Plädoyer für eine gesundheitsorientierte Reform des Straf- und Maßregelvollzugs. Gemeinsames Autor*innen-Papier mit den Grünen Gesundheits- und Rechtspolitiker*innen Canan Bayram MdB, Dr. Kirsten Kappert-Gonther MdB, Toni Schuberl MdL und Kerstin Celina MdL zur Debatte um die Versorgung von psychisch- und suchtkranken Straffälligen
Der Bundestag hat gerade unter dem Titel der Reform des Sanktionenrechts über die Neufassung verschiedener Paragrafen im Strafgesetzbuch beraten. Grundlage hierfür war die vorangegangene Arbeit einer parteiübergreifenden Bund-Länder Gruppe. In der Zusammenarbeit wurden rechtspolitisch gute Ergebnisse erzielt, um die akuten Missstände anzugehen und einen Systemcrash abzuwenden.
Der Gesetzentwurf ist daher aus gesundheits- und rechtspolitischer Perspektive ein guter Anfang. Er kann jedoch nur die Ausgangslage bilden für die weitere gesellschaftlich offen geführte Debatte über die Reformierung des Maßregelvollzugs nach Paragraf 64 Strafgesetzbuch (StGB). Mittel- und langfristig muss ein Gesamtkonzept erarbeitet werden, das auch die Perspektive des Justizvollzug sowie der ambulanten, gemeindespsychiatrischen und stationären Versorgung in Freiheit mitdenkt.
Paragraf 64 StGB regelt, inwiefern suchtkranke Straftäter*innen, bei denen die Tat auf den Konsum von Alkohol oder andere Betäubungsmitteln zurückzuführen ist und die eine Bereitschaft zur Behandlung haben, im Zuge ihrer Verurteilung in den Maßregelvollzug anstatt in den regulären Vollzug kommen. Die aktuell diskutierte Reform ist darauf angelegt, den Maßregelvollzug – eine klinische Therapieeinrichtung für psychisch- und suchtkranke Menschen – dauerhaft zu entlasten. Wir gehen daher davon aus, dass künftig dadurch deutlich mehr suchtkranke Straftäter*innen in regulären Haftanstalten untergebracht werden. Das bleibt solange unbefriedigend, wie die Versorgung von psychisch- und suchtkranken Häftlingen in Justizvollzugsanstalten deutlich schlechter ist als im klinischen Setting des Maßregelvollzugs. Es ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, – auch vor dem Interessenshintergrund einer erfolgreichen Rehabilitation und dem Menschenrecht auf gute Gesundheitsversorgung, – straffällige Menschen vernünftig medizinisch und therapeutisch zu behandeln, wenn sie den Willen dazu zeigen.
Aus unserer Sicht kann das nur gelingen, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen, um hier die Voraussetzungen und Bedingungen deutlich zu verbessern. Dafür legen wir fünf konkrete Vorschläge vor:
Angleichung der Bedingungen zur Versorgung therapiewilliger Sucht- und psychisch Kranker in Haft
Das Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht, das auch für Personen in Gefangenschaft gelten muss: Im Maßregelvollzug nach § 64 StGB sowie für Gefangene im regulären Vollzug muss die Nutzung aller zur Verfügung stehenden (psycho-)therapeutischen und medikamentösen Behandlungsoptionen ermöglicht werden, d.h. Motivation, Entgiftung, Entwöhnung und Rehabilitation, einschließlich einer Opioid gestützten Substitutionsbehandlung (mit allen Substituten) sowie Arbeit/Beschäftigung, soziale Kontakte und Beziehung. Menschenrechte sind universell, unveräußerlich und unteilbar. Deswegen müssen auch im regulären Vollzug alle suchtbezogenen Therapie- und Hilfeangebote, die Menschen im Maßregelvollzug bekommen können, zugänglich sein. Hier muss im Grundsatz gelten: Für jeden und jede inhaftierte Person muss die bestmögliche Therapieoption ermöglicht werden. Sowohl für Männer als auch für Frauen müssen adäquate Angebote geschaffen werden. Dafür müssen wir an bundesweit einheitlichen Standards arbeiten. Gute Behandlungsmöglichkeiten in der Haft sind bereits der Grundstein für eine gelingende Rehabilitation.
