Schützen und wiederherstellen: Natürliche Kohlenstoffaufnahme an den deutschen Küsten

Schützen und wiederherstellen: Natürliche Kohlenstoffaufnahme an den deutschen Küsten

Kohlendioxid (CO2) stellt bei Weitem den größten Anteil an Treibhausgasen dar und ist damit der Hauptversucher des Klimawandels. Um das 1,5-Grad-Klima-Ziel zu erreichen, muss Deutschland bis 2045 klimaneutral werden, also seine Treibhausgasemissionen auf Nettonull reduzieren.

Dazu braucht es verschiedenste Ansätze. Wir haben in der Ampel viele Maßnahmen auf dem Weg zur klimaneutralen Transformation gebracht. Zuletzt wird häufig auch über die CO2-Speicherung diskutiert, meistens in technischer Form (CCS: Carbone Capture and Storage).

Relativ unerforscht und unausgeschöpft bleiben aus meiner Sicht bisher natürliche Ansätze wie etwa durch Schutz, Wiederherstellung und Erweiterung vegetationsreicher Ökosysteme, die CO2 in großen Mengen aufnehmen und langfristig als gebundenen Kohlenstoff speichern – und das mit vielen Vorteilen für Mensch, Natur und Umwelt.

Wir haben mit dem grün geführten Umweltministerium deshalb das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz auf den Weg gebracht und großzügig mit Ressourcen hinterlegt. Denn Schutz und Wiederherstellung der Natur müssen einen höheren Stellenwert bekommen! Besonders großes, noch unausgeschöpftes Potential bergen in diesem Zusammenhang auch unsere Meere und Küsten. Denn gesunde marine und küstennahe Ökosysteme sind natürliche Speicherwerke des sogenannten „Blauen Kohlenstoffs“ (eng. Blue Carbon).

Ökosystemleistungen von vegetationsreichen Küstenökosystemen: Kohlenstoffsenken, Küstenschutz, Kinderstube für Biodiversität

Insbesondere vegetationsreiche Küstenökosysteme im Gezeiten- und Flachwasserbereich (bis 40 Meter Wassertiefe) wie etwa Salzmarschen, Seegraswiesen, Mangroven-, und Kelpwälder sind hochproduktive Kohlenstoffsenken. Sie machen zwar gerade einmal ca. 0,2% der globalen Meeresfläche aus, lagern aber einen signifikanten Teil des im Meer gelagerten Kohlenstoffs. Schätzungsweise nehmen sie derzeit 85 bis 250 Millionen Tonnen der weltweiten CO2-Emissionen pro Jahr auf und lagern den darin enthaltenen Kohlenstoff langfristig für Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende. Da viele Prozesse und Wechselwirkungen innerhalb dieser Biotope noch nicht vollständig verstanden bzw. erforscht worden sind, lässt sich nach derzeitiger Forschung nicht genauer abschätzen, wie viel Kohlenstoff im Zuge der pflanzlichen Atmung remittiert oder von Meeresbewohnern über die Aufnahme von Pflanzmaterial in Energie und Kohlenstoffdioxid verstoffwechselt wird. Fest steht jedoch: Die oftmals luftdicht abgeschlossenen Kohlenstofflager im Küstensediment können viele Jahrhunderte oder gar Jahrtausende überstehen, solange die sie schützenden Küstenbiotope zumindest erhalten bleiben oder – noch besser – wachsen und gedeihen können.

Die Kohlenstoffspeicherung funktioniert kurz erklärt so: Im Zuge ihrer Fotosynthese nehmen küstennahe Ökosysteme CO2 aus der Atmosphäre sowie aus dem Meerwasser auf, binden den darin enthaltenen Kohlenstoff und setzen Sauerstoff wiederum frei. Dadurch, dass die auf sandigem oder schlammigem Untergrund wachsenden Pflanzengemeinschaften in Mangrovenwäldern, Seegraswiesen und Salzmarschen allesamt Wurzeln bilden, stellt ihr Wurzelwerk einen lebendigen Kohlenstoffspeicher dar. Auch abgestorbene Pflanzenteile sind kleine Kohlenstofflagerstätten, die zu Boden sinken und im Küstensediment eingeschlossen werden. Da das Küstensediment sauerstoffarm und salzhaltig ist, ist es Mikroben nicht möglich, das organische Material zeitnah zu zersetzen.

