„Im Interesse unserer Auftraggeber*innen bitten wir Sie, das Gesetz wie folgt zu ergänzen:…“ Ich war zugegebenermaßen ganz schön baff, als ich diese Formulierung vor kurzem in einer Mail an mein internes Mail-Postfach las. Eingang der Mail: Freitagnacht, 23 Uhr. Ich bekam also einen vorformulierten Gesetzestext geschickt, den ich so bitte direkt in ein Gesetz übernehmen sollte, das ich gerade mitverhandele. Ein Gesetzestext direkt aus der Lobbyfeder? Mit mir garantiert nicht!
Selbstverständlich habe ich auf diese recht dreiste Anfrage nicht reagiert, aber sie dennoch zum Anlass genommen, um an dieser Stelle mal ein bisschen über meine Erfahrungen und meinen Umgang mit Lobbyist*innen zu berichten.
Denn Politik im Parlament machen, beginnt schon mit der Frage: Was ist Lobbyismus?
Die offizielle Definition lautet: “Der zielgerichteten Einfluss auf politische Entscheidungen durch Verbands- und Interessensvertreter auf “. Das kann durch direkte Kommunikation mit Entscheidungsträger*innen in Parlamenten, Regierungen und Verwaltungen erfolgen, aber auch durch Einfluss auf Medien oder die öffentliche Meinung.
Grundsätzlich fällt Lobbyismus also unter die Interessensvertretung gesellschaftlicher Gruppen. Das ist legitim in einer parlamentarischen Demokratie, um möglichst viele Stimmen und Perspektiven im demokratischen Entscheidungsprozess einzubeziehen. Lobbyist*innen können neben dem Dachverband einer Wirtschaftsbranche z.B. auch ein Teil der Klimabewegung sein oder Vertreter*innen einer gesetzlichen Krankenkasse. Allerdings haben diese Gruppen ganz unterschiedliche finanzielle Kapazitäten und entsprechend ungleiche Möglichkeiten, auf Entscheidungsträger*innen Einfluss zu nehmen. Finanziell starke Unternehmen können es sich leisten, eine eigene Public-Relations-Abteilung zu unterhalten oder andere Dienstleister zu beauftragen, ihre Interessen zu vertreten. Wenn man im Alltag über Lobbyismus spricht, hat man meist diese finanziell starken Interessensgruppen im Kopf.
Der große Einfluss bestimmter Gruppen sorgt dann auch dafür, dass Lobbyismus insgesamt und zu Recht kritisch betrachtet wird: Einerseits ist es einer demokratischen Gesellschaft nicht zuträglich, wenn der politische Einfluss an den finanziellen Möglichkeiten hängt. Außerdem fehlt es beim Lobbyismus nach wie vor an Transparenz, es ist also häufig nicht erkennbar, welchen Einfluss Lobbyist*innen auf Gesetzgebungsprozesse nehmen. Das schadet dem Vertrauen in die Demokratie.
Doch ganz ohne Lobbyismus geht es aus meiner Sicht nicht: Gerade durch meine Arbeit im Gesundheitsbereich habe ich immer wieder auch mit Sozialverbänden oder Patient*innen-Organisationen zu tun. Es ist mir wichtig, die Sichtweisen und Anliegen dieser Gruppen gezielt zu stärken – wobei hier in der Regel keine finanziellen Interessen im Vordergrund stehen. Ihre Motivation zielt vielmehr darauf ab, den Alltag für die von ihnen vertretenen Patient*innen leichter zu machen. Häufig haben sie bei Gesetzentwürfen dann ganz konkrete Ideen, was dazu entsprechend am Gesetzestext – manchmal auch sehr konkret – umformuliert werden könnte. Solche Hinweise finde ich für meine Arbeit sehr wichtig, gleichzeitig prüfe ich jeden einzelnen sehr genau darauf, wem er am Ende nützt und ob ich das politisch richtig finde.
Besonders problematisch ist Lobbyismus aus meiner Sicht, wenn es nicht mehr um die Vertretung einzelner Branchen oder Gruppen geht, sondern z.B. um Einzelinteressen einer Firma. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Fall des CDU-Politikers Philipp Amthor. Er nutzte 2018 seine Kontakte zum damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), um die Interessen des Start-Ups „Augustus Intelligence“ zu vertreten. Er erhielt kurze Zeit später Aktienoptionen und einen Direktorenposten im Unternehmen. Weitere Beispiele sind die CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein, die in der Corona-Pandemie bei der Beschaffung von Schutzmasken durch die damalige Bundesregierung vermittelten und dafür Provisionen erhielten. Das ist nach geltender Rechtslage nicht strafbar, nicht strafbar, wirft allerdings trotzdem die Frage nach den Grenzen der verfassungsrechtlich geschützten Unabhängigkeit des politischen Mandats von Sachzwängen (GG Art. 48 (3)) auf.