Sprachmittlung
Viele ärztliche – und psychotherapeutische Gespräche in Haft gestalten sich auch deshalb schwierig, weil es Sprachbarrieren gibt. Gerade zum Haftantritt ist es aus unserer Sicht unabdingbar zu klären, welche psychischen und/oder Suchterkrankungen möglicherweise vorliegen und inwiefern die inhaftierte Person therapiewillig ist. Wir fordern daher einen Anspruch auf Sprachmittlung für all jene, bei denen es unüberwindbare Sprachbarrieren schon im Gerichtsverfahren und anschließend im Erstgespräch bei Haftantritt gibt, sowie eine diskriminierungskritische Versorgung. Der Anspruch auf Sprachmittlung muss ebenfalls für alle medizinischen und therapeutischen Hilfen während der Haft und Rehabilitation gelten.
Einheitliche Erhebung
Welche Sucht- oder psychischen Erkrankungen bei Inhaftierten in Deutschland vorliegen, ist nur schwer zu analysieren, da die Datenerhebungen derzeit in den einzelnen Bundesländern nicht nach einheitlichen Kriterien und nicht zum selben Zeitpunkt erfasst werden. Es ist uns ein Anliegen, dass Feststellung und statistische Erfassung der Erkrankungen überall bei Haftantritt nach denselben Kriterien erhoben werden und diese in die nationale Gesundheitsstatistik künftig einfließen. Nur so ist es auch möglich, systematisch an Verbesserungen zu arbeiten.
Neue Wege in der Personalgewinnung
So sehr wir bessere Behandlungsbedingungen für suchtkranke und psychisch kranke Menschen in Haft sowie im Maßregelvollzug für erforderlich halten, so klar sehen wir auch in Gesprächen mit Praktiker*innen vor Ort, dass die Personalgewinnung ein massives Problem darstellt. Gerade Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen sind dringend gesucht. Das Justizwesen und auch der Maßregelvollzug werden von diesen Berufsgruppen bislang nicht als attraktiver Arbeitsort wahrgenommen und auch die Vergütung ist noch nicht gut genug. Wir empfehlen daher, dass die Bundesländer die Arbeitsbedingungen inklusive Bezahlung gerade für Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen besser ausgestalten und zudem innovative Wege der Personalgewinnung gehen: In einigen Bundesländern, so etwa in Hamburg, ist der Dienst in Haft für angehende Ärzt*innen oder Sozialarbeiter*innen eine wahlobligatorische Station in der Ausbildung. So lernen sie den Arbeitsort kennen und entscheiden sich später ggf. eher dafür, hier regelhaft tätig zu werden.
Kommission einsetzen – Reform in Bezug auf ihre Zielsetzung, der Stärkung von Prävention und Resozialisierung, von Beginn an evaluieren und neue Strukturen entwickeln
Die aktuelle Reform ist ein Schritt in die richtige Richtung. In der Folge braucht es aber eine umfassende Reform. Dafür soll eine Kommission, ein interdisziplinäres und interministerielles begleitendes Gremium aus Expert*innen und Praktiker*innen eingerichtet werden. Diese soll mit entsprechenden Haushaltsmitteln ausgestattet werden.
Die aktuelle Reform soll in Bezug auf ihre Zielsetzung – der Stärkung von Prävention und Resozialisierung – evaluiert werden. Dies setzt eine Zusammenarbeit an der Schnittstelle von Rechts- und Gesundheitspolitik im Bund und in den Ländern voraus, um die systemischen, medizinischen und rechtlichen Fragen in den Blick zu nehmen und alle Beteiligten an einen Tisch zu holen.
Es braucht die Expertise aller Beteiligten, wie der Fachgesellschaften, der Justiz- und Gesundheitsressorts der Länder und des Bundes, der Betroffenen-Vertreter*innen, des Suchthilfesystems und der psychiatrischen und psychosozialen Einrichtungen, diese komplexe Debatte zur Verbesserung und Modernisierung der Versorgung von Menschen mit psychischen und Suchterkrankungen in Haft zu führen und das Versorgungssystem in gesamtgesellschaftlichem Interesse zu reformieren.
