Verantwortung für Deutschland – doch wo bleibt der Verbraucherschutz?

Verantwortung für Deutschland – doch wo bleibt der Verbraucherschutz?

Der Koalitionsvertrag 2025 trägt den Titel „Verantwortung für Deutschland“ – ein Versprechen, das gerade im Alltag der Verbraucher*innen spürbar werden muss. Doch wie viel Verantwortung übernimmt Schwarz-Rot tatsächlich für die Bedürfnisse der Verbraucher*innen?

Zu loben ist das Bekenntnis zum differenzierten Verbraucherleitbild, das unterschiedliche Bedürfnisse anerkennt – ein Paradigmenwechsel weg vom überholten Bild des „mündigen Verbrauchers“.

Die Fortführung des Deutschlandtickets ist vielleicht der wichtigste konkret erwähnte Schritt zur Entlastung der Haushalte und zur Sicherstellung bezahlbarer Mobilität. Doch schon kurz nach Vertragsvorstellung wirft Friedrich Merz in einer Talkshow Zweifel an der Finanzierung des Tickets auf – ein fatales Signal für den Verbraucherschutz.

Zudem sind die konkret erwähnten geplanten Maßnahmen zur Regulierung des Ticketzweitmarktes, die darauf abzielen, Wucherpreise und betrügerische Praktiken bei Kultur- und Sportveranstaltungen einzudämmen, positiv zu bewerten und ein Punkt, der viele Menschen im Alltag tatsächlich betrifft.

Neben den überschaubaren Lichtblicken bleibt der Koalitionsvertrag sonst jedoch hinter seinem eigenen Anspruch zurück: Ausgerechnet in den Bereichen, in denen Verbraucher*innen heute besonders gefährdet sind, klaffen gravierende Schutzlücken. So fehlen klare Regeln gegen gefährliche Produkte auf Online-Marktplätzen oder unseriöse Haustürgeschäfte – Situationen, in denen Verbraucher*innen besonders überrumpelt werden. Auch im finanziellen Verbraucherschutz bleibt der Vertrag blass. Hier hagelt es lediglich Prüfaufträge für längst bekannte Baustellen: Überhöhte Basiskontenentgelte und Dispozinsen, Fehlanreize in der Finanzberatung sowie die dringend erforderliche Regulierung von Kryptowerten und des Grauen Kapitalmarkts. Prüfaufträge sind hier eindeutig zu wenig, die Maßnahmen lägen in vielen Bereichen auf der Hand und wären schnell umsetzbar! Besonders gravierend ist zudem, dass am bisherigen Parallelsystem von Provisions- und Honorarberatung festgehalten wird – und das, obwohl Studien immer wieder massive Interessenkonflikte im Finanzvertrieb nachweisen. Hier zeigt sich die Handschrift der Finanzlobby allzu deutlich.

Echte Verantwortung für Verbraucher*innen sieht anders aus: Das Bekenntnis zum nachhaltigen Konsum („Reparieren statt Wegwerfen“) bleibt eine bloße Floskel: Wer Produkte länger nutzen oder reparieren möchte, findet im Koalitionsvertrag wenig Unterstützung. Weder längere Gewährleistungsfristen noch Anreize für Reparaturen, wie Reparaturboni-Programme, sind vorgesehen. Die EU-Vorgaben gegen Greenwashing („Empowering Consumers“) drohen nur halbherzig umgesetzt zu werden, wie es hier weitergeht, um irreführende Werbung und Label a la „Klimaschonendes Fliegen für 20 Euro“ rechtlich wirksam zu unterbinden, ist völlig unklar .

Problematisch ist auch, dass Verbraucherschutz künftig wieder im Justizministerium liegt. Verbraucherschutz braucht klare Verantwortlichkeiten, durchsetzungsstarke Strukturen und eine engagierte Stimme im Kabinett. Verbraucherschutz lebt davon, dass starkes Recht im Sinne von Verbraucher*innen geschaffen und wirksam durchgesetzt werden kann. Wenn das Justizministerium hier künftig Vorschläge für neue rechtliche Rahmenbedingungen macht, wird es in Zukunft vermutlich kein anderes Ministerium mehr geben, das hier in der Kabinettsberatung im Zweifel Widerspruch im Sinne der Verbraucher*innen einlegt. Durch den angekündigten Bürokratierückbau droht obendrein ein gefährlicher Rückschritt: Wichtige Errungenschaften im Verbraucherschutz könnten schleichend abgebaut werden.

