Heute hat der Bundestag über das Wehrdienst-Modernisierungsdienst abgestimmt. Mit der Grünen-Fraktion habe ich das Gesetz abgelehnt. Meine Gründe dazu habe ich mit mehreren anderen Abgeordneten in einer Erklärung zur Abstimmung nach §31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags zu Protokoll gegeben. Die ganze Erklärung hier:
Die heutige Abstimmung über das Wehrdienstmodernisierungsgesetz fällt uns nicht leicht. Deutschlands und Europas Sicherheit sind bedroht. Es ist deshalb nötig, dass die Bundeswehr wieder in eine Lage versetzt wird, in der sie ohne Zweifel jeden bewaffneten Angriff auf Landes- oder Bündnisgebiet stoppen könnte, immer mit dem Ziel, dass es diesen Angriff nie geben wird. Dazu braucht es auch mehr Soldatinnen und Soldaten. Es ist deshalb richtig, die Bundeswehr attraktiver zu machen, um mehr Freiwillige zu finden. Es ist angesichts der Bedrohungslage auch richtig, die Musterung wieder verpflichtend zu machen und auch dabei jungen Leuten die Bundeswehr und die Möglichkeit einer freiwilligen Verpflichtung näher zu bringen.
Wir haben trotzdem das Wehrdienstmodernisierungsgesetz heute abgelehnt. Weil in diesem Gesetz schon skizziert wird, dass der nächste Schritt, falls sich nicht genügend Freiwillige melden, die Wiedereinsetzung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht alten Typs wäre. Das Gesetz verpflichtet nur Männer zur Musterung und blickt allein auf den Wehrdienst, nicht auf die vielen anderen, für unsere gesamtgesellschaftliche Resilienz ebenfalls bedeutsamen gesellschaftlichen Dienste. Falls sich nicht ausreichend Freiwillige melden, will man eine Bedarfswehrpflicht, die dann im Losverfahren eine Zufallspflicht nur für junge Männer wäre.
Die Wehrpflicht alten Typs sieht auch ausdrücklich den Dienst an der Waffe als Regelfall und die richtigerweise grundgesetzlich als Grundrecht garantierte Kriegsdienstverweigerung als nur aus Gewissensgründen eigens zu begründende Ausnahme vor. Wir sind uns bewusst, dass in der gegenwärtigen Bedrohungslage eine Pflicht zum Wehrdienst nicht ausgeschlossen werden kann, aber wenn eine Dienstpflicht nötig wäre, dann müsste sie nicht nur für Männer gelten und nicht wieder ein gesondertes Verfahren für die Verweigerung beinhalten. Stattdessen sollte es die freie Wahl geben, ob dieser Dienst bei der Bundeswehr, im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz oder im sozialen oder ökologischen Bereich geleistet wird: Ein Gesellschaftsjahr für alle.
Wir sind uns bewusst, dass eine solche Debatte über gesellschaftliche Verantwortung kontrovers ist. Sie berührt individuelle Freiheit und verlangt nach sorgfältiger politischer Abwägung und breitem gesellschaftlichem Konsens, weil auch eine Änderung des Grundgesetzes nötig wäre. Doch gerade in Zeiten, in denen unsere Demokratie von innen wie außen bedroht ist, brauchen wir eine gemeinsame Antwort. Ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr könnte ein Gemeinschaftsprojekt für die Freiheit, die Demokratie und die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft werden. Wir sind überzeugt: Die Investition in Zusammenhalt, Resilienz und Demokratie würde sich lohnen.
Das heute zur Abstimmung vorgelegte Wehrdienstmodernisierungsgesetz greift hier viel zu kurz.
Deshalb haben wir das Wehrdienstmodernisierungsgesetz der Bundesregierung abgelehnt und dem Entschließungsantrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zugestimmt, in dem die Einsetzung einer Enquete-Kommission für gesamtgesellschaftliche Resilienz gefordert wird. Ziel ist ein ergebnisoffener Diskussionsprozess darüber, wie militärische und zivile Dienstformen – freiwillige, hybride und verpflichtende – sowie weitere Formen gesellschaftlicher Mitwirkung zur Gesamtverteidigung und Resilienz beitragen können. Wichtig ist uns, dass die Erlangung gesellschaftlicher Resilienz nicht nur eine Aufgabe der jungen Generation, sondern aller Generationen ist. In die Arbeit einer solchen Enquete- Kommission sollen alle Beteiligten und Betroffenen, insbesondere und maßgeblich junge Menschen, einbezogen werden.