Der Spiegel hat das Thema aufgegriffen. Hier findet ihr den Beitrag, und noch einmal etwas ausführlicher hinter der Paywall hier.
Endlich ist es uns gelungen, einen zentralen drogenpolitischen Punkt aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen: Drugchecking ist nach dem Betäubungsmittelgesetz nun möglich!
Kurz vor der Sommerpause ist dies ein wichtiger gesundheitspolitischer und für mich persönlich großer Erfolg für eine progressive neue Drogenpolitik. Seit Jahren setze ich mich für eine flächendeckende Einführung von Drugchecking-Angeboten ein. Denn wir sehen leider immer wieder, dass Menschen aufgrund von unkalkulierbaren Inhaltsstoffen, speziell in synthetischen Drogen, durch ihren Konsum versterben oder mit starken Schädigungen und Nebenwirkungen kämpfen.
Partydrogen wie MDMA, zum Teil Kokain und Speed sind gerade auch für junge Leute reizvoll und sehr leicht verfügbar. Leider werden die Risiken meist unterschätzt. Denn Verunreinigungen oder ein enorm hoher Wirkstoffgehalt sind lebensgefährlich und lassen sich nicht augenscheinlich erkennen. Auf dem illegalen Markt gibt es weder Gesundheits- noch Verbraucher*innen-Schutz.
Deswegen ist es richtig, dass wir im Bund jetzt endlich die gesetzliche Grundlage geschaffen haben, um Drugchecking zu ermöglichen. So können sich Konsumierende darüber informieren, was zum Beispiel in ihrer Ecstasy-Pille steckt. Ihnen werden Angebote zur Konsumreflexion und Beratung zur Schadensminderung gemacht. Untersuchungen zeigen, dass dies User*innen immer wieder auch vom Konsum abhält oder zu weniger Konsum führt. Außerdem ist es durch die Substanzanalysen der eingereichten Proben möglich, Konsumtrends und Gefahren immerhin ansatzweise zu erkennen und früher vor lebensgefährlichen Stoffen, die aktuell irgendwo im Umlauf sind, zu warnen.
Was im Gesetz steht
Wir haben nun eine bundesweit rechtssichere Ermächtigung der Länder für Drugchecking-Modelle geschaffen. Dazu ändern wir das Betäubungsmittelgesetz und ergänzen einen neuen Paragraphen 10b BtMG (siehe Bild). Die Landesregierungen sind nun dazu veranlasst, Vorgaben für die Erteilung einer Erlaubnis für Drugchecking zu erlassen. Denn vielerorts stehen Träger bereits in den Startlöchern, um Drogenchecks mit Beratungsangeboten ins Leben zu rufen. Teile des bisherigen Paragraphen 10a BtMG werden gestrichen.
Wir erlauben Drugchecking in Drogenkonsumräumen, was bislang ausgeschlossen war. Hierdurch passen wir das Gesetz an die bereits gelebte Safer-use-Praxis in Konsumräumen an und schaffen Klarheit zur Stärkung der Handlungskompetenz der Fachkräfte in den Suchhilfeeinrichtungen. Das Fachpersonal darf den Konsumierenden dort künftig individuell Rückmeldung zu den eingereichten Proben geben.
Wichtig ist mir auch die Einführung des neuen Paragraphen 31a. Hier wird festgeschrieben, dass im direkten Umkreis von Drugchecking-Projekten keine Strafverfolgung auf Grund von Drogenbesitz stattfinden darf.
Die Ziele der Einführung von Drugchecking – eine verbesserte gesundheitliche Aufklärung und Schutz – werden in den Ländern wissenschaftlich begleitet und die Ergebnisse dieser Evaluierungen im Bund zusammengeführt. Auch dies ist ein wichtiger Beitrag zu einer evidenzbasierten Drogenpolitik, für die ich mich stark mache.
Was nun wichtig ist
Die Landesregierungen müssen nun ins Handeln kommen! Gerade der Einfluss synthetischer Drogen, wie Crystal Meth und andere Amphetamine, auf das Konsumverhalten in den Grenzregionen in Deutschland ist ein Auftrag an die jeweiligen Landesgesundheitsbehörden, Drugchecking einzuführen. Denn es gilt: Erst wenn es bundesweit genug Drugchecking-Angebote gibt, werden wir strukturell eine Verbesserung des Gesundheitsschutzes spürbar machen können.
