Ganz weit im Hamburger Westen: mein umweltpolitischer Besuch auf Neuwerk
Vielen ist es wenig bewusst: Hamburgs Stadtgrenzen ziehen sich mitten durchs Wattenmeer – ein sensibles Ökosystem an der deutschen Nordseeküste. Denn die Inseln Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn gehören zur Hansestadt und beherbergen ca. 20 fest hier lebende Hamburger*innen.
Für mich als umweltpolitische Sprecherin der grünen Fraktion war allein das Anlass genug, die Insel jetzt in der sitzungsfreien Sommerzeit einmal zu besuchen und mich über das sensible Ökosystem hier zu informieren. Aktuelle politische Fragestellungen wie die stetige Androhung der Verklappung von Elbschlick vor Scharhörn und auch der Ausbau der Offshore-Windenergie beschäftigen mich obendrein.
Herzlichen Dank deshalb an Isabelle Maus und Dorothea Seeger vom BUND Bundesverband sowie Marine Perrin vom BUND Niedersachsen, dass sie mich begleitet und mir vieles zu ihren Arbeitsgebieten im Meeres- und Wattenmeerschutz erläutert haben. Auf Neuwerk selbst begrüßte uns zudem Carolin Rothfuß von der Naturschutzstiftung Jordsand, die seit mittlerweile 9 Jahren ganzjährig auf der Insel lebt und sich dem Naturschutz hier verschrieben hat.
Direkt anschaulich erläutern konnte sie uns, dass es in Neuwerk im Zuge von Klimawandel und Verschlickung immer komplizierter wird, Neuwerk überhaupt zu erreichen: bei Extremwettern fällt die Fähre mittlerweile ziemlich häufig aus. Und gerade am Vortag mussten Wattwagen wieder umkehren, weil die Pferde im Schlick stecken geblieben waren. „Der Trecker ist grad noch durchgekommen. Der darf zwar eigentlich keine Gäste mitnehmen, hat es dann aber trotzdem mal gemacht“, erläuterte Carolin. Doch passenderweise trafen wir auf dem Schiff auch direkt eine Frau, die erzählte, sie hätte ungeplant eine Nacht länger bleiben müssen. Und Dietmar und Rita vom grünen Kreisverband Eimsbüttel, die mir am Anleger begegneten, zweifelten auch, ob an ihrem darauffolgenden Abreisetag wohl wie geplant ein Schiff gehen würde.
So konnte ich eine Folge der Elb-Schlickverklappung direkt erleben: denn schon jetzt wird viel davon in die Nordsee am Rande der Fahrrinne verbracht und schwemmt von dort in verschiedene Richtungen. Auf diese Weise kommt auch die immer stärkere Verschlickung vor Neuwerk zustande.
Doch das Abkippen von ausgebaggertem Elbschlick hat auch sichtbare Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Viele Tierarten, die am Grund des Meeres leben, werden dadurch verdrängt und bedroht. So beispielsweise der Sandaal, der für sehr viele Tiere in der Nordsee eine wichtige Nahrungsgrundlage darstellt. Der Rückgang von verschiedenen Fischarten und Schalentieren hat dafür gesorgt, dass laut Carolin Rothfuß in diesem Jahr erstmals gar keine Brandseeschwalben mehr zum Brüten nach Neuwerk gekommen sind. Der seltene Vogel hat langsam, aber sicher kaum noch eine Nahrungsgrundlage mehr in der Nordsee.
Doch das liegt nicht nur am Schlick, sondern hat sicher noch viele andere Ursachen: Grundnetzfischerei schädigt komplexe Ökosysteme wie z.B. Seegraswiesen. Der BUND setzt sich deshalb dafür ein, dass in diese Form der Fischerei in Meeresschutzgebieten, nicht mehr stattfinden darf. Ein Beispiel dafür ist die Doggerbank, eine riesige Sandbank in der Nordsee, die in die Zuständigkeiten von Deutschland, Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden fällt. Hier treffen kalte und warme Wasserströme zusammen, der Algen- und Artenreichtum ist besonders groß. Doch der BUND beobachtet gerade hier auch das exzessive Fischen durch große Trawler am Grund. Sandaale, die dabei gefangen werden, kommen laut Isabelle häufig direkt in die Verarbeitung zu Fischmehl. Im sensiblen Ökosystem der Nordsee fehlen sie schmerzhaft!
Ein weiteres zunehmendes Problem in der Nordsee, über das ich mich mit den BUNDlerinnen intensiv ausgetauscht habe, ist Unterwasser-Lärm. Umso mehr auf dem Meer gebaut wird, beispielsweise auch Offshore-Windparks, umso öfter finden dort unter Wasser Bauarbeiten statt, die das sensible Gehör insbesondere der Schweinswale gefährlich durcheinanderbringen können. Und immerhin über 300.000 dieser tollen Tiere gibt es konstant in der Nordsee. Zu neuen Windparks müssen auch neue Leitungen gelegt, außerdem bestehende gewartet werden. Auch das erzeugt Lärm und viele der Leitungen laufen direkt durchs Watt.
Eine weitere Lärmquelle sind immer modernere Hochgeschwindigkeitsschiffe wie Wassertaxis und der Halunder Jet nach Helgoland. Der Verkehr mit ihnen nimmt kontinuierlich zu. Große Schiffe sind unter Wasser umso leiser, desto langsamer sie fahren. Auch das habe ich heute gelernt. Es macht somit durchaus ökologisch Sinn, ihre Geschwindigkeit zu begrenzen.
Was mich bei meinem Ausflug nach Neuwerk umwelt- und klimapolitisch aber auch positiv gestimmt hat: eine große Erfolgsgeschichte auf der Insel ist die Renaturierung der Salzwiesen im Osten, die schon Anfang der 2000er angegangen wurde und heute Heimat für eine große ökologische Vielfalt auf Neuwerk bietet. Warum Salz- und Seegraswiesen so wichtig sind – auch für natürlichen Klimaschutz, habe ich hier kürzlich in einem anderen Artikel erläutert.
Noch vieles mehr über Natur- und Meeresschutz im Wattenmeer und auch über die Ziele des BUND habe ich auf meinem Trip nach Neuwerk dank der intensiven Gespräche mit Isabelle, Doro, Marine und Caroline mitgenommen. Die Ausweisung von 10% streng geschützter Gebiete im deutschen Zuständigkeitsbereich des Meeres noch in dieser Legislatur oder auch die Deckelung der Plastikproduktion, um der Verschmutzung besser Einhalt zu gebieten, sind beispielsweise zwei sehr konkrete politische Ziele, die ich mit ins politische Berlin nehme. Bislang sind zwar bereits 45 Prozent der Meeresfläche unter Schutz gestellt, doch es mangelt häufig an der effektiven Umsetzung. Darum braucht es Gebiete, die unter eine strengere Schutzstufe fallen. Und für Schutz der Artenvielfalt und Seegraswiesen, Reduzierung des Unterwasser-Lärms und eine umweltverträglichere Fischerei setze ich mich außerdem ein und habe dank meiner Reise ins Wattenmeer nochmal besser verstanden, wo man da ansetzen kann und wie alles mit allem auch zusammenhängt in der Naturschutzpolitik.