Transparenz schaffen – das Lobbyregister
In den letzten Jahren hat es einige Bemühungen gegeben, den Einfluss von Lobbyist*innen transparenter zu machen. Das Lobbyregister, für das wir Grüne lange gekämpft haben, wurde von der vergangenen Regierung beschlossen und im vergangenen Jahr eingeführt. In diesem Lobbyregister müssen sich alle Interessensvertreter*innen eintragen, die zielgerichtet Einfluss auf den politischen Betrieb nehmen, also gerade auch professionelle Interessensvertretungen. Allerdings gab es hier noch gravierende Lücken, so konnten Lobbyist*innen, die im Auftrag Dritter lobbyieren, Auskunft über ihre Auftraggeber*innen verweigern. Darum haben wir als Ampel-Koalition das Lobbyregister hier entscheidend weiterentwickelt.
Unsere Reform des Lobbyregisters verpflichtet Interessensvertreter nun zur Angabe ihrer Auftraggeber*innen, aber auch zu klaren Angaben zu finanziellen Aufwendungen. Interessensvertreter müssen klar darstellen, auf welches Gesetzgebungsverfahren sie Einfluss nehmen. Darüber hinaus wird beim Lobbying in Ministerien die Kontaktaufnahme bis zur Ebene der Referatsleitungen auskunftspflichtig. So schaffen wir ein klares und für jeden zugängliches Lobbyregister!
Mein Umgang mit Lobbyisten
Neben gesetzlichen Transparenzvorschriften muss sich am Ende jeder und jede einzelne Abgeordnete die Frage stellen, wie man mit Lobbyist*innen umgeht. In meinen fachlichen Zuständigkeiten – Verbraucher*innenschutz sowie Drogen- und Suchtpolitik – setze ich mich oft für Gesetzesvorhaben ein, die Unternehmen stärker in die Verantwortung nehmen. Im Verbraucher*innenschutz z.B. mit der Verbandsklage, oder in der Gesundheitspolitik durch meine Forderungen nach stärkerer Regulierung von Alkoholwerbung.
Zudem verstehe ich mich als Parlamentarierin gerade im Gesundheitsbereich auch als Interessensvertretung jener, die in der Öffentlichkeit meist keine ganz starke Stimme haben: etwa Menschen mit Behinderungen, Menschen mit seltenen Erkrankungen, Menschen ohne Krankenversicherungsschutz, Menschen mit Sprachbarrieren oder auch erkrankte Menschen in Haft. Sie sind selten in einem Verband oder Verein organisiert – das gilt es stets mitzubedenken.
Das führt zu der Frage: Wie treten Lobbyist*innen an uns Parlamentarier*innen eigentlich heran?
Mails an eine private Mailadresse – wie die einleitend beschriebene – in denen ohne Umschweife aufgefordert wird, eine bestimmte Gesetzesformulierung einzubringen, sind eher selten. Aber sie kommen vor und rufen bei mir normalerweise Kopfschütteln hervor. Eher erreichen mein Büro Anfragen per Brief und Mail für ein Gespräch oder ich werde zu Info-Frühstücken oder Veranstaltungen eingeladen, bei denen ein bestimmtes Anliegen im Vordergrund steht.
Als besonders dreist und unangenehm empfinde ich es, wenn Interessensvertreter*innen mich bei Veranstaltungen, die thematisch gar nicht in ihrer Zuständigkeit liegen, in den Pausen ansprechen und mir Gespräche aufdrängen. So geschah es mir beispielsweise bei einer grün-internen Veranstaltung zu einem umweltpolitischen Thema, wo mir ein Tabaklobbyist auflauerte und mich ansprach. Auf solche Gesprächsversuche gehe ich in der Regel eher nicht ein und Lobbyist*innen sollten wissen: bei mir erreicht man mit solch einem dreisten Auftritt eher das Gegenteil.
Zudem ist das Interesse zahlreicher Lobbyist*innen oft auch klar, ohne dass sie es ganz konkret äußern: In meiner Arbeit als Gesundheitspolitikerin ist es mir z.B. wichtig, dass der Alkohol- und Tabakkonsum in Deutschland sinkt und die Menschen in Deutschland gesünder leben. Daher bin ich von Vornherein skeptisch bei Treffen mit Akteur*innen, die von hohem Tabak- und Alkoholkonsum profitieren. Wenn ich aus diesem Bereich Interessensvertreter*innen treffe und mich austausche, dann sind es normalerweise Vertreter*innen aus der Gesundheitsforschung oder der Suchthilfe – also Interessensvertreter*innen ohne kommerzielle Interessen und mit Gemeinwohlorientierung.
Insgesamt habe ich bei all meinem Umgang mit Interessensvertretungen stets im Blick: es ist meine Aufgabe als Abgeordnete, Anträge und Gesetze zu formulieren, zu diskutieren und zu entscheiden, ohne mich dabei unter Druck setzen zu lassen – nicht im Interesse einzelner Unternehmen, sondern im Interesse der Menschen zu denken und zu entscheiden.