Zur Beteiligung der Länder habe ich mich auch in der parlamentarischen Debatte eingebracht und meinen Kollegen Dirk Heidenblut befragt.
Der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik akzept e.V. hat zur Verabschiedung des Gesetzes eine Pressemitteilung veröffentlicht: PM
Umsetzung der Koalitionsvereinbarung zum Thema Drug-Checking muss jetzt erfolgen!
Gemeinsam erklären Linda Heitmann, Berichterstatterin für Drogen- und Suchtpolitik der Grünen Bundestagsfraktion und Dirk Heidenblut, Berichterstatter für Drogen- und Suchtpolitik der SPD-Bundestagsfraktion:
Es gibt keinen Beipackzettel und keine Inhaltsangaben. Wer Drogen konsumiert, weiß in der Regel überhaupt nicht, was er oder sie genau zu sich nimmt. Verunreinigungen sowie unterschiedlichste Reinheitsgrade von Substanzen sind zudem auf dem Schwarzmarkt Alltag. Eben deshalb braucht es Drug-Checking-Angebote!
Sogenannte Drogenuntersuchungseinrichtungen sollen die Drogen von Konsumentinnen und Konsumenten auf Reinheit testen können und entsprechend Empfehlungen zur Dosierung und zu erwartbaren Gesundheitsgefahren geben. Überdosierungen, verunreinigte Wirkstoffe auf dem Schwarzmarkt und Vergiftungen können so erfahrungsgemäß stark reduziert werden. Auch deshalb hat sich die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, Modelle zum Drug-Checking und Maßnahmen der Schadensminderung zu ermöglichen und auszubauen. Gerade auch im Zuge der geplanten Legalisierung von Cannabis sehen wir akuten Handlungsbedarf, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.
Ihre Vorstellungen zur Ausgestaltung des Gesetzes haben die Berichterstatter*innen dem Ministerium schon länger verdeutlicht. Sie sind in der Ampel nicht umstritten. Die Berichterstatter*innen fordern das Gesundheitsministerium deshalb auf, die entsprechende Änderung des Betäubungsmittelgesetzes im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Arzneimittellieferengpassgesetz mit zu regeln, das noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll. Entsprechende Prüfbitten wurden dem Gesundheitsministerium durch die Abgeordneten bereits vorgelegt.
Linda Heitmann MdB: „Als Grüne und als Ampel-Berichterstatter*innen stehen wir voll und ganz hinter der Vereinbarung im Koalitionsvertrag, Drug-Checking-Projekte in Deutschland in dieser Legislaturperiode auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen und damit die Substanzanalyse in verschiedenen Settings zu ermöglichen: zum Beispiel in Partysettings, aber auch in Drogenkonsumräumen. Und zwar so zügig wie möglich. Denn es braucht endlich ein sichtbares Signal, dass diese Regierung eine neue progressive Drogenpolitik ernst nimmt und die Weichen dafür stellt! Wichtig ist dabei natürlich, dass solch ein Gesetz sicherstellt, dass Menschen, die das Drug-Checking durchführen sowie auch jene, die es nutzen, dabei nicht von Strafverfolgung bedroht sind. Drug-Checking ist aus unserer Sicht ein wichtiger Baustein, um den Gesundheitsschutz von Konsument*innen zu erhöhen und gleichzeitig auch eine bessere Möglichkeit zur Aufklärung auch über Gefahren und Risiken von Konsum zu schaffen. Gleichzeitig wäre es ein wichtiges Signal an all die Helfenden in der Suchtberatung“.
Dirk Heidenblut MdB: „Das Drug-Checking hat sich als Maßnahme der Schadensminderung und Gesundheitsförderung bereits im Ausland – seit Jahren – bewährt. Es ist längst überfällig, dass das Drug-Checking flächendeckend auch in Deutschland eingeführt und verfügbar gemacht wird. Denn eine Substanzanalyse kann nicht nur Leben retten, sondern auch Betroffene über ihre Konsumrisiken und ihr Konsumverhalten aufklären. Konsumierende werden unterstützt anstatt vernachlässigt.Sie werden geschützt vor gesundheitlichen Risiken. Es ist also Zeit, das Koalitionsversprechen einzulösen und hier tatsächlich jetzt tätig zu werden“.
