viel zu tun, um Jugendschutz wirklich zu gewährleisten. Digital verbreitet sich Werbung für einzelne Angebote noch schneller und bleibt schlechter greifbar für die Länder, die diese Angebote kontrollieren sollen. Wir begrüßen daher den Vorschlag des Bundesdrogenbeauftragten, Glücksspielwerbung in Fernsehen und Internet auf Abend- und Nachtstunden zu begrenzen. Auch ein kompletter Verzicht auf diese Werbung wäre nicht verkehrt.
Kinder und Jugendliche lernen und leben heute ganz selbstverständlich in einer zunehmend digitalisierten Welt. Sie brauchen dazu klare Leitplanken und eine ausgeprägte Medienkompetenz. Dies gilt auch für den Bereich der Online-Spielekultur. Bei Gaming und eSports müssen wir daher auf Präventionsangebote setzen, wie dies auch der Fall bei Sportvereinen im analogen Leben ist.
Beim Verbraucher*innenschutz brauchen wir zudem noch passgenauere Beratungsangebote. Deutschlandweit sind laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) rund 200.000 Menschen pathologische Glückspieler*innen, sie sind zum Teil hoch verschuldet und vernachlässigen unter Umständen ihr Familienleben, den Job und das soziale Umfeld in ungesundem Maß. Die Dunkelziffer ist vermutlich noch höher. Hier müssen wir in der Beratungsstruktur Schnittstellen schaffen, damit Menschen psychosoziale und Schuldnerberatung aus einer Hand bekommen.
Im Bundestag habe ich gestern im Rahmen der Haushaltsdebatte 2023 zum Gesundheitsetat gesprochen. Mein Schwerpunkt lag dabei auf der Suchtprävention und der Versorgung von Long- bzw. Post-Covid-Erkrankter. In beiden Bereichen dürfen wir nicht sparen, sondern es gilt: Jeder Euro, der hier investiert wird, zahlt sich doppelt aus.
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Mit Angela Misslbeck vom Fachportal „Ärztnachrichtendienst“ habe ich kurz vor der Sommerpause Bilanz über meine bisherige Arbeit im Gesundheitsausschuss gezogen. Das Interview ist hier online zu finden, ich freue mich aber sehr, es auch hier auf der Website veröffentlichen zu dürfen:
Frau Heitmann, wie ist das erste halbe Jahr im Bundestag und vor allem im Gesundheitsausschuss für Sie gelaufen? Ich freue mich sehr, dass ich im Gesundheitsausschuss mitarbeiten kann, weil ich vorher schon im Bereich Drogen und Suchthilfe gearbeitet habe und es mir wichtig war, die Dinge, die ich da erlebt habe, in die Politik einzubringen. Gleichwohl war der Gesundheitsausschuss im ersten halben Jahr sehr gefordert durch die Pandemie und die Impfpflicht. Er ist der Ausschuss, der den Sitzungsrekord hält. Ich hoffe sehr darauf, dass es jetzt etwas ruhiger wird und wir auch andere Themen ausführlicher diskutieren können. Aber damit kein falscher Eindruck entsteht: die Arbeit macht mir insgesamt großen Spaß.
Was hat Sie denn am meisten überrascht – positiv wie negativ? Im Vergleich zu Ausschüssen im Hamburger Landesparlament sind die Abläufe im Gesundheitsausschuss und im Bundestag generell sehr formalisiert. Das hat mich vor allem im Ausschuss überrascht und gibt mir das Gefühl, dass es uns ein Stück Freiheit nimmt, in manche Themen so tief einzusteigen, wie es eigentlich nötig wäre. Da fehlt es meiner Meinung nach an Flexibilität. Aber andererseits weiß ich auch nicht, wie man die Fülle an Themen sonst bewältigen sollte. Es kann auch nicht der Weisheit letzter Schluss ein, dann permanent Sitzungen bis Mitternacht zu haben, wie es im Hamburger Landesparlament oft der Fall ist.
… und das wäre unter den gegenwärtigen Krisenbedingungen sicher oft der Fall. Das legt die Sitzungsdichte nahe. Auch überrascht hat mich, wie wenig man von den Themen der anderen Ausschussmitglieder noch mitkriegt. Ich habe einige Themen, an denen ich sehr intensiv arbeite. Dadurch kann ich mich selbst mit einigen Themen meiner Kolleg:innen, die auch in den Gesundheitsbereich fallen, gar nicht so tiefgründig beschäftigen, wie ich es gern würde. Dies gilt zum Beispiel für das Thema Sterbehilfe.
