Ganz weit im Hamburger Westen: mein umweltpolitischer Besuch auf Neuwerk

Ganz weit im Hamburger Westen: mein umweltpolitischer Besuch auf Neuwerk

Vielen ist es wenig bewusst: Hamburgs Stadtgrenzen ziehen sich mitten durchs Wattenmeer – ein sensibles Ökosystem an der deutschen Nordseeküste. Denn die Inseln Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn gehören zur Hansestadt und beherbergen ca. 20 fest hier lebende Hamburger*innen.

Für mich als umweltpolitische Sprecherin der grünen Fraktion war allein das Anlass genug, die Insel jetzt in der sitzungsfreien Sommerzeit einmal zu besuchen und mich über das sensible Ökosystem hier zu informieren. Aktuelle politische Fragestellungen wie die stetige Androhung der Verklappung von Elbschlick vor Scharhörn und auch der Ausbau der Offshore-Windenergie beschäftigen mich obendrein.

Herzlichen Dank deshalb an Isabelle Maus und Dorothea Seeger vom BUND Bundesverband sowie Marine Perrin vom BUND Niedersachsen, dass sie mich begleitet und mir vieles zu ihren Arbeitsgebieten im Meeres- und Wattenmeerschutz erläutert haben. Auf Neuwerk selbst begrüßte uns zudem Carolin Rothfuß von der Naturschutzstiftung Jordsand, die seit mittlerweile 9 Jahren ganzjährig auf der Insel lebt und sich dem Naturschutz hier verschrieben hat.

Direkt anschaulich erläutern konnte sie uns, dass es in Neuwerk im Zuge von Klimawandel und Verschlickung immer komplizierter wird, Neuwerk überhaupt zu erreichen: bei Extremwettern fällt die Fähre mittlerweile ziemlich häufig aus. Und gerade am Vortag mussten Wattwagen wieder umkehren, weil die Pferde im Schlick stecken geblieben waren. „Der Trecker ist grad noch durchgekommen. Der darf zwar eigentlich keine Gäste mitnehmen, hat es dann aber trotzdem mal gemacht“, erläuterte Carolin. Doch passenderweise trafen wir auf dem Schiff auch direkt eine Frau, die erzählte, sie hätte ungeplant eine Nacht länger bleiben müssen. Und Dietmar und Rita vom grünen Kreisverband Eimsbüttel, die mir am Anleger begegneten, zweifelten auch, ob an ihrem darauffolgenden Abreisetag wohl wie geplant ein Schiff gehen würde.

So konnte ich eine Folge der Elb-Schlickverklappung direkt erleben: denn schon jetzt wird viel davon in die Nordsee am Rande der Fahrrinne verbracht und schwemmt von dort in verschiedene Richtungen. Auf diese Weise kommt auch die immer stärkere Verschlickung vor Neuwerk zustande.

Doch das Abkippen von ausgebaggertem Elbschlick hat auch sichtbare Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Viele Tierarten, die am Grund des Meeres leben, werden dadurch verdrängt und bedroht. So beispielsweise der Sandaal, der für sehr viele Tiere in der Nordsee eine wichtige Nahrungsgrundlage darstellt. Der Rückgang von verschiedenen Fischarten und Schalentieren hat dafür gesorgt, dass laut Carolin Rothfuß in diesem Jahr erstmals gar keine Brandseeschwalben mehr zum Brüten nach Neuwerk gekommen sind. Der seltene Vogel hat langsam, aber sicher kaum noch eine Nahrungsgrundlage mehr in der Nordsee.

Doch das liegt nicht nur am Schlick, sondern hat sicher noch viele andere Ursachen: Grundnetzfischerei schädigt komplexe Ökosysteme wie z.B. Seegraswiesen. Der BUND setzt sich deshalb dafür ein, dass in diese Form der Fischerei in Meeresschutzgebieten, nicht mehr stattfinden darf. Ein Beispiel dafür ist die Doggerbank, eine riesige Sandbank in der Nordsee, die in die Zuständigkeiten von Deutschland, Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden fällt. Hier treffen kalte und warme Wasserströme zusammen, der Algen- und Artenreichtum ist besonders groß. Doch der BUND beobachtet gerade hier auch das exzessive Fischen durch große Trawler am Grund. Sandaale, die dabei gefangen werden, kommen laut Isabelle häufig direkt in die Verarbeitung zu Fischmehl. Im sensiblen Ökosystem der Nordsee fehlen sie schmerzhaft!