Die WELT Online hat unsere PM aufgegriffen. Hier geht’s zum Artikel.
Suchtpolitik und Suchthilfe müssen Menschen im Alltag erreichen, statt Missbrauch zu tabuisieren
Anlässlich des heute veröffentlichten Jahrbuchs Sucht 2023 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) meine Pressemitteilung:
Das Jahrbuch Sucht ist mit seinen aktuellen Zahlen zur Verbreitung und der Abhängigkeit von Alkohol, Tabak, Glücksspiel und illegalen Drogen in Deutschland jedes Jahr eine wichtige Quelle für uns politische Entscheidungsträger*innen. Es zeigt klar und deutlich, wo wir handeln müssen. Das Suchthilfesystem braucht unsere klare Unterstützung und Stärkung, um jenen, die suchtkrank sind, gut zu helfen.
Besonders Alkohol und Sportwetten machen die meisten Menschen in Deutschland demnach aktuell abhängig und krank. Rund 16 Jahre weniger Lebenszeit bei Frauen und 10 Jahre bei Männern wegen Alkoholmissbrauchs sind erschreckend und zeigen die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von starkem Alkoholkonsum. Dem wollen wir durch Aufklärung über eine gesündere Lebensweise und Prävention entgegen wirken. Gleichzeitig wollen wir für einen stärkeren Jugend- und Gesundheitsschutz Alkoholwerbung reduzieren, was von einer Mehrheit der Deutschen in aktuellen Umfragen unterstützt wird.
Auch Sportwetten boomen. Das mit dem neuen Glückspielstaatsvertrag 2021 eingeführte Spielersperrsystem ist eine wichtige Errungenschaft für den Spielerschutz. Der überwiegende Teil der darüber gesperrten Suchtkranken ist über Selbstsperren vom Glücksspiel ausgeschlossen. Trotzdem machen auch legale Sportwetten weiterhin zahlreiche Menschen abhängig. Auch dem können wir durch strengere Werberegeln habhaft werden, damit etwa Kinder nicht beim Stadionbesuch der Werbung für Sportwetten ausgesetzt sind. Das ist ebenfalls laut Umfragen von einer großen Mehrheit der Deutschen gewollt. Es liegt hier an den Ländern, den Glücksspielstaatsvertrag entsprechend zu novellieren.
Anlässlich der heutigen Diskussionsveranstaltung zu Werbung für Alkohol, Tabak und Glücksspiel mit dem Bundesdrogenbeauftragtem erklärt Linda Heitmann, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit der grünen Bundestagsfraktion:
Werbung für Glückspiel ist gesellschaftlich nicht mehr mehrheitlich gewünscht. Sehr viele Menschen sind stattdessen genervt, beim Fußballspiel ständig auf Sportwetten-Anbieter blicken zu müssen. Diese Haltungen zeigen sich anhand der Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage, die heute von Burkhard Blienert, Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung, veröffentlicht wurden.
Mich überrascht dies nicht, wenn ich mir die gesellschaftlichen Folgen von Glücksspielsucht in Deutschland ansehe: Mindestens 200.000 Menschen sind pathologische Glückspieler*innen. Die Dunkelziffer ist vermutlich noch höher. Das Suchtverhalten führt häufig dazu, dass sich Betroffene hoch verschulden sowie ihr Familienleben, den Job und das soziale Umfeld in ungesundem Maß vernachlässigen. Gerade im Glücksspielbereich rutschen zahlreiche Suchtkranke zudem in kriminelle Handlungsweisen hinein, um sich immer wieder Geld zu beschaffen.
Daher sehe ich es geboten, hier den Glückspielstaatsvertrag noch einmal grundlegend anzupacken und Werbung für Glückspiel – auch online und für Sportwetten – weitreichend zu begrenzen oder vollständig zu untersagen. Auch das breit angelegte „Bündnis gegen Sportwettenwerbung“, in dem ich Mitglied bin und Burkhard Blienert die Schirmherrschaft übernommen hat, fordert das schon länger. Die Länder sind hier am Zug, den Glücksspielstaatsvertrag entsprechend zu novellieren!