Greenwashing: Mein Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau

Greenwashing: Mein Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau

Werbung mit Nachhaltigkeitsversprechen, auch bekannt als „Green Claims“ oder allgemeiner unter dem Titel „Greenwashing“, wird immer häufiger. Was wir dagegen tun, habe ich in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau aufgeschrieben, den Ihr hier lesen könnt:

EU-Richtlinie für Öko-Siegel kommt – einheitliche Kennzeichnung geplant

Neulich im Supermarkt stehe ich wieder vor dem Müsli und muss mich entscheiden: Nehme ich das „bienenfreundliche“ oder das „klimapositive“? Dazu die „CO2-neutrale“ Milch oder die „aus regionaler Erzeugung“?

Inzwischen versprechen viele Alltagsprodukte mit zahllosen Siegeln, dass ich mit ihrem Kauf aktiv etwas Gutes für Umwelt- und Klimaschutz tue. In Europa gibt es aktuell mehr als 300 solcher Siegel. Welche seriös sind, durchblickt niemand mehr.

Dieses Greenwashing – also Nachhaltigkeits-Versprechen ohne hinreichende Belege – ist für Konsumentinnen und Konsumenten irreführend und ärgerlich. Denn eigentlich wollen wir fast alle gern möglichst nachhaltig konsumieren, doch dafür braucht es klare Regeln. Gut, dass die Europäische Union (EU) hier nun vorangeht.

Ökologischer Nutzen von Nachhaltigkeitssiegeln schwer nachprüfbar

Aber wie genau sieht das aus? Um die aktuellen Beschlüsse auf europäischer Ebene zu verstehen, muss man die derzeitige Lage etwas genauer analysieren: Von Unternehmen selbst ernannte „klimaneutrale“ Produkte arbeiten meist mit CO2-Kompensationsversprechen. Das heißt, es wird für jedes Kilo CO2, das bei der Produktion entsteht, Geld gezahlt, damit woanders CO2 eingespart oder gespeichert wird.

Diese Angebote sind oft unseriös: Wenige Cents des Kaufpreises fließen etwa in Aufforstungsprojekte in Afrika oder Südamerika mit schwer nachprüfbarem Nutzen. Der weltweite Kompensationsmarkt unterliegt keinen Regeln; niemand überprüft, ob all das wirkt.

Gewinnmaximierung durch Greenwashing

Es ist erfreulich, dass Nachhaltigkeit für Konsumentinnen und Konsumenten immer relevanter wird und sie bereit sind, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen. Derzeit beobachten wir jedoch, dass Firmen mit nicht nachprüfbaren Versprechen Gewinne maximieren und wir den ehrlich Engagierten oft nicht mehr glauben.

Klar wird: Wir müssen bei der Transformation hin zu einer fossilfreien Wirtschaft die Emissionen in der Produktion real senken, statt mit Kompensationszahlungen Augenwischerei zu betreiben. Mit Nachhaltigkeits-Versprechungen, die auf CO2-Kompensationszahlungen beruhen, ist kein Weg in eine klimafreundlichere Konsumwelt möglich.

Nachhaltigkeits-Begriffe in der EU sind nicht geschützt

Wir stehen vor einem Problem: Sobald ein Hersteller mit grünen Versprechen auf seinen Produkten anfängt, ziehen nahezu alle Konkurrenten nach. Inzwischen gibt es kaum noch Produkte, die keinen ökologischen Mehrwert versprechen.

Dabei kann man vielen Firmen gar nicht absprechen, dass sie nicht etwas Gutes tun wollen, aber ihre „guten Taten“ sind nicht quantifizierbar. Begriffe wie „klimaneutral“ und „CO2-neutral“ sind in keiner Form geschützt.

Verbände wie die Deutsche Umwelthilfe ziehen wiederholt gegen Unternehmen vor Gericht, um bestimmte Aussagen untersagen zu lassen. In einem aktuellen Rechtsstreit hat sich die Drogeriemarktkette DM nun bereiterklärt, auf die Bezeichnung „CO2-neutral“ auf den Produkten ihrer Eigenmarke zu verzichten. Gleichzeitig möchte sie aber weiterhin mit dem Label „umweltneutral“ werben, was Verbraucherinnen und Verbraucher nun vor Rätsel stellen dürfte.

EU-Siegel soll Transparenz und Fairness fördern

Damit wird einmal mehr offensichtlich, dass wir künftig einen klaren Rahmen und eindeutige Regeln für Unternehmen und Konsumentinnen und Konsumenten brauchen. Und wegen des EU-Binnenmarktes ist eine europäische Lösung die beste.

Mit der europäischen Empco-Richtlinie – Empowering consumers for the green transition – werden Werbebotschaften wie „umweltfreundlich“, „klimaneutral“ oder „biologisch abbaubar“ künftig untersagt – sofern es keine Nachweise dafür gibt. Kompensationszahlungen reichen nicht mehr aus.

Nachhaltigkeits-Siegel der Marke Eigenbau werden somit genauso unmöglich wie nur vage Aussagen über die Umwelteigenschaften eines Produkts. Transparenz und Fairness sind die obersten Maximen. Das ist ein großer Erfolg für umweltbewusste Verbraucherinnen und Verbraucher.

EU-Richtlinie für einheitliche Siegel kommt voraussichtlich im Dezember

Vor wenigen Tagen gab es dafür grünes Licht aus Brüssel. Voraussichtlich im Dezember wird die Richtlinie beschlossen. Der Ball der Umsetzung liegt dann bei den EU-Staaten, die die Regelungen in nationales Recht integrieren müssen. Wir brauchen dann künftig klare Strukturen zum Überprüfen von Umweltaussagen und zur unabhängigen Vergabe einheitlicher Siegel, denen Verbraucherinnen und Verbraucher vertrauen können.

Nutzen wir zügig diese Chance, damit wir beim Einkauf wieder nachvollziehen können, welchen ökologischen Schaden oder Nutzen die Produkte im Einkaufswagen wirklich haben. Denn bienenfreundliches Müsli soll es auf dem Balkon auch wirklich wieder hörbar lauter summen lassen!

Hier findet Ihr den Beitrag auch im Original auf der Website der Frankfurter Rundschau

Mein Gastbeitrag in der FR zur Verbandsklage

Mein Gastbeitrag in der FR zur Verbandsklage

Gemeinsam vor Gericht

Die Einführung einer neuen Klageart ist eine Chance für den Verbraucherschutz – und sie entlastet absehbar die Justiz. Der Gastbeitrag.

Verbraucherohnmacht hat hoffentlich bald ein Ende. Die Verbandsklage soll Verbraucher:innen ein neues Werkzeug an die Hand geben, sich gemeinschaftlich einfach und effektiv gegen betrügerische Unternehmen zu wehren. Der Dieselskandal um VW und andere haben gezeigt, dass die bestehende Musterfeststellungsklage häufig unzureichend ist, weil Geschädigte nach dem ersten Urteil individuell ihren Schadensersatz einklagen müssen.

Als Grüne setzen wir uns seit Jahren für kollektiven Rechtsschutz ein und legten 2017 bereits einen Gesetzentwurf für eine Gruppenklage vor. Nun gibt uns auch die EU Rückenwind: Die Verbandsklagerichtlinie, die bis Ende letzten Jahres in nationales Recht umzusetzen gewesen wäre, wird von der Ampel-Koalition anwenderfreundlich in deutsches Recht überführt, so wie es im Koalitionsvertrag auch vereinbart ist. Ein Gesetzesentwurf wird nun innerhalb der Ressorts und mit den Verbänden abgestimmt.

Die verbraucherfreundliche Ausgestaltung der Richtlinie lässt viel Spielraum für den deutschen Gesetzgeber und ist daher eine echte Chance für den Verbraucherschutz, damit getäuschte und geschädigte Konsument:innen einfacher und schneller zu ihrem Recht kommen. Dafür muss sie aber auch wirklich gut gemacht sein!

Für uns bedeutet das im Einzelnen erstens niedrige Zulässigkeitshürden bei der Anzahl der Geschädigten: Ziel der Verbandsklage ist, dass geschädigte Verbraucher:innen mit dem gleichen Anliegen gemeinsam vor Gericht ziehen können und nicht individuell klagen müssen. Dies schont Justizressourcen und schützt Verbraucher:innen vor hohen Prozesskostenrisiken. Uns ist es wichtig, dass nur eine kleine Anzahl von Verbraucher:innen notwendig ist, um die Klage einzureichen. Produktspezifische Unterschiede oder minimale Vertragsabweichungen können aus mehreren an sich juristisch identischen Sachverhalten viele verschiedene Sachverhalte machen. Wenn diese dann nicht mehr als gemeinsam zu behandelnde Gruppe betrachtet werden, muss unter Umständen jede einzelne Untergruppe ein bestimmtes Quorum erreichen, um klageberechtigt zu sein. Um die Hürden für geschädigte Konsument:innen niedrig zu halten, streben wir ein Quorum von zehn Personen an.

Zweitens: Niedrigschwellige Zulassung von Verbänden. In der Regel helfen Verbraucherverbände, die schon länger öffentlich registriert sind, geschädigten Konsument:innen, ihre Ansprüche vor Gericht durchzusetzen. Die Verbraucherzentralen leisten hier gute Arbeit, stoßen mitunter aber an Kapazitätsgrenzen. Daher wollen wir auch Zusammenschlüssen von Verbraucher:innen den Weg zur Verbandsklage eröffnen, die noch nicht so lange existieren oder sich vielleicht nur zu einem einzelnen Anlass zusammengefunden haben.

Drittens: Möglichkeit zur Anmeldung zum Klageregister auch noch im laufenden Verfahren. Für geschädigte Verbraucher:innen ist es kompliziert und unsicher, sich über ein Klageregister einem Verfahren anzuschließen, weil sie dessen Verlauf nicht einschätzen können. Eine frühe verbindliche Anmeldung für ein Verfahren mit ungewissem Ausgang wird zwangsläufig die Zahl der Individualklagen in die Höhe treiben. Doch dann verfehlt die Verbandsklage ihren Zweck! Wir wollen es ermöglichen, bestehende Ansprüche auch noch während des Verfahrens oder sogar noch nach einem Urteil anzumelden. Dadurch werden deutlich mehr Geschädigte erreicht, was die Justiz entlastet. Je offener die Klageanmeldung ist und je später eine verbindliche Anmeldung erfolgen kann, desto besser für Verbraucher:innen.

Viertens: Verjährung von Ansprüchen erschweren. Die Verjährung der Ansprüche muss ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung für alle betroffenen Verbraucher:innen unterbrochen werden – unabhängig von einer Anmeldung zum Klageregister. Es muss für alle Geschädigten attraktiv sein, sich einem kollektiven Verfahren anzuschließen anstatt alleine zu klagen, damit die Gerichte nicht überlastet werden. Wenn wir die Möglichkeit lange offen halten, sich der Klage anzuschließen, und wenn wir verhindern, dass Ansprüche vor Ausgang der Verbandsklage verjähren, also nicht mehr geltend gemacht werden können, schaffen wir einen wirksamen Anreiz, Einzelklagen zu vermeiden.

Die Verbandsklage ist ein wichtiger Baustein für effizienten Verbraucherschutz und Schutz der Gerichte vor einer Schwemme von Einzelklagen. Genau deshalb gilt es jetzt, mit der richtigen Umsetzung den Grundstein zu legen für eine schnelle und unkomplizierte Rechtsdurchsetzung.

Linda Heitmann ist Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen und Obfrau im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz.

Till Steffen ist ebenfalls Bundestagsabgeordneter der Grünen und Berichterstatter für die Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie im Rechtsausschuss.

Den Beitrag gibt es auch auf der Website der Frankfurter Rundschau.

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