Berlin, 05.12.2025
Persönliche Erklärung nach §31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zum Abstimmungsverhalten am 05. Dezember 2025 zum Tagesordnungspunkt 27 der Plenardebatte zur zweiten und dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Wehrdienstes (Wehrdienst-Modernisierungsgesetz – WDModG)
Zum morgigen Weltverbrauchertag erkläre ich als Berichterstatterin für Verbraucherschutz gemeinsam mit meiner Kollegin Tabea Rößner:
Linda Heitmann:
Ein zentrales verbraucherpolitisches Vorhaben der Ampelregierung ist die anwenderfreundliche Umsetzung der Verbandsklage. Sie ist eine große Chance, um effektiven Verbraucherschutz und kollektiven Rechtsschutz in Deutschland künftig besser zu gewährleisten. Dafür muss die Verbandsklage richtig ausgestaltet werden: Wir müssen im Sinne der geschädigten Konsument*innen dafür sorgen, dass sich auch während des Verfahrens noch der Klage angeschlossen werden kann. Mit diesem späten Opt-in verhindern wir eine Flut von individuellen Klagen und verschaffen den Gerichten Luft. Je offener die Klageanmeldung ist und je später eine verbindliche Anmeldung erfolgen kann, desto besser. Dazu gehört außerdem, dass die Ansprüche der Klagenden nicht verjähren können, solange das Verfahren andauert. So wird die Verbandsklage attraktiver als die Einzelklage. Wir wollen zudem allen Verbänden, die sich für die Belange von Verbraucher*innen einsetzen, ermöglichen, Verbandsklagen einzureichen und Betroffene zu vertreten. Der vorliegende Entwurf des Bundesjustizministeriums bedarf somit noch einiger Nachbesserungen.
Ein weiteres großes Ärgernis für Verbraucher*innen aktuell ist Greenwashing, also das Versprechen von Umwelt- und Nachhaltigkeitswirkungen beim Bewerben von Produkten. Wir brauchen Regeln für den dahinter entstandenen Kompensationsmarkt, dessen Zusicherungen schwer zu durchschauen und kaum seriös nachprüfbar sind. Daher begrüßen wir ausdrücklich die EU-Initiative, Green Claims zu regulieren, und treten dafür ein, irreführende Werbung mit Umweltversprechen in Europa nicht länger zuzulassen. Wir brauchen hier Transparenz für Verbraucher*innen und belohnen mit klaren Regeln die Unternehmen, die sich ernsthaft bemühen, nachhaltig zu wirtschaften.
Tabea Rößner:
Der Trend des Online-Einkaufs ist ungebrochen, auch wenn für Verbraucher:innen manche Risiken lauern. Besonders schwer wiegen Sicherheitsmängel, obwohl die Gewährleistung von verlässlichen und sicheren Produkten kein Qualitätsmerkmal sondern Bedingung ist. Und: Produktsicherheit ist Datensicherheit. Wir brauchen grundlegende Sicherheitsanforderungen für digitale und vernetzte Produkte, damit nur sichere Geräte auf dem europäischen Markt verkauft werden dürfen. Sicherheit von digitalen und vernetzten Geräten muss schon bei der Entwicklung durch security by design rechtlich gewährleistet und während der gesamten Gebrauchsdauer garantiert sein. Wir wollen ein anspruchsvolles Verbraucherschutzniveau, wenn es um Sicherheit geht. An dieser Stelle setzen wir große Hoffnung in den Cyber Resilience Act.
