Mee(h)r ist nicht drin im schwarz-roten Koalitionsvertrag

Mee(h)r ist nicht drin im schwarz-roten Koalitionsvertrag

Die Meere – auch unsere heimische Nord- und Ostsee – sind ein unbeschreiblicher Reichtum in Sachen Natur- und Artenvielfalt und unverzichtbare Verbündete gegen den Klimawandel sowie in Fragen der Klimaanpassung. Denn sie bieten nicht nur Lebensraum für zahlreiche Arten, sondern regulieren auch unseren Wärmehaushalt und bestimmen unser Wetter. Mit einem Flächenanteil von 71% der Erdoberfläche nehmen Meere den größten Teil der Wärme auf, die durch Sonnenstrahlung entsteht, und stellen einen gigantischen natürlichen Kohlenstoffspeicher dar.

Trotz ihrer unverzichtbaren Ökosystemleistungen finden der Schutz unserer Nord- und Ostsee sowie der küstennahen Ökosysteme kaum Erwähnung im 144-seitigen Koalitionsvertrag der angehenden schwarz-roten Regierung. Im Gegenteil: Da, wo sie erwähnt werden, sind in erster Linie Rückschritte in den Schutzbemühungen nachzulesen. Das heißt: Die Meeresoffensive, die die Koalition aus Grünen, SPD und FDP angestoßen haben, wird massiv ausgebremst oder gar rückgängig gemacht.

Der wohl belastendste Punkt für die Nord- und Ostsee in den nächsten Jahren: Es soll direkt nach Beginn der Legislaturperiode umgehend ein Gesetzespaket beschlossen werden, mit dem die Entnahme und äußerst energieaufwendige Verpressung von Kohlenstoffdioxid (Carbon Capture and Storage, CCS) in Gesteinen im Meer sowie an Land ermöglicht wird. Dabei ist wichtig zu wissen, dass die Verpressung an Land in Abstimmung mit den Bundesländern erfolgen muss. Die meisten davon haben schon jetzt angekündigt, diese Technik, die auch mit erheblichen Gefahren für das Trinkwasser verbunden ist, bei sich nicht zulassen zu wollen. Es bleibt also nur die Verpressung im Meer, die mit erheblichen Lärmemissionen sowie dem Verlegen von Leitungen durch sensible Naturräume wie das Wattenmeer unweigerlich verbunden sein wird.

Wenn man die CCS-Technik schon ermöglichen will, wäre es daher eigentlich dringend nötig, mindestens sensible Schutzgebiete im Meer auszuschließen und insgesamt die Menge des zu verpressenden Kohlenstoffdioxids möglichst gering zu halten. Doch auch dies deutet sich im Koalitionsvertrag leider nicht an: Nicht nur für die besonders schwer- bis gar nicht vermeidbaren Emissionen, wie etwa aus der Zement- und Stahlherstellung, sondern auch für andere Emissionen aus dem Industriesektor und Gaskraftwerken will Schwarz-Rot die CO2-Abscheidung ermöglichen. Damit wird ein Allheilmittel in Sachen Klimaschutz versprochen, bei dem Unternehmen nicht mehr dazu angehalten werden, Emissionen zu vermeiden, sondern sie in unbegrenzter Menge abscheiden und verpressen zu können. All das auf Kosten des Meeresschutzes! Die Energiewende und insbesondere der Ausbau der Erneuerbaren Energien, die wir massiv beschleunigen konnten, werden entscheidend ausgebremst und der fossilen Energieerzeugung Tür und Tor geöffnet.

Apropos fossile Energieerzeugung: wer im Koalitionsvertrag eine Absage an neue Öl- und Gasförderprojekte in der Nordsee sucht, wird leider ebenfalls bitter enttäuscht. So soll nicht nur die Gasspeicherumlage abgeschafft und verstärkt auf Gasimporte aus dem Ausland gesetzt werden, sondern auch die „Potenziale konventionelle[r] Gasförderung im Inland“ (S. 30) genutzt werden. Somit werden auch die umstrittenen Pläne zur Gasförderung vor Borkum nicht ausgeschlossen. Dabei sind die dort liegenden Gasvorkommen für die Energieversorgung nachgewiesenermaßen nicht notwendig. Eine Förderung am Rande des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer würde das sensible Ökosysteme schädigen oder gar irreversible zerstören.