Ein weiteres zunehmendes Problem in der Nordsee, über das ich mich mit den BUNDlerinnen intensiv ausgetauscht habe, ist Unterwasser-Lärm. Umso mehr auf dem Meer gebaut wird, beispielsweise auch Offshore-Windparks, umso öfter finden dort unter Wasser Bauarbeiten statt, die das sensible Gehör insbesondere der Schweinswale gefährlich durcheinanderbringen können. Und immerhin über 300.000 dieser tollen Tiere gibt es konstant in der Nordsee. Zu neuen Windparks müssen auch neue Leitungen gelegt, außerdem bestehende gewartet werden. Auch das erzeugt Lärm und viele der Leitungen laufen direkt durchs Watt.

Eine weitere Lärmquelle sind immer modernere Hochgeschwindigkeitsschiffe wie Wassertaxis und der Halunder Jet nach Helgoland. Der Verkehr mit ihnen nimmt kontinuierlich zu. Große Schiffe sind unter Wasser umso leiser, desto langsamer sie fahren. Auch das habe ich heute gelernt. Es macht somit durchaus ökologisch Sinn, ihre Geschwindigkeit zu begrenzen.

Was mich bei meinem Ausflug nach Neuwerk umwelt- und klimapolitisch aber auch positiv gestimmt hat: eine große Erfolgsgeschichte auf der Insel ist die Renaturierung der Salzwiesen im Osten, die schon Anfang der 2000er angegangen wurde und heute Heimat für eine große ökologische Vielfalt auf Neuwerk bietet. Warum Salz- und Seegraswiesen so wichtig sind – auch für natürlichen Klimaschutz, habe ich hier kürzlich in einem anderen Artikel erläutert.

Noch vieles mehr über Natur- und Meeresschutz im Wattenmeer und auch über die Ziele des BUND habe ich auf meinem Trip nach Neuwerk dank der intensiven Gespräche mit Isabelle, Doro, Marine und Caroline mitgenommen. Die Ausweisung von 10% streng geschützter Gebiete im deutschen Zuständigkeitsbereich des Meeres noch in dieser Legislatur oder auch die Deckelung der Plastikproduktion, um der Verschmutzung besser Einhalt zu gebieten, sind beispielsweise zwei sehr konkrete politische Ziele, die ich mit ins politische Berlin nehme. Bislang sind zwar bereits 45 Prozent der Meeresfläche unter Schutz gestellt, doch es mangelt häufig an der effektiven Umsetzung. Darum braucht es Gebiete, die unter eine strengere Schutzstufe fallen. Und für Schutz der Artenvielfalt und Seegraswiesen, Reduzierung des Unterwasser-Lärms und eine umweltverträglichere Fischerei setze ich mich außerdem ein und habe dank meiner Reise ins Wattenmeer nochmal besser verstanden, wo man da ansetzen kann und wie alles mit allem auch zusammenhängt in der Naturschutzpolitik.

Schützen und wiederherstellen: Natürliche Kohlenstoffaufnahme an den deutschen Küsten

Schützen und wiederherstellen: Natürliche Kohlenstoffaufnahme an den deutschen Küsten

Kohlendioxid (CO2) stellt bei Weitem den größten Anteil an Treibhausgasen dar und ist damit der Hauptversucher des Klimawandels. Um das 1,5-Grad-Klima-Ziel zu erreichen, muss Deutschland bis 2045 klimaneutral werden, also seine Treibhausgasemissionen auf Nettonull reduzieren.

Dazu braucht es verschiedenste Ansätze. Wir haben in der Ampel viele Maßnahmen auf dem Weg zur klimaneutralen Transformation gebracht. Zuletzt wird häufig auch über die CO2-Speicherung diskutiert, meistens in technischer Form (CCS: Carbone Capture and Storage).

Relativ unerforscht und unausgeschöpft bleiben aus meiner Sicht bisher natürliche Ansätze wie etwa durch Schutz, Wiederherstellung und Erweiterung vegetationsreicher Ökosysteme, die CO2 in großen Mengen aufnehmen und langfristig als gebundenen Kohlenstoff speichern – und das mit vielen Vorteilen für Mensch, Natur und Umwelt.