Auf diese Weise lagern Mangrovenwälder, Seegraswiesen und Salzmarschen einen Großteil des gebundenen Kohlenstoffs im Meeresboden ein. Dabei sind die Küstenpflanzengemeinschaften um ein Vielfaches effizientere Kohlenstoffsenken als die Wälder an Land. So können sie je nach Standort schätzungsweise 5-30-mal mehr Kohlenstoff pro Fläche speichern als die tropischen Regenwälder. Als besonders effizient gelten die Seegraswiesen, die schätzungsweise 30-50-mal schneller Kohlenstoff speichern als der Wald.

Neben ihrer unschätzbaren Funktion als Kohlenstoffsenken bieten gesunde, vegetationsreiche Küstenökosysteme viele weitere Vorteile für Mensch, Tier und Natur: So sind die zahlreichen terrestrischen und marinen Tier- und Pflanzenarten sowohl Schutz als auch Nahrung. Schätzungsweise beheimatet eine 4000m²-Seegraswiese ca. 50 Millionen wirbellose Tiere wie Hummer, Muscheln und Garnelen, und rund 40.000 Fische, darunter auch den Nachwuchs beliebter Speisefische wie den Pazifischen Hering und den Atlantische Kabeljau. Außerdem produzieren Salzmarschen, Seegraswiesen, Mangroven- und Tangwälder viel Sauerstoff und filtern viele Krankheitserreger, Schweb-, Schmutz- und Schadstoffe aus dem Wasser.

Natürlicher Hochwasserschutz und das Problem schrumpfender Küstenökosysteme – auch in Deutschland

Gerade im Hinblick auf den Klimawandel kommt Küstenökosystemen auch eine andere wichtige Rolle zu: Sie schützen vor Hochwasser und Überschwemmung, da sie als Wellenbrecher sowohl Meeresströmungen als auch Sturmfluten ausbremsen und damit die Küsten vor Erosion schützen. Durch die Anhäufung von Sediment bieten sie zudem kontinuierlichen Schutz vor steigenden Meeresspiegeln.

Trotz oder gerade wegen ihrer vielfältigen Ökosystemleistungen wurden viele Küstenökosysteme durch menschliche Eingriffe und Aktivitäten in den letzten Jahrhunderten zerstört. Allein in den letzten 100-50 Jahren sind ca. 29% aller Seegraswiesen, bis zu 50% aller Salzmarschen, bis zu 50% der Mangrovenwälder sowie bis zu 60% der Tangwälder weltweit verschwunden. Insbesondere auch der menschengemachte Klimawandel setzt diesen Ökosystemen zu. So gehen ganze Gezeitenbereiche durch dauerhafte Überflutungen infolge des steigenden Meeresspiegels als Lebensraum verloren. Das Überleben unter Wasser ist für viele Organismen u.a. wegen Meeresversauerung und Sauerstoffarmut immer schwieriger. Extreme Wetterereignisse wie schwere Stürme oder Hitzewellen richten ihrerseits immer häufiger katastrophale Schäden an: Seegräser werden aus dem Boden gerissen, Mangroven entwurzelt, ganze Salzmarschen und Kelpwälder werden weggespült. Auch direkte menschliche Aktivitäten und Eingriffe wie etwa Grundnetzfischerei, Land- und Aquakulturwirtschaft, Überfischung, Meeresverschmutzung, Küstenbebauung sowie Staudamm- und Staustufeneinrichtungen wirken sich negativ auf die Fähigkeit und Kapazität dieser Ökosysteme aus, die Folgen des Klimawandels abzufedern.