„Der Schutz der Ostsee als vom Klimawandel besonders betroffenem [sic] Binnenmeer hat für uns Priorität“, heißt es auf Seite 38 im Koalitionsvertrag – die einzige Stelle, wo Meeresschutz überhaupt erwähnt wird. Gleichzeitig sollen unter dem Deckmantel der Planungsbeschleunigung wichtige Maßnahmen, die eben diesen Schutz sicherstellen, ausgehöhlt und teilweise ausgesetzt werden: Konkret soll die Umweltverträglichkeitsprüfung durch die Anhebung von Schwellenwerten und die Aussetzung der Vorprüfung für Änderungsgenehmigungen abgeschwächt werden. Dadurch könnten Projekte wie der Bau von CCS/CCU-Anlagen und -Leitungen, die laut Koalitionsvertrag im überragenden öffentlichen Interesse liegen sollen, ohne Rücksicht auf ihre Umweltauswirkungen durchgeführt werden.

Weitere Minus-Punkte im Koa-Vertrag: Mit einer geplanten Verschlankung des Umwelt-Informationsgesetzes wird die Beteiligung und Informationsgewinnung der Zivilgesellschaft erschwert, was gleichzeitig mit einer Aushöhlung der Demokratie einhergeht. Außerdem soll das Umweltrechtsbehelfsgesetz auf eine unmittelbare Betroffenheit bei Klage und Beteiligungsrechten fokussiert werden, wodurch es Umweltverbänden erschwert wird, stellvertretend für die Natur und die Tiere Recht einzuklagen. Ob dies überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist, darf bezweifelt werden. Darüber hinaus sollen die Nationale Biodiversitätsstrategie sowie die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law, NRL) in der Umsetzung abgeschwächt werden. Gerade das NRL stellt dabei einen harterkämpften Meilenstein der europäischen Umweltpolitik dar, welcher die EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, nach und nach geschädigte Ökosysteme auf Land und im Meer zu renaturieren, um ihre Ökosystemleistungen wieder zu herstellen.

Darüber hinaus bleibt die grundberührende Fischerei weiterhin voraussichtlich erlaubt. Sie belastet empfindliche Ökosysteme auch in Schutzgebieten, wie etwa dem Nationalpark Wattenmeer. Im Koalitionsvertrag heißt es lediglich: „Wir stehen zur Fischerei und stärken deren Entwicklung entsprechend den Empfehlungen der Zukunftskommission Fischerei (ZKF) und der Leitbildkommission Ostseefischerei“ (S. 38).

Trotz all dieser massiven Angriffe auf den Umwelt-, Natur- und Meeresschutz ist es versöhnlich, dass auch die GroKo daran nicht vorbeikommt, zentrale Meilensteine der Vorgängerregierung fortzusetzen. Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) der letzten Regierung unter Federführung des grünen Umweltministeriums bleibt also die bislang umfangreichste Förderung der Geschichte für Klima- und Naturschutz sowie Renaturierungsprojekte bestehen. Bis 2028 stehen im Rahmen des ANK 3,5 Milliarden Euro u.a. für Maßnahmen zur Wiederherstellung sowie für klimafreundliche und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen zur Verfügung. Über 9000 Projekte wurden bereits bewilligt und werden somit aus dem Programm (mit)finanziert. Gefördert werden auch Projekte zur Erhaltung und zum Wiederaufbau von Salzwiesen, Seegraswiesen, Kelpwäldern sowie zu deren Vorlauf- und Begleitforschung zur Stärkung ihres Beitrags zum natürlichen Klimaschutz.

Ebenso erfreulich ist, dass das Sofortprogramm zur Bergung von Munitionsaltlasten fortgeführt und ein Bundeskompetenzzentrum dafür in Ostdeutschland errichtet werden soll, in dem wissenschaftliche Einrichtungen, Privatwirtschaft und operative Behörden zusammenarbeiten. Erstmals ging die Regierung aus Grünen, SPD und FDP es aktiv an, den giftigen Munitionsschrott aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg aus dem Meer zu entfernen. Dafür wurden im parteiübergreifenden Konsens 100 Millionen Euro durch den Bundestag zur Verfügung gestellt, um erste Probebergungen zu machen und die notwendige Technik zur Bergung zu entwickeln. Es liegt nun in der Verantwortung der schwarz-roten Regierung, eine langfristige Finanzierung in Zusammenarbeit mit den Ländern sicherzustellen. Im Koalitionsvertrag bleibt der Finanzierungsaspekt allerdings offen.