Wir haben mit dem grün geführten Umweltministerium deshalb das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz auf den Weg gebracht und großzügig mit Ressourcen hinterlegt. Denn Schutz und Wiederherstellung der Natur müssen einen höheren Stellenwert bekommen! Besonders großes, noch unausgeschöpftes Potential bergen in diesem Zusammenhang auch unsere Meere und Küsten. Denn gesunde marine und küstennahe Ökosysteme sind natürliche Speicherwerke des sogenannten „Blauen Kohlenstoffs“ (eng. Blue Carbon).

Ökosystemleistungen von vegetationsreichen Küstenökosystemen: Kohlenstoffsenken, Küstenschutz, Kinderstube für Biodiversität

Insbesondere vegetationsreiche Küstenökosysteme im Gezeiten- und Flachwasserbereich (bis 40 Meter Wassertiefe) wie etwa Salzmarschen, Seegraswiesen, Mangroven-, und Kelpwälder sind hochproduktive Kohlenstoffsenken. Sie machen zwar gerade einmal ca. 0,2% der globalen Meeresfläche aus, lagern aber einen signifikanten Teil des im Meer gelagerten Kohlenstoffs. Schätzungsweise nehmen sie derzeit 85 bis 250 Millionen Tonnen der weltweiten CO2-Emissionen pro Jahr auf und lagern den darin enthaltenen Kohlenstoff langfristig für Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende. Da viele Prozesse und Wechselwirkungen innerhalb dieser Biotope noch nicht vollständig verstanden bzw. erforscht worden sind, lässt sich nach derzeitiger Forschung nicht genauer abschätzen, wie viel Kohlenstoff im Zuge der pflanzlichen Atmung remittiert oder von Meeresbewohnern über die Aufnahme von Pflanzmaterial in Energie und Kohlenstoffdioxid verstoffwechselt wird. Fest steht jedoch: Die oftmals luftdicht abgeschlossenen Kohlenstofflager im Küstensediment können viele Jahrhunderte oder gar Jahrtausende überstehen, solange die sie schützenden Küstenbiotope zumindest erhalten bleiben oder – noch besser – wachsen und gedeihen können.

Die Kohlenstoffspeicherung funktioniert kurz erklärt so: Im Zuge ihrer Fotosynthese nehmen küstennahe Ökosysteme CO2 aus der Atmosphäre sowie aus dem Meerwasser auf, binden den darin enthaltenen Kohlenstoff und setzen Sauerstoff wiederum frei. Dadurch, dass die auf sandigem oder schlammigem Untergrund wachsenden Pflanzengemeinschaften in Mangrovenwäldern, Seegraswiesen und Salzmarschen allesamt Wurzeln bilden, stellt ihr Wurzelwerk einen lebendigen Kohlenstoffspeicher dar. Auch abgestorbene Pflanzenteile sind kleine Kohlenstofflagerstätten, die zu Boden sinken und im Küstensediment eingeschlossen werden. Da das Küstensediment sauerstoffarm und salzhaltig ist, ist es Mikroben nicht möglich, das organische Material zeitnah zu zersetzen.

Auf diese Weise lagern Mangrovenwälder, Seegraswiesen und Salzmarschen einen Großteil des gebundenen Kohlenstoffs im Meeresboden ein. Dabei sind die Küstenpflanzengemeinschaften um ein Vielfaches effizientere Kohlenstoffsenken als die Wälder an Land. So können sie je nach Standort schätzungsweise 5-30-mal mehr Kohlenstoff pro Fläche speichern als die tropischen Regenwälder. Als besonders effizient gelten die Seegraswiesen, die schätzungsweise 30-50-mal schneller Kohlenstoff speichern als der Wald.