An den deutschen Küsten sind viele Salzwiesen für landwirtschaftliche Zwecke umgestaltet und entwässert worden, so dass sie einen Großteil ihrer Kohlenstoffspeicherkapazität verloren haben. Allein an der Ostseeküste wurden im vergangenen Jahrhundert 95% der Salzwiesen eingedeicht. Viele dieser entwässerten Gebiete haben Moorböden. Durch die Entwässerung dringt Sauerstoff aus der Luft in den Moorboden ein. Dadurch löst sich das Moor buchstäblich in Luft auf, denn dabei wird der eingelagerte Kohlenstoff in Form von Kohlenstoffdioxid (CO2) sowie Lachgas freigesetzt und das Moor verliert an Volumen. In Mecklenburg-Vorpommern sind trockene Moore mit einem Anteil von ca. 40% leider der größte Einzelemittent von CO2 – noch vor Verkehr, Energie und Industrie.

Allein die noch erhaltenen Salzwiesen an der deutschen Nordseeküste lagern derzeit rund 6,64 Millionen Tonnen Kohlenstoff ein, was dem jährlichen Ausstoß von 2,5 Millionen Menschen in Deutschland entspricht. Um diese Speicherkapazität weiterhin zu erhalten und noch auszubauen, müssen die Wiesen regelmäßig mit Salzwasser überflutet werden.

Auch die deutschen Seegraswiesen sind stark geschrumpft. In der deutschen Ostsee insgesamt sind die Seegraswiesenbestände in den letzten 50 Jahren um über 25% zurückgegangen. So beträgt ihre Flächenbedeckung derzeit nur noch rund 300 Quadratkilometer. Besonders gravierend ist ihr Zustand an der niedersächsischen Küste, wo ein Seegraswiesenschwund von 97% zu verzeichnen ist. Die Hauptursache ist die schlechte Wasserqualität durch zu hohe Nährstoffbelastung. Im Niedersächsischen Wattenmeer wurden Seegraswiesen auch durch einen eingeschleppten invasiven Pilz großflächig vernichtet. Allein zwischen 2008 und 2019 wurde der Seegraswiesenbestand um mehr als die Hälfte reduziert. Der Trend setzt sich bis heute fort.

Die Kapazität einer Seegraswiese, Kohlenstoff zu speichern, hängt unter anderen von verschiedenen Standortfaktoren ab. Eine Hauptbedrohung ist auch schlechte Wasserqualität infolge von menschengemachtem Nährstoffeintrag. Vor allem in den Mündungsgebieten der deutschen Flüsse sind die Stickstoff- und Phosphorkonzentration zu hoch. Hauptsächlich stammen die Nährstoffe aus der Landwirtschaft sowie aus ungeklärtem Abwasser, aber auch aus dem Straßen- und Schiffsverkehr gelangen sie über die Luft in die Gewässer. Der Nährstoffeintrag schafft an einigen Orten perfekte Lebensbedingungen für Algenblüten, die die Seegraswiesen überwuchern können. Durch deren starken Zuwachs kann Sonnenlicht schlechter durchdringen, welches die Seegraswiesen für ihre Fotosynthese benötigen.

Eine andere Bedrohung stellt die Grundschleppnetzfischer dar, bei der u.a. lange Scherbretter eingesetzt werden, die in den Meeresboden eindringen und die Pflanzen teilweise herausreißen und zerstören. Zerstört und herausgerissen werden die Seegraswiesen auch von starkem Wellengang oder hohen Strömungsgeschwindigkeiten. Seegraswiesen sind heutzutage aufgrund des Klimawandels Wassertemperaturen zwischen 0 und 35 C° ausgesetzt. Besonders gut gedeihen und wachsen können sie jedoch bei Wassertemperaturen zwischen 10 und 20 C°. So lässt sich bereits bei Temperaturen ab 25 C° wie etwa in der in der westlichen Ostsee eine höhere Sterblichkeit der Seegraswiesen beobachten.