Ebenso fortgesetzt wird erfreulicherweise die Meeresnaturschutz- und Fischereikomponente aus dem Wind-See-Gesetz. Noch an dem Tag, an dem Bundeskanzler Scholz Finanzminister Lindner entließ, sicherte der Haushaltsausschuss des Bundestages 400 Millionen Euro für den Meeresnaturschutz in Form eines Meeresnaturschutzfonds in der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Die Mittel stammen aus Einnahmen aus den Versteigerungen von Windkraftflächen auf See und können als DBU-Stiftungskapital dauerhaft schätzungsweise eine jährliche Ausschüttung von ca. 10 Millionen Euro generieren, die für Meeresnaturschutzprojekte eingesetzt werden. Der Koalitionsvertrag lässt jedoch leider offen, ob auch weitere Einnahmen aus den Ausschreibungen von Windkraftflächen für den Meeresnaturschutz eingesetzt werden und was genau die neue Regierung unter nachhaltiger Fischerei verstehen wird.

Alles in allem ist der schwarz-rote Koalitionsvertrag leider insbesondere auch im Küsten- und Meeresschutz von Rückschritt sowie Ambitionslosigkeit gekennzeichnet und verkennt nicht nur die zentralen Herausforderungen der Klima- und Artenkrise, sondern macht auch große Fortschritte der letzten Regierung gerade im Hinblick auf den Klimaschutz und die Energiewende rückgängig. Dabei trifft der Klimawandel Europa besonders stark. Denn kein Kontinent erwärmt sich schneller als Europa, wie gerade der jüngst veröffentlichte Klimabericht 2024 des EU-Klimawandeldienstes Copernicus aufzeigt. Daher wird die nächste Regierung sich auch daran messen lassen müssen, inwieweit sie es schafft, Deutschland an die Klimafolgen anzupassen.

Bundestag sichert 400 Millionen Euro für den Meeresnaturschutz

Bundestag sichert 400 Millionen Euro für den Meeresnaturschutz

Es ist schon ein paar Wochen her, aber jetzt ist es unter Dach und Fach: Der DBU Meeresnaturschutzfonds kommt!

Schon am 6. November 2024 – dem Tag, an dem der Kanzler abends Finanzminister Lindner entließ – hat der Haushaltsauschuss des Bundestages 400 Millionen Euro für den Meeresnaturschutz gesichert. Der Beschluss bezog sich noch auf den Bundeshaushalt des laufenden Jahres 2024 und entfaltet deshalb seine Wirkung. Mit dem jetzigen Abschluss der Vereinbarung können die Gelder nun vollständig an die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) zweckgebunden übertragen werden, die damit einen separaten Fonds für Meeresnaturschutzprojekte gegründet hat. Darüber freue ich mich sehr.

Möglich geworden ist dies durch einen Kompromiss, der den Ausbau von Offshore-Windenergie und Meeresnaturschutz aneinanderkoppelt:

Der Ausbau von Offshore-Windenergie ist nicht nur essenziell für die Versorgungssicherheit in Deutschland, sondern auch ein zentraler Baustein der Energiewende. Derzeit liefert die Offshore-Windenergie ca. 8 Gigawatt unseres Stroms, bis 2030 soll die Produktionsmenge auf 30 Gigawatt und bis zum Jahr 2045 auf 70 Gigawatt erhöht werden. Das ist ein erheblicher Ausbau, der viel Meeresfläche der deutschen Nord- und Ostsee beanspruchen wird.

Dadurch verstärkt sich die Belastung für unsere Küstengewässer, die ohnehin einem großen Nutzungsdruck u.a. durch Tourismus, Schifffahrt, Fischerei, Wassersport und Leitungsverlegungen ausgesetzt sind. Aber auch Klimawandel, Eintragungen von Düngemitteln aus der Landwirtschaft, Plastikmüll und Altmunition am Meeresboden machen dem Ökosystem in den Meeren zu schaffen.  