Unterm Strich setzt der Koalitionsvertrag mit dem neuen Verbraucherleitbild und der Regulierung des Ticketmarkts wichtige Akzente – doch diese Lichtblicke verblassen sofort angesichts zahlreicher Prüfaufträge und unkonkreter Versprechen, wo klare Regeln und mutige Schritte dringend gebraucht würden. Gerade in Zeiten großer Unsicherheit und steigender Preise braucht es eine Politik, die Verbraucher*innen nicht im Unklaren lässt, sondern ihnen Verlässlichkeit und Schutz bietet.

Als Grüne im Bundestag werden wir uns weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, dass Verbraucherschutz nicht zur Randnotiz wird, sondern als zentrales Querschnittsthema in allen Politikfeldern mitgedacht wird und nicht hinter Wirtschaftsinteressen zurückfällt.

Produktsicherheit wird sich verbessern

Produktsicherheit wird sich verbessern

In der heutigen Sitzung des Umwelt- und Verbraucherschutzausschusses hatte ich meine erste Berichterstattung. Es stand ein EU-Vorschlag für eine Verordnung auf der Tagesordnung, die europaweit für mehr Sicherheit bei Produkten sorgen soll. Die Mitgliedsstaaten sollen verpflichtet werden, den Markt besser zu überwachen, damit sichergestellt ist, dass Hersteller, Importeure und Händler ihren Verpflichtungen nachkommen.

Ich konnte deutlich machen, wie wichtig hohe Sicherheitsniveaus für Verbraucher*innen sind und dass sich die Regelungen auch weiter entwickeln müssen. Denn diese Verordnung ist eine Weiterentwicklung einer Richtlinie von 2001 und seitdem hat sich viel getan.

Das gilt aktuell etwa für Online-Marktplätze oder die Produktsicherheit von Produkten aus 3D-Druckern. Beides war 2001 noch in weiter Ferne, heute ist es Alltag. Daher unterstütze ich ausdrücklich den aktuellen Verordnungsvorschlag, der das Vorsorgeprinzip ins Zentrum stellt.

Das bedeutet, dass für alle Produkte endlich die gleichen Regeln gelten, einschließlich mehr Befugnisse für die Marktüberwachungsbehörden, wie etwa die Möglichkeit, alle Produkte von Online-Marktplätzen zu entfernen. Nationale Behörden können auch Online-Mystery-Shopping durchführen und die Rückverfolgbarkeit von Produkten in der Lieferkette verbessern, indem sie Kontaktdaten von Herstellern und Importeuren verlangen.

Das ist sehr wichtig, denn Überschneidungen in den Marktüberwachungsvorschriften haben zu Verwirrung bei Verbraucher*innen und Wirtschaftsakteuren geführt.

Nur um ein konkretes Beispiel zu nennen: Ein Bett für ein Kind (nicht harmonisiertes Produkt) benötigt derzeit weniger Sicherheitsanforderungen als ein Puppenbett (harmonisiertes Produkt).

Ein bißchen strengere Vorgaben hätten wir Grüne uns gerade bei den Reaktionszeiten auf Beschwerden bei Online-Marktplätzen gewünscht. Diese bekommen bei Beschwerden zur Produktsicherheit nun 5 Werktage Zeit zur Reaktion. Erstens erscheint uns das zu lang, zweitens wünschen wir uns eine klare Definition, ob nicht im virtuellen Raum auch der Sonntag ein Werktag ist.

Das Ziel muss bleiben, den Verbraucher*innenschutz in Europa zu harmonisieren und zu stärken. Dafür sind wir auf einem guten Weg.