Schützen, wiederherstellen und erweitern: Maßnahmen zur Verbesserung der Kohlenstoffaufnahme an den deutschen Küsten im internationalen Kontext

Angesichts der geschilderten massiven Zerstörung und vor dem Hintergrund ihres Mehrfachnutzens müssen Küstenökosysteme stärker als bislang in den Fokus von Schutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen rücken – gerade auch im Hinblick auf die Umsetzung des EU Nature Restoration Law, das uns zur Renaturierung verpflichtet.

Durch die Ausrufung der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen haben der Schutz und die Wiederherstellung intakter Ökosysteme an Land und Meer zudem auch international an Bedeutung gewonnen. Es das erklärte Ziel der Vereinten Nationen, bis 2030 eine Trendwende zu erreichen, indem zerstörte und geschädigte Ökosysteme überall auf der Welt wiederhergestellt werden.

Diesem Ziel haben sich auch die Europäische Union und Deutschland verpflichtet. Ein Kernelement der EU-Biodiversitätsstrategie ist auch die bereits erwähnte EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, die Ende Juni 2024 final beschlossen wurde. Die Verordnung verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten dazu, bis 2030 Wiederherstellungsmaßnahmen auf mindestens 20% der Flächen an Land im Meer umsetzen. Damit also auch in der deutschen Nord- und Ostsee. Zentrales Instrument im Nature Restauration Law (NRL) sind die nationalen Wiederherstellungspläne, in denen die Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten darlegen müssen, welche Ziele sie mit welchen Maßnahmen, über welchen Zeitraum und mit welchen finanziellen Mitteln erreichen wollen.

Mit dem Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) ist die Bundesregierung unter der Federführung des grünen Umweltministeriums bereits einen wichtigen Schritt vorausgegangen. Bis 2027 stehen im Rahmen des ANK 3,5 Milliarden Euro u.a. für Maßnahmen zur Wiederherstellung sowie für klimafreundliche und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen zur Verfügung. Gefördert werden auch Projekte zur Erhaltung und zum Wiederaufbau von Salzwiesen, Seegraswiesen, Kelpwäldern sowie die Vorlauf- und Begleitforschung zur Stärkung ihres Beitrags zum Natürlichen Klimaschutz

Dabei bedeutet Wiederherstellung nicht zwingend, aufwendige und kostspielige Maßnahmen anzugehen. Bei der passiven Wiederherstellung geht es in erster Linie darum, gezielt Bedingungen zu schaffen, bei denen die natürliche Regeneration des Ökosystems begünstigt, beschleunigt oder erst möglich gemacht wird. Hierbei reicht es oft, die menschlichen Eingriffe zu reduzieren und das Ökosystem sich selbst zu überlassen. Klassische Beispiele dafür sind die Errichtung von nutzungsfreien Schutz- und Ruhezonen, die Reduzierung von Nährstoffeinträgen oder die Vermeidung von Überfischung.

 Die Maßnahmen der aktiven Renaturierung reichen von der Wiedervernässung von Salzwiesen und Mooren bis hin zum Wiederanpflanzen von bestimmten Pflanzen wie etwa Seegras und Algen, wobei Letzteres derzeit noch erforscht wird.

Neben der aktiven und passiven Wiederherstellung gibt es noch eine weitere Methode, die sich jedoch noch in der Erforschung befindet: die gezielte Erweiterung von bestimmten Ökosystemen, bei dem ein sogenannter Ökosystem-Design-Ansatz angestrebt wird. Demzufolge könnten hochproduktive Küstenökosysteme nicht nur geschützt und wiederhergestellt werden, sondern auch aktiv über ihre verloren gegangenen Flächen hinaus geschaffen werden. Dies bedeutet auch, dass Mangrovenwälder, Seegraswiesen, Tangwälder und Salzmarschen auch in jenen Gebieten neu angepflanzt werden, wo sie bislang auf natürliche Weise noch nicht vorgekommen sind. Die großflächige Ausweitung vegetationsreicher Ökosysteme wäre jedoch mit einem enormen technischen und finanziellen Aufwand verbunden und ginge auch zu Lasten anderer Ökosysteme wie etwa Wattflächen oder Sandstränden. Daher wirft dieser Ansatz derzeit noch viele Fragen auf, die zunächst diskutiert und abgewogen werden müssen – auch im Gespräch mit der lokalen Bevölkerung.