Erfreulicherweise sind wir bei der Munitionsbergung bereits einen großen Schritt vorausgegangen: Mit 100 Millionen Euro, die der Bundestag im parteiübergreifenden Konsens zur Verfügung gestellt hat, können wir Probebergungen durchführen und die notwendige Bergungstechnik entwickeln, um diesen giftigen Müll schrittweise aus unseren Meeren zu bergen und umweltgerecht zu entsorgen. Meinen Bericht über meine Besichtigung einer Probergung findet sich hier.

Doch was hat das nun mit dem neuen Meeresnaturschutzfonds zu tun? Um den Ausbau von Offshore-Windenergie naturverträglich auszugestalten und ihre Auswirkungen auf die Meeresumwelt sowie die Arten und ihrer Lebensräume abzufedern, fließt ein Teil der Einnahmen aus den Versteigerungen der Windkraftflächen auf See als zweckgebundene Meeresnaturschutzkomponente (MNK) in den Bundeshalthalt. Und genau daraus stammen auch die Einnahmen– nämlich 400 Millionen Euro – die nun als Stiftungskapital auf die DBU übertragen werden. Aus diesem Kapital kann schätzungsweise dauerhaft eine jährliche Ausschüttung von ca. 10 Millionen Euro generiert werden, um wichtige Projekte zum Meeresnaturschutz zu fördern. Insbesondere Naturschutzverbände können sich auf dieses Geld künftig mit konkreten Ideen zum Meeresnaturschutz in der Nord- und Ostsee bewerben. Weitere Informationen zum Bewerbungsverfahren finden Sie hier auf der Webseite der DBU.

Damit bildet der Meeresnaturschutz künftig einen der größten Förderbereiche der DBU, im Rahmen dessen Projekte in drei Themenbereichen gefördert werden können:

  1. Schutz und Wiederherstellung geschützter und gefährdeter mariner Arten und Lebensräume sowie Verbesserungen des Zustandes der Meeresumwelt: Dazu gehören beispielweise Maßnahmen zur Stützung, Wiederherstellung oder Wiederansiedlung bedrohter Arten, wie etwa der Stör, der Lachs, der Aal oder auch Haie und Rochen, und Lebensräume wie etwa Riffe, Großalgen und Seegraswiesen.
  2. Naturverträgliche Ausgestaltung des Ausbaus der Offshore-Windenergie: Dieser Bereich umfasst beispielsweise die Erarbeitung von Maßnahmen zur Minderung und Vermeidung der Auswirkungen des weiteren Ausbaus sowie zur Reduzierung der kumulativen Wirkungen anderer Nutzungen. Dadurch sollen belastungsfreie Bereiche geschaffen werden, in denen sich bedrohte Arten zurückziehen, ausbreiten und wiederansiedeln können.
  3. Monitoring und Begleitforschung sowie Partizipation und Kommunikation: Um die Auswirkungen des Ausbaus frühzeitig zu erkennen und effektiv zu begegnen, bedarf es dem Ausbau eines KI-gestützten, zukunftsfähigen Monitoringsystems sowie kontinuierliche Begleitforschung, welche nun gezielt gefördert werden sollen. Außerdem soll das Meeresbewusstsein durch verschiedene Angebote für die Öffentlichkeit gestärkt werden.

Alles in allem sind die 400 Millionen somit sehr gut investiertes Geld, mit dem wir unsere Meere bei der Bewältigung ihrer enormen Belastungen und Herausforderungen gut unterstützen können, um auch letztlich ihre Mehrfachnutzen für Mensch, Tier und Klima zu erhalten.

Meine Rede zum Umweltbericht

Meine Rede zum Umweltbericht

Im Bundestag haben wir gestern den Umweltbericht der Bundesregierung für das Jahr 2023 debattiert. Der Bericht zeigt aus meiner Sicht klar auf, dass unsere Ökosysteme durch das hohe Tempo der Klimaerwärmung in Gefahr sind. Es gibt aber Lösungen: Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz stärken wir Renaturierung, Klimaanpassung und unsere Ökosysteme. Meine ganze Rede seht ihr hier im Video: