13. Aug. 2025
Immer wieder berichten gesetzlich Versicherte in Deutschland von einem klaren Missstand: Termine bei Fachärzt*innen werden schneller vergeben, wenn Patient*innen bereit sind, die Behandlung als Selbstzahler*in zu finanzieren. Besonders häufig geschieht dies über digitale Buchungsplattformen wie Doctolib oder Jameda, die trotz gegenteiliger Filtereinstellungen Termine als verfügbar anzeigen, die sich im Buchungsverlauf als kostenpflichtige Privatsprechstunden entpuppen.
Dieses Vorgehen widerspricht nicht nur dem Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern verstößt gegen die kassenärztlichen Zulassungsbedingungen und die ärztliche Berufsordnung. Vor diesem Hintergrund habe ich im Juli 2025 eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Ziel war es, zu erfahren, wie die Bundesregierung diese Entwicklung bewertet, ob sie regulatorischen Handlungsbedarf sieht und welche Maßnahmen geplant sind, um die Einhaltung geltenden Rechts sicherzustellen.
Was die Bundesregierung antwortet – und was sie offenlässt
In ihrer Antwort bestätigt die Bundesregierung die grundsätzliche Problematik, erklärt jedoch, es lägen keine „validen Erkenntnisse über ein flächendeckendes Fehlverhalten von Vertragsärztinnen und -ärzten“ vor. Gleichzeitig räumt sie ein, dass die Verantwortung für Kontrolle und Aufsicht bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) der Länder liegt, denen eine diskriminierungsfreie und wohnortnahe Versorgung gesetzlich Versicherter obliegt.
Diese Haltung ist aus meiner Sicht nicht ausreichend. Denn zahlreiche Medienberichte und Rückmeldungen von Patient*innen zeigen: Die Bevorzugung von Selbstzahler*innen bei der Terminvergabe ist kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Problem.
„Wenn ein zeitnaher Termin beim Arzt zur Frage des Geldbeutels wird, ist das ein direkter Angriff auf das Solidarprinzip unserer gesetzlichen Krankenversicherung.“
Problematische Rolle der Onlineportale
Besonders kritisch ist die Rolle kommerzieller Online-Terminvermittlungen:
Patient*innen, die über Portale wie Jameda oder Doctolib einen Arzttermin suchen, erhalten trotz gesetzter Filteroptionen regelmäßig Angebote, die sich erst im späteren Buchungsverlauf als „Selbstzahlertermine“ entpuppen, häufig ohne ausreichende Transparenz zu Kosten oder medizinischer Notwendigkeit.
„Es ist aus meiner Sicht absolut unverständlich, dass Patientinnen auf diese Weise ungewollt in eine Selbstzahlerrolle geraten – das widerspricht dem Anspruch an eine transparente und faire Gesundheitsversorgung.“
Ärztliche Verantwortung – unzureichende Kontrolle
Vertragsärzt*innen sind verpflichtet, gesetzlich Versicherte gleichwertig zu behandeln. Wer systematisch frühere Termine gegen Aufpreis vergibt, verstößt gegen die eigene Zulassungspflicht und riskiert – zumindest auf dem Papier – seine kassenärztliche Zulassung. Die Bundesregierung verweist auf diese Regelungen, muss sich aber gleichzeitig die Frage gefallen lassen: Warum wird deren Einhaltung nicht systematisch kontrolliert?
„Ich erwarte, dass das Bundesgesundheitsministerium und die Kassenärztlichen Vereinigungen endlich systematisch kontrollieren, ob Vertragsärzt*innen ihren Versorgungsauftrag tatsächlich diskriminierungsfrei erfüllen.“
Was jetzt politisch getan werden muss
Die aktuelle Situation ist untragbar. Damit alle Menschen in Deutschland unabhängig von ihrem Einkommen gleichberechtigten Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten, braucht es jetzt entschlossenes politisches Handeln.
„Die Bundesregierung muss gemeinsam mit den KVen und Aufsichtsbehörden zügig handeln – im Sinne der Patientinnen und zur Stärkung des Vertrauens in unser solidarisches Gesundheitssystem.“
Fazit
Die Antwort auf meine Kleine Anfrage zeigt: Das Problem ist bekannt – aber es fehlt am politischen Willen, es konsequent zu lösen. Eine gerechte und solidarische Gesundheitsversorgung darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Die Bundesregierung ist jetzt in der Pflicht, regulatorische Lücken zu schließen und die Rechte gesetzlich Versicherter aktiv zu schützen.
Die vollständige Kleine Anfrage mit der Antwort der Bundesregierung findet ihr hier.
Über dieses Thema berichtete u.a. die Pharmazeutische Zeitung.
15. Juli 2025
Zum Referentenentwurf zur Änderung des Medizinalcannabisgesetzes habe ich mich heute geäußert:
„Der Warken-Vorschlag greift zu kurz, stigmatisiert Cannabis-Konsument*innen und macht die Situation für Menschen, die als Patient*innen auf medizinisches Cannabis angewiesen sind, leider künftig wieder komplizierter.
Es greift den richtigen Gedanken auf, dass die Verschreibung von Medikamenten mit einem echten Ärzt*innen-Patient*innen- Kontakt einhergehen und nicht übers Internet völlig anonym erfolgen sollte. Ich unterstütze, die anonyme Fernverschreibung und Versandhandel zu reformieren und besser zu kontrollieren. Das sollte dann aber auf alle Medikamente bezogen werden, nicht nur auf Cannabis. Auch gerade vor dem Hintergrund, dass Medikamentenabhängigkeit ein riesiges Problem in unserer Gesellschaft ist, brauchen wir hier für sämtliche Medikamente klarere Regeln.
Und zwar vor allem auch in Bezug auf Werbung! Es kann nicht sein, dass Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente wie Medizinalcannabis auf U-Bahn-Screens läuft, während wir jegliche Werbung für Cannabis zu Genusszwecken aus guten Gründen der Prävention gesetzlich verhindert haben.
Jetzt nur das Medizinal-Cannabisgesetz anzufassen, statt die Fernverschreibung insgesamt zu reformieren, ist nicht logisch, sondern stigmatisierend. Ich stelle mich gegen den Generalverdacht gegenüber Cannabis-Konsument*innen, die die Möglichkeit der Fernverschreibung für Genusszwecke nutzen. Dies ist insbesondere für jene Patient*innen, die medizinisches Cannabis tatsächlich benötigen und aktuell am Verschreibungs-Kriterium der Austherapiertheit scheitern, besonders bitter. Hier muss nachgesteuert werden.“
Mein Statement zu diesem Thema wurde u.a. im Tagesspiegel Background (€) und bei Legal Tribune Online aufgegriffen.
4. März 2025
Vor zwei Wochen war ich in der Verbraucherzentrale im Gespräch mit der Stabstelle Patientenbeteiligung. Sie koordiniert unter anderem die Besetzung zentraler Hamburger Gesundheitsgremien mit ehrenamtlichen Menschen, die sich dort für die Rechte von Patient*innen engagieren.
Ein Ausschuss, für den es in Hamburg beispielsweise Patient*innen-Vertretungen zu organisieren gilt, ist der Zulassungsausschuss für Arztsitze.
Im Sozialgesetzbuch ist die Beteiligung von Interessensvertretungen der Patient*innen geregelt, dies kann über die Einrichtung einer Stabsstelle erfolgen – in Hamburg gibt es diese seit dem 01.02.2024 . Auch wenn noch nicht alle aufwendigen Ehrenämter mit Freiwilligen besetzt sind, ist seitdem viel passiert in der Akquise motivierter Menschen.
Ebenfalls zu den Aufgaben gehört ein bundesweiter Austausch der Stabstellen über die Ausgestaltung ihrer Arbeit. Dort gibt es noch große Unterschiede. So sind manche Stabstellen beispielsweise immer noch ausschließlich ehrenamtlich organisiert.
Die Mitbestimmung von Patient*innen ist wichtig, um die Stimmen der Betroffenen in die Entscheidungen des Gesundheitswesen einzubringen. Bisher haben sie sowohl auf Landesebene, als auch auf Bundesebene in den Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) jedoch nur eine beratende Funktion. Aus meiner Sicht ist es wichtig, die Mitbestimmung institutionell zu verankern, etwa durch Stimm- und Vetorechte. Ein Vorstoß, dies auch für den Gesamtdeutschen Bundesausschuss zu erreichen, welcher zentrale Entscheidungen im Gesundheitswesen regelt, ist in der vergangenen Legislatur an trotz Verankerung im Koalitionsvertrag und Diskussionen über konkrete Vorschläge im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz am Ende leider nicht mehr umgesetzt worden . Dies jedoch weiter voranzubringen kann ein wichtiges Zeichen für die Mitbestimmung auf Landesebene setzen.
Ich freue mich, dass die Hamburger Stabstelle sich durch die Arbeit von Frau Schefe für eine effektive Mitbestimmung von Patient*innen einsetzt und werde mit ihr auch künftig kontinuierlich im Gespräch bleiben. Mehr Informationen zur Arbeit der Stabsstelle finden sich auch hier auf der Website der Verbraucherzentrale Hamburg.
9. Okt. 2024
Das Never-Event-Register kommt. Auf unserer großen Patientenrechte-Konferenz im Mai haben wir über mehr Patientensicherheit diskutiert. Eine der zentralen Forderungen war dabei die Einführung eines Never-Event-Registers. Dieses wird nun, als Teil der Krankenhausreform, tatsächlich umgesetzt. Dazu habe ich heute eine Pressemitteilung veröffentlicht:
Zu den abgeschlossenen Verhandlungen zur Krankenhausreform erklärt Linda Heitmann, stellv. Mitglied im Gesundheitsausschuss und Berichterstatterin für die Stärkung von Patientenrechten:
„Mich freut im Zuge der abgeschlossenen Beratungen zur Krankenhausreform insbesondere, dass es uns im parlamentarischen Verfahren gelungen ist, die Grundlage zur Einführung eines deutschlandweiten Never-Event-Registers in der Reform zu verankern.
Dieses soll innerhalb von drei Jahren aufgebaut werden und Krankenhäuser sind dann dazu verpflichtet, gravierende Behandlungsfehler zu melden. Das kann anonym geschehen. Es legt endlich den Grundstein dafür, dass Fehler systematisch erfasst werden und an deren künftiger Vermeidung gearbeitet werden kann. Dies ist ein großer Schritt zu mehr Patientensicherheit, für den wir als Grüne uns stark gemacht haben.“
Zu diesem Thema berichtet auch das Ärzteblatt.