Meine Rede zum Umweltbericht

Meine Rede zum Umweltbericht

Im Bundestag haben wir gestern den Umweltbericht der Bundesregierung für das Jahr 2023 debattiert. Der Bericht zeigt aus meiner Sicht klar auf, dass unsere Ökosysteme durch das hohe Tempo der Klimaerwärmung in Gefahr sind. Es gibt aber Lösungen: Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz stärken wir Renaturierung, Klimaanpassung und unsere Ökosysteme. Meine ganze Rede seht ihr hier im Video:

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Meine Rede zum Immissionsschutzgesetz

Meine Rede zum Immissionsschutzgesetz

Diese Woche haben wir im Bundestag die Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes beschlossen. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich ein wichtiges Gesetz zum Umweltschutz. Diesmal verankern wir den Klimaschutz als Ziel im Gesetz, und schaffen außerdem effektive Nutzungen für Abwärme. Meine ganze Rede seht ihr direkt hier:

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Einen ausführlicheren Bericht zu diesem Thema findet Ihr auch auf der Website der Grünen Bundestagsfraktion.

Persönliche Erklärung zur Abstimmung zum Klimaschutzgesetz

Persönliche Erklärung zur Abstimmung zum Klimaschutzgesetz

Zur heutigen Abstimmung zur Novelle des Klimaschutzgesetzes habe ich gemeinsam mit anderen grünen Abgeordneten eine Erklärung nach §31 der Geschäftsordnung des Bundestags eingereicht. Hier findet ihr die ganze Erklärung:

Die Klimakrise ist DIE Menschheitsaufgabe unserer Zeit. Die Wissenschaft macht kontinuierlich deutlich, welche Auswirkungen es haben wird, wenn wir es nicht schaffen, der Klimakrise Einhalt zu gebieten. Die ersten Auswirkungen sind auch in Deutschland bereits zu spüren. Um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur noch auf ein für die Menschheit lebensfähiges Maß zu begrenzen ist es zentral, dass auch Deutschland seinen Beitrag zur Eindämmung der Klimakrise leistet.

Deutschland hat sich im Klimaschutzabkommen von Paris dazu verpflichtet, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Daran muss sich auch die Bundesregierung messen lassen. Das Klimaschutzgesetz soll hierfür den Rahmen setzen und die Grundlage bieten, dass ausreichend Maßnahmen ergriffen werden, damit dieses Ziel erreicht wird.

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht als feste Ziele im Vergleich zum Jahr 1990 eine Reduktion von mindestens 65% bis zum Jahr 2030, bis zum Jahr 2040 mindestens 88 Prozent und bis 2045 Netto-Treibhausgasneutralität vor. Die Ziele sind – ebenso wie die jährlichen Minderungsziele im Anhang des Gesetzes – verbindlich. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass diese auf Basis einer sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung erreicht werden müssen. Die sektorspezifischen Ziele im Anhang bleiben bestehen, sind jedoch im Gesetzentwurf – anders als im bisherigen Klimaschutzgesetz einzeln nicht mehr verbindlich, aber dennoch wichtig, da durch sie bei Gesamtzielverfehlung festgestellt wird, welchen Sektoren besondere Verantwortung bei der Nachsteuerung zukommt. Die Änderungen des Klimaschutzgesetzes war bereits im Koalitionsvertrag der Ampel angelegt. Der Gesetzentwurf weist explizit darauf hin, dass alle für die Sektoren verantwortlichen Bundesministerien ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten müssen und die EU-Vorgaben unabhängig vom Klimaschutzgesetz einzuhalten sind.

Die sektorübergreifende und mehrjährige Gesamtrechnung kann allerdinge falsche Anreize setzen und dazu verleiten, dass durch die mehrjährige Gesamtrechnung zu wenige Maßnahmen ergriffen oder nur einzelne Sektoren in den Blick genommen werden. Aktuell gleicht z.B. der die Ziele übertreffende Energiesektor die Verfehlung der Ziele im Verkehrssektor aus. Bei steigenden Zielsetzungen wird dies aber nicht mehr ohne weiteres möglich sein. Durch die Gesamtrechnung und den Wegfall der automatischen Klimaschutzsofortprogramme für Sektoren, die ihre Ziele nicht erreichen, kann die Situation entstehen, dass einzelne Sektoren zu spät mit ausreichend Maßnahmen beginnen und so ein Wandel nicht mehr sozial ausgestaltet oder gar nicht mehr umgesetzt werden kann. Dann würden die Ziele insgesamt verfehlt werden.

Gerade im Verkehrsbereich lässt sich sehr klar sehen, dass die Umsetzung von erwiesenermaßen sinnvollen Maßnahmen, wie z.B. ein Tempolimit, immer noch verhindert wird. Wenn die Weichen nicht endlich in die richtige Richtung gestellt werden und Planungssicherheit auch für die Zukunft geschaffen wird, werden Fehlinvestitionen getätigt und eine klimafreundliche Mobilität wird immer schwerer zu erreichen sein. Neben dem Verkehrsbereich müssen gerade im Gebäudebereich weitere Maßnahmen umgesetzt werden, um auch dort die Ziele erreichen zu können. Deshalb ist es entscheidend, dass die sektorspezifischen Ziele im Anhang des Klimaschutzgesetzes auch weiterhin eingehalten und Maßnahmen frühzeitig umgesetzt werden. Wir hätten sie daher weiterhin verbindlich gemacht, um Fehlentwicklungen frühzeitig entgegensteuern und die Klimaziele sicher erreichen zu können.

Positiv zu bewerten ist, dass neben der Ermittlung von Emissionsdaten für Monitoring zukünftig auch Projektionen erstellt werden sollen, ob mit den bereits ergriffenen Maßnahmen die Klimaziele sowie der Zielpfad auch in Zukunft erreicht werden. So kann frühzeitig nachgesteuert werden, wenn die Ziele in den Projektionen nicht erreicht werden. Es ist ein wichtiger Schritt zur Zielerreichung, dass im parlamentarischen Verfahren im Gesetzentwurf eine Verpflichtung für die Bundesregierung in den Gesetzentwurf hinzugekommen ist, bei voraussichtlicher Zielverfehlung ab dem Jahr 2030 für den Zeitraum bis 2040 ergänzende Maßnahmen vorzusehen, weil so frühzeitig nachgesteuert werden kann. Die daraus sich ergebende Verpflichtung spätestens ab 2029 über das Jahr 2030 hinaus auch jährliche Projektionen zu erstellen, ist konsequent, auch wenn unabhängig davon freiwillig auch bereits heute schon Projektionen für diesen Zeitraum erstellt werden und erstellt werden können. Der Gesetzentwurf verpflichtet zudem jede neue Bundesregierung spätestens 12 Monate nach Beginn einer neuen Legislaturperiode ein Klimaschutzprogramm, das die Ziele 2030 und 2040 einhält, vorzulegen, sodass jede neue Bundesregierung die Verpflichtung erhält, sich zu Klimaschutzmaßnahmen konkret zu bekennen.

Für langfristig verlässlichen Klimaschutz, der sicher durch Maßnahmen hinterlegt wird, hätten wir uns ein anderes Gesetz gewünscht. Im Wissen darum, dass die Änderungen am bisherigen Klimaschutzgesetz Teil des Koalitionsvertrags der Ampelkoalition waren und sind, und im Wissen darum, was ein anderes Abstimmungsverhalten für den Beschluss über die aktuelle und zukünftige Umsetzung von konkreten Maßnahmen für den Klimaschutz in Gänze bedeuten könnte, stimmen wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zu.

Felix Banaszak

Lukas Benner

Deborah Düring

Linda Heitmann

Misbah Khan                   

Denise Loop                     

Hanna Steinmüller          

Katrin Uhlig

Umwelt- und Artenschutz vor Ort – das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz

Umwelt- und Artenschutz vor Ort – das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz

Wer einmal durch eine Moorlandschaft wie das Altonaer Schnaakenmoor in meinem Wahlkreis gelaufen ist, erlebt: Moore sind vielfältige Landschaften und Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Was viele jedoch nicht wissen: Moore sind Naturtalente im Klimaschutz. Ebenso wie Auen, Feuchtgebiete, Meere und Küsten können sie auf natürlichem Wege der Atmosphäre CO² entziehen und speichern. In all diesen Gebieten schlummert also ein enormes Potential für den Klimaschutz.

Das Problem: In den vergangenen Jahrzehnten fielen diese Landschaften oft der Bewirtschaftung zum Opfer. Besonders deutlich wird dies bei den Mooren sichtbar, in denen oft Torf abgebaut wurde. In Deutschland sind heute 92 Prozent der ursprünglichen Moorböden trockengelegt. Durch die Entwässerung verlieren die Landschaften jedoch ihr Gleichgewicht und CO² oder sogar das noch schädlichere Methan entweichen in die Luft.

Wir Grüne arbeiten daran, genau diesen Trend umzukehren. Renaturierung schützt Klima, Pflanzen- und Tierarten. Dafür haben wir mit dem Umweltministerium das „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ aufgelegt. Bis 2027 stehen dafür 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. In den kommenden Jahren sollen damit Moore renaturiert, Wälder ökologisch aufgewertet und auch Meere und Küsten unterstützt werden. Das Geld wird direkt vor Ort zur Verfügung gestellt: Kommunen, Länder, Landwirtschaft und Umweltschutzorganisationen können sich bewerben, um Geld für konkrete Projekte zu beantragen  für den natürlichen Klimaschutz.

Das Programm selbst ist dabei in unterschiedliche Förderrichtlinien aufgeteilt: Für zwei Förderrichtlinien ist das Bewerbungsverfahren bereits abgeschlossen, aktuell werden die Projekte ausgewählt. In der ersten Förderrichtlinie werden Biotope im ländlichen Raum aufgewertet, z.B. durch Entsiegelung oder Wassermanagement. Die zweite Förderrichtlinie richtet sich an Kommunen und Partner und fördert Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel.

Offen für Bewerbungen sind aktuell noch vier Förderrichtlinien:

Auf aktuell wirtschaftlich genutzten Flächen können Unternehmen bis zu 60 Prozent Förderung für private Investitionen in natürlichen Klimaschutz erhalten. Das betrifft z.B. Investitionen in die ökologische Bewirtschaftung von Biotopen oder auch die Begrünung von Gebäuden. Bis zum 30. Juni läuft hier die Bewerbungsphase.

Kommunen können wiederum Förderung für natürlichen Klimaschutz innerorts beantragen, z.B. durch das Anlegen von kleinen Parks oder der Renaturierung von Gewässern, hier werden bis zu 80 Prozent der Projektkosten gefördert.

Besonders im Fokus stehen auch Wälder: Sowohl private Waldbesitzer, als auch die Bundesländer erhalten Förderungen für den Ausbau von klimaresilienten Mischwäldern und die Schaffung von artenreichen Laubwäldern anstelle von rein wirtschaftlich genutzten Forsten. Auch das ist wichtig: Extremwetterereignisse wie Trockenheit und Waldbrände gefährden die Wälder enorm, gleichzeitig binden lebendige Wälder deutlich mehr CO².

Es gibt einiges zu tun im Natürlichen Klimaschutz – das zeigt sich auch daran, dass für all die erwähnten Programme bereits viele Projektantragsideen eingegangen sind. Mit dem Aktionsprogramm ist eine Finanzierung unterschiedlichster Projekte möglich. Jetzt ist es wichtig, die Gelder schnell zur Verfügung zu stellen.