Wie macht sich denn Herr Lauterbach aus Ihrer Sicht als Gesundheitsminister? Herr Lauterbach hat ja bevor er Minister wurde in der Pandemie schon sehr oft eine laute Stimme erhoben und dadurch glaubhaft machen können, dass er als Arzt einfach viel Fachexpertise mitbringt. Man merkt auch jetzt, dass er jemand ist, der in den Themen gut drinsteckt. Gleichwohl würde ich mir manchmal ein bisschen weniger Fokussierung auf die Pandemie wünschen und mehr Fokus auf anderen gesundheitspolitischen Themen, die ebenfalls anstehen.
Da gibt es ja einige dringende Projekte. Die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung und die Cannabislegalisierung sind ihm schon auf die Agenda gesetzt. In der Tat sind das die Sachen, bei denen er jetzt gefordert ist. Auch zur Triage muss er in Kürze ein Gesetz vorlegen. Ich finde auch, dass er die Pflicht hat, das Organspendegesetz, das in der letzten Legislatur schon beschlossen wurde, jetzt umzusetzen. Da hakt es an vielen Ecken. Die Bundesländer möchten Teile davon nicht umsetzen, weil sie es zu teuer finden. Da muss man noch einmal gut verhandeln. Und dann gibt es noch einen Punkt, der meinen Fachbereich betrifft.
Und das ist welcher? Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir Sprachmittlung zu einer GKV-Leistung des Sozialgesetzbuches V machen wollen. Jetzt hat der Bundestag im Rahmen eines umfangreichen Antrages zur Ukrainehilfe beschlossen, dass dieses Vorhaben mit Dringlichkeit bearbeitet werden soll. Hier hoffe ich auch, dass aus dem Ministerium noch in diesem Jahr eine Vorlage kommt. Wir Berichterstatterinnen diskutieren unsere Vorstellungen zur Umsetzung bereits sehr intensiv.
Sie sind zuständig für gruppenspezifische Gesundheitsversorgung, Drogen und Suchtpolitik und Patient:innenrechte und zusätzlich im Umweltausschuss für den Fachbereich Verbraucherschutz. Gibt es da Überschneidungen? Gerade im Bereich der Patientenrechte gibt es oft Überschneidungen mit dem Verbraucherschutz. Die Patient:innenberatung spielt auch im Verbraucherschutz eine Rolle.
Die Patient:innenberatung soll in dieser Legislatur ja auch reformiert werden… Dazu wird auch in diesem Jahr noch ein Gesetzentwurf kommen. Die Eckpunkte werden gerade abgestimmt. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass das Ministerium sehr viele Aufträge für die Sommerpause hat. Ich bin gespannt, was danach dem Parlament vorgelegt wird.
Kann man denn vor der Sommerpause noch mit Gesetzentwürfen rechnen? Ich hoffe, dass das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz bis dahin vorliegt. Es wäre mein Anspruch, dass wir vor der Sommerpause noch klären, wie das Milliardendefizit der GKV bewältigt wird.
Was haben Sie selbst in diesem Jahr noch vor? Ich möchte daran mitwirken, dass wir im Bereich der Sprachmittlung noch in diesem Jahr zu einem Gesetz kommen. Im Bereich der Drogen- und Suchtpolitik will ich auch, dass eine gesetzliche Grundlage für Drugchecking in Deutschland geschaffen wird. Bei diesem Thema sind wir Berichterstatter uns einig, so dass ich denke, dass wir hier relativ schnell zu einem Ergebnis kommen und als neue Regierung zeigen können, dass wir in der Drogen- und Suchtpolitik einen Paradigmenwechsel einleiten. Für weitere Themen, an denen ich arbeite, möchte ich gern mehr Aufmerksamkeit schaffen.
Welche Themen sind das? Das sind beispielsweise seltene Erkrankungen oder Long Covid. Auch für Menschen mit ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom) haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, die Versorgungssituation zu verbessern. Das sind alles Dinge, die nicht von heute auf morgen gehen. Aber trotzdem ist es wichtig, dass man für diese Themen eine Aufmerksamkeit schafft und Druck macht, damit kontinuierlich daran gearbeitet wird, in Forschung und Versorgung zu Fortschritten zu kommen. Persönlich habe ich mir vorgenommen, dass ich im November wieder einen Halbmarathon laufen kann. Das habe ich im April gemacht, aber nach meiner Covid-Erkrankung im Mai muss ich jetzt erst wieder Kondition aufbauen.