Bei Erhalt mangelhafter Ware ist das Widerrufsrecht das zentrale Recht des Verbrauchers. Auch bei Online-Bestellungen müssen die Verbraucher:innen ihr Recht auf Widerruf einfach und barrierefrei ausüben können. Darum haben wir uns im Koalitionsvertrag auf die verpflichtende Einführung eines elektronischen Widerrufsbuttons für Internethändler verständigt. Für jede Bestellung muss der Widerruf mit einem Klick möglich sein. Das schafft Rechtssicherheit für die Verbraucher:innen. Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass der EU-Rat den Vorschlag nun auf EU-Ebene verfolgt – ein erster wichtiger Schritt.
Heute habe ich in einer namentlichen Abstimmung dem Sondervermögen für die Bundeswehr zugestimmt und muss ehrlich sagen, dass es in meiner bisherigen Zeit als Abgeordnete die Abstimmung war, bei der mir Entscheidungsfindung und auch Abstimmung selbst wohl am schwersten gefallen sind.
Und dabei liegen meine Gewissensbisse und mein Hadern nicht an der Konstruktion des Sondervermögens an sich. Ich glaube viel mehr, dass die Auslagerung der Ausgaben zur Ausstattung der Bundeswehr uns im regulären Haushaltsplan wichtige Spielräume gibt – gerade auch für die so wichtigen Sozialausgaben und -projekte, auf die wir als Ampel uns verständigt haben. Zudem eröffnet das Sondervermögen dem Haushaltsausschuss größere Spielräume, alle einzelnen daraus finanzierten Posten besser zu überwachen und auch zu beeinflussen, als wenn die Ausgaben Teil des regulären Haushaltes wären.
Dass wir als Grüne uns in den Verhandlungen nicht damit durchsetzen konnten, die Ausgaben des Sondervermögens mit einem erweiterten Sicherheitsbegriff zu hinterlegen und die Ausarbeitung und Umsetzung einer Cybersicherheitsstrategie daraus zu finanzieren – ja, das hat mich enttäuscht. Denn aus meiner Sicht werden wir trotzdem in Cybersicherheit investieren müssen, weil Cyberangriffe auf unsere kritische Infrastruktur eine sehr große reale Gefahr sind. Und die Ausgaben dafür werden wir jetzt aus dem regulären Haushalt nehmen müssen, das schränkt uns dort leider auch im sozialen Bereich ein. Deshalb hätte ich mir hier ein anderes Ergebnis der Verhandlungen gewünscht.
Nichtsdestotrotz musste ich mir in den letzten Wochen und Monaten leider eingestehen, dass wir auch jenseits von Cybersicherheit große Investitionen in die Ausstattung unserer Bundeswehr einfach brauchen, um weltweit als verlässlicher Bündnis- und Verhandlungspartner wahrgenommen zu werden und damit auch Frieden zu sichern und hoffentlich eine Ausweitung dieses furchtbaren Angriffskrieges in der Ukraine auf andere Länder und Regionen langfristig zu verhindern. Deshalb stimme ich für das Sondervermögen!
Gleichwohl fällt mir die Entscheidung heute aus einem einzigen recht simplen Grund sehr schwer: ich stimme hier dafür, sehr viel Geld für die Anschaffung von Waffen auszugeben, die darauf ausgelegt sind, Menschen zu töten. Ich finde, das lässt sich nicht beschönigen. Es widerstrebt mir im Innersten, dass es solche Waffen auf unserer Welt überhaupt seit Jahrhunderten gibt. Wie bei Unternehmen wie Heckler&Koch oder Rheinmetall die Sektkorken geknallt haben, als Olaf Scholz seine „Zeitenwende“-Rede in unserer Sondersitzung Ende Februar hielt, male ich mir nur ungern aus.
Aber dass es offenbar auch heute noch den Besitz schwerer Waffen in einem großen und global agierenden Land wie Deutschland braucht, um zu verhindern, dass von anderen Akteuren noch schwerere Waffen eingesetzt werden – diese Erkenntnis muss ich für mich leider akzeptieren.
Kurz und gut: ich hätte mir sehr gewünscht, die heute getroffene Entscheidung für den Kauf großer Mengen von Militärausstattung nie treffen zu müssen. Doch leider hat insbesondere Wladimir Putin durch seinen brutalen und nicht zu rechtfertigenden Angriffskrieg dafür gesorgt, dass wir als Bundestag dazu heute diese Entscheidung treffen.