Neben ihrer unschätzbaren Funktion als Kohlenstoffsenken bieten gesunde, vegetationsreiche Küstenökosysteme viele weitere Vorteile für Mensch, Tier und Natur: So sind die zahlreichen terrestrischen und marinen Tier- und Pflanzenarten sowohl Schutz als auch Nahrung. Schätzungsweise beheimatet eine 4000m²-Seegraswiese ca. 50 Millionen wirbellose Tiere wie Hummer, Muscheln und Garnelen, und rund 40.000 Fische, darunter auch den Nachwuchs beliebter Speisefische wie den Pazifischen Hering und den Atlantische Kabeljau. Außerdem produzieren Salzmarschen, Seegraswiesen, Mangroven- und Tangwälder viel Sauerstoff und filtern viele Krankheitserreger, Schweb-, Schmutz- und Schadstoffe aus dem Wasser.

Natürlicher Hochwasserschutz und das Problem schrumpfender Küstenökosysteme – auch in Deutschland

Gerade im Hinblick auf den Klimawandel kommt Küstenökosystemen auch eine andere wichtige Rolle zu: Sie schützen vor Hochwasser und Überschwemmung, da sie als Wellenbrecher sowohl Meeresströmungen als auch Sturmfluten ausbremsen und damit die Küsten vor Erosion schützen. Durch die Anhäufung von Sediment bieten sie zudem kontinuierlichen Schutz vor steigenden Meeresspiegeln.

Trotz oder gerade wegen ihrer vielfältigen Ökosystemleistungen wurden viele Küstenökosysteme durch menschliche Eingriffe und Aktivitäten in den letzten Jahrhunderten zerstört. Allein in den letzten 100-50 Jahren sind ca. 29% aller Seegraswiesen, bis zu 50% aller Salzmarschen, bis zu 50% der Mangrovenwälder sowie bis zu 60% der Tangwälder weltweit verschwunden. Insbesondere auch der menschengemachte Klimawandel setzt diesen Ökosystemen zu. So gehen ganze Gezeitenbereiche durch dauerhafte Überflutungen infolge des steigenden Meeresspiegels als Lebensraum verloren. Das Überleben unter Wasser ist für viele Organismen u.a. wegen Meeresversauerung und Sauerstoffarmut immer schwieriger. Extreme Wetterereignisse wie schwere Stürme oder Hitzewellen richten ihrerseits immer häufiger katastrophale Schäden an: Seegräser werden aus dem Boden gerissen, Mangroven entwurzelt, ganze Salzmarschen und Kelpwälder werden weggespült. Auch direkte menschliche Aktivitäten und Eingriffe wie etwa Grundnetzfischerei, Land- und Aquakulturwirtschaft, Überfischung, Meeresverschmutzung, Küstenbebauung sowie Staudamm- und Staustufeneinrichtungen wirken sich negativ auf die Fähigkeit und Kapazität dieser Ökosysteme aus, die Folgen des Klimawandels abzufedern.

An den deutschen Küsten sind viele Salzwiesen für landwirtschaftliche Zwecke umgestaltet und entwässert worden, so dass sie einen Großteil ihrer Kohlenstoffspeicherkapazität verloren haben. Allein an der Ostseeküste wurden im vergangenen Jahrhundert 95% der Salzwiesen eingedeicht. Viele dieser entwässerten Gebiete haben Moorböden. Durch die Entwässerung dringt Sauerstoff aus der Luft in den Moorboden ein. Dadurch löst sich das Moor buchstäblich in Luft auf, denn dabei wird der eingelagerte Kohlenstoff in Form von Kohlenstoffdioxid (CO2) sowie Lachgas freigesetzt und das Moor verliert an Volumen. In Mecklenburg-Vorpommern sind trockene Moore mit einem Anteil von ca. 40% leider der größte Einzelemittent von CO2 – noch vor Verkehr, Energie und Industrie.

Allein die noch erhaltenen Salzwiesen an der deutschen Nordseeküste lagern derzeit rund 6,64 Millionen Tonnen Kohlenstoff ein, was dem jährlichen Ausstoß von 2,5 Millionen Menschen in Deutschland entspricht. Um diese Speicherkapazität weiterhin zu erhalten und noch auszubauen, müssen die Wiesen regelmäßig mit Salzwasser überflutet werden.

Auch die deutschen Seegraswiesen sind stark geschrumpft. In der deutschen Ostsee insgesamt sind die Seegraswiesenbestände in den letzten 50 Jahren um über 25% zurückgegangen. So beträgt ihre Flächenbedeckung derzeit nur noch rund 300 Quadratkilometer. Besonders gravierend ist ihr Zustand an der niedersächsischen Küste, wo ein Seegraswiesenschwund von 97% zu verzeichnen ist. Die Hauptursache ist die schlechte Wasserqualität durch zu hohe Nährstoffbelastung. Im Niedersächsischen Wattenmeer wurden Seegraswiesen auch durch einen eingeschleppten invasiven Pilz großflächig vernichtet. Allein zwischen 2008 und 2019 wurde der Seegraswiesenbestand um mehr als die Hälfte reduziert. Der Trend setzt sich bis heute fort.

Die Kapazität einer Seegraswiese, Kohlenstoff zu speichern, hängt unter anderen von verschiedenen Standortfaktoren ab. Eine Hauptbedrohung ist auch schlechte Wasserqualität infolge von menschengemachtem Nährstoffeintrag. Vor allem in den Mündungsgebieten der deutschen Flüsse sind die Stickstoff- und Phosphorkonzentration zu hoch. Hauptsächlich stammen die Nährstoffe aus der Landwirtschaft sowie aus ungeklärtem Abwasser, aber auch aus dem Straßen- und Schiffsverkehr gelangen sie über die Luft in die Gewässer. Der Nährstoffeintrag schafft an einigen Orten perfekte Lebensbedingungen für Algenblüten, die die Seegraswiesen überwuchern können. Durch deren starken Zuwachs kann Sonnenlicht schlechter durchdringen, welches die Seegraswiesen für ihre Fotosynthese benötigen.

Eine andere Bedrohung stellt die Grundschleppnetzfischer dar, bei der u.a. lange Scherbretter eingesetzt werden, die in den Meeresboden eindringen und die Pflanzen teilweise herausreißen und zerstören. Zerstört und herausgerissen werden die Seegraswiesen auch von starkem Wellengang oder hohen Strömungsgeschwindigkeiten. Seegraswiesen sind heutzutage aufgrund des Klimawandels Wassertemperaturen zwischen 0 und 35 C° ausgesetzt. Besonders gut gedeihen und wachsen können sie jedoch bei Wassertemperaturen zwischen 10 und 20 C°. So lässt sich bereits bei Temperaturen ab 25 C° wie etwa in der in der westlichen Ostsee eine höhere Sterblichkeit der Seegraswiesen beobachten.

Schützen, wiederherstellen und erweitern: Maßnahmen zur Verbesserung der Kohlenstoffaufnahme an den deutschen Küsten im internationalen Kontext

Angesichts der geschilderten massiven Zerstörung und vor dem Hintergrund ihres Mehrfachnutzens müssen Küstenökosysteme stärker als bislang in den Fokus von Schutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen rücken – gerade auch im Hinblick auf die Umsetzung des EU Nature Restoration Law, das uns zur Renaturierung verpflichtet.

Durch die Ausrufung der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen haben der Schutz und die Wiederherstellung intakter Ökosysteme an Land und Meer zudem auch international an Bedeutung gewonnen. Es das erklärte Ziel der Vereinten Nationen, bis 2030 eine Trendwende zu erreichen, indem zerstörte und geschädigte Ökosysteme überall auf der Welt wiederhergestellt werden.

Diesem Ziel haben sich auch die Europäische Union und Deutschland verpflichtet. Ein Kernelement der EU-Biodiversitätsstrategie ist auch die bereits erwähnte EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, die Ende Juni 2024 final beschlossen wurde. Die Verordnung verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten dazu, bis 2030 Wiederherstellungsmaßnahmen auf mindestens 20% der Flächen an Land im Meer umsetzen. Damit also auch in der deutschen Nord- und Ostsee. Zentrales Instrument im Nature Restauration Law (NRL) sind die nationalen Wiederherstellungspläne, in denen die Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten darlegen müssen, welche Ziele sie mit welchen Maßnahmen, über welchen Zeitraum und mit welchen finanziellen Mitteln erreichen wollen.

Mit dem Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) ist die Bundesregierung unter der Federführung des grünen Umweltministeriums bereits einen wichtigen Schritt vorausgegangen. Bis 2027 stehen im Rahmen des ANK 3,5 Milliarden Euro u.a. für Maßnahmen zur Wiederherstellung sowie für klimafreundliche und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen zur Verfügung. Gefördert werden auch Projekte zur Erhaltung und zum Wiederaufbau von Salzwiesen, Seegraswiesen, Kelpwäldern sowie die Vorlauf- und Begleitforschung zur Stärkung ihres Beitrags zum Natürlichen Klimaschutz

Dabei bedeutet Wiederherstellung nicht zwingend, aufwendige und kostspielige Maßnahmen anzugehen. Bei der passiven Wiederherstellung geht es in erster Linie darum, gezielt Bedingungen zu schaffen, bei denen die natürliche Regeneration des Ökosystems begünstigt, beschleunigt oder erst möglich gemacht wird. Hierbei reicht es oft, die menschlichen Eingriffe zu reduzieren und das Ökosystem sich selbst zu überlassen. Klassische Beispiele dafür sind die Errichtung von nutzungsfreien Schutz- und Ruhezonen, die Reduzierung von Nährstoffeinträgen oder die Vermeidung von Überfischung.

 Die Maßnahmen der aktiven Renaturierung reichen von der Wiedervernässung von Salzwiesen und Mooren bis hin zum Wiederanpflanzen von bestimmten Pflanzen wie etwa Seegras und Algen, wobei Letzteres derzeit noch erforscht wird.

Neben der aktiven und passiven Wiederherstellung gibt es noch eine weitere Methode, die sich jedoch noch in der Erforschung befindet: die gezielte Erweiterung von bestimmten Ökosystemen, bei dem ein sogenannter Ökosystem-Design-Ansatz angestrebt wird. Demzufolge könnten hochproduktive Küstenökosysteme nicht nur geschützt und wiederhergestellt werden, sondern auch aktiv über ihre verloren gegangenen Flächen hinaus geschaffen werden. Dies bedeutet auch, dass Mangrovenwälder, Seegraswiesen, Tangwälder und Salzmarschen auch in jenen Gebieten neu angepflanzt werden, wo sie bislang auf natürliche Weise noch nicht vorgekommen sind. Die großflächige Ausweitung vegetationsreicher Ökosysteme wäre jedoch mit einem enormen technischen und finanziellen Aufwand verbunden und ginge auch zu Lasten anderer Ökosysteme wie etwa Wattflächen oder Sandstränden. Daher wirft dieser Ansatz derzeit noch viele Fragen auf, die zunächst diskutiert und abgewogen werden müssen – auch im Gespräch mit der lokalen Bevölkerung.

Interview: „Regen muss versickern können“

Interview: „Regen muss versickern können“

Der Regen der letzten Wochen hat die Grundwasserspeicher gefüllt. Trotzdem mahne ich im Interview mit der Zeitung „Das Parlament“ an, das Grundwasser besser zu schützen. Böden müssen mehr entsiegelt werden.

Hier das komplette Interview zum Nachlesen:

Frau Heitmann, die Bundesregierung hat im März 2023 die Nationale Wasserstrategie beschlossen, um angesichts zunehmender Dürren und Hochwasser die Verfügbarkeit von Trinkwasser langfristig zu sichern. Sie enthält ein Aktionsprogramm mit 78 konkreten Maßnahmen, wie etwa die Renaturierung von Flüssen, die Entsiegelung von Flächen und die Ertüchtigung der Wasserinfrastruktur. Was die Umsetzung betrifft, hat man seither nicht viel gehört. Warum?

Linda Heitmann: Die Umsetzung ist oft vor allem Verwaltungshandeln, von dem man tatsächlich öffentlich nicht viel mitbekommt. Aber hinter den Kulissen läuft einiges. So treffen sich regelmäßig die Fachleute von Bund und Ländern, um Maßnahmen abzustimmen, die vordringlich angegangen werden sollen – wie etwa ein bundesweites Grundwassermonitoring. Ziel ist es, Neubildung und Entnahme von Grundwasser besser als jetzt im Blick zu haben.

Wäre es nicht wichtig, schneller ins Handeln zu kommen? Auch wenn es zuletzt viel geregnet hat, gehört Deutschland doch zu den Ländern, deren Grundwasserspeicher zuletzt stark geschrumpft waren.

Linda Heitmann: Ja, der Rückgang des Grundwassers war besorgniserregend. Aber aus meiner Sicht widerspricht es sich nicht, Pläne zu machen und bereits erste Maßnahmen umzusetzen. Und das passiert längst.

Um welche Maßnahmen geht es?

Linda Heitmann: Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, für das 3,5 Milliarden Euro bis 2027 zur Verfügung stehen, werden schon jetzt Projekte zur Wiedervernässung von Mooren und Renaturierung von Flussauen finanziell unterstützt. Auch Maßnahmen zur Verringerung von Schadstoffeinträgen in Gewässer, etwa durch die Ausstattung von Klärwerken mit einer vierten Klärstufe, laufen.

Diese braucht es, weil das Abwasser verstärkt mit Medikamentenrückständen, Hormonen und Mikroplastik belastet ist, welche die meisten Kläranlagen nicht herausfiltern können. Nach der neugefassten EU-Abwasserrichtline sollen bis 2035 zunächst alle großen Kläranlagen eine solche vierte Klärstufe bekommen.

Linda Heitmann: Wir wollen aber auch Kläranlagen entlasten, indem wir leicht verschmutztes Grauwasser als Brauchwasser nutzen. Das hilft auch, Trinkwasser einzusparen. Wie das funktionieren kann, testet meine Heimatstadt Hamburg gerade in einem Wasserrecycling-Projekt. In den Haushalten eines neuen Wohnviertels, der Jenfelder Au, wird Wasser vom Duschen, Spülen oder Wäschewaschen vom sogenannten Schwarzwasser aus der Toilette getrennt, vor Ort wieder gereinigt und erneut verwendet: zum Beispiel für die Toilettenspülung, die Gartenbewässerung oder als Brauchwasser in Gewerbe und Landwirtschaft.

Wie viel Wasser kann denn so eingespart werden?

Linda Heitmann: Fast 30 Prozent des täglichen Trinkwasserverbrauchs entfallen auf die Toilettenspülung. Hinzu kommt das, was sonst für die Gartenbewässerung genutzt würde. Solche Konzepte können kommunalen Wasserversorgern bei Nutzungskonflikten helfen.

Genau für solche Nutzungskonflikte mit Industrie und Landwirtschaft fordert der Deutsche Städtetag Leitlinien. Auch die Wasserstrategie sieht die Erarbeitung solcher Leitlinien vor. Gibt es sie bereits?

Linda Heitmann: Fachleute der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser erarbeiten sie derzeit. Wie brisant Wassernutzungskonflikte werden können, habe ich in Spanien gesehen. Illegale Brunnenbohrungen zur Bewässerung von Erdbeerplantagen bedrohten ein Naturschutzgebiet – und lösten einen großen politischen Streit aus.

Auch bei uns nehmen Wasserkonflikte zu: Die um Tesla und Coca-Cola sind prominent. Wie helfen hier Leitlinien?

Linda Heitmann: Sie sollen ein Leitfaden für Behörden sein, die bei Wasserknappheit entscheiden müssen, wer vorrangig Wasser nutzen darf.

Und wer sollte das sein?

Linda Heitmann: Aus meiner Sicht, und so steht es auch in der Nationalen Wasserstrategie, muss die öffentliche Trinkwasserversorgung Priorität haben. Wasser ist schließlich unser wichtigstes Lebensmittel.

Die besondere Bedeutung der Trinkwasserversorgung wird dort zwar betont, aber ebenso die Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung. Müsste der Vorrang der öffentlichen Trinkwasserversorgung nicht klarer formuliert werden?

Linda Heitmann: Ich finde es richtig, die Lebensmittelproduktion mit hoher Priorität zu behandeln, denn natürlich ist sie notwendig – und notwendiger als andere Industriegüter. Was als Lebensmittel gilt, muss man sich aber genau ansehen und abwägen.

Die Bundesländer erheben unterschiedlich hohe Entgelte für Wasser aus dem Grund oder aus Flüssen und Seen. In Hessen, Bayern und Baden-Württemberg müssen Industrie und Landwirtschaft gar nichts für die Entnahme von Wasser zahlen. Sollte Wasser nicht überall in Deutschland gleich viel kosten?

Linda Heitmann: Ich halte einheitliche Wasserentgelte für sinnvoll, damit Unternehmen sich nicht ihren Standort danach aussuchen, wo das Wasser am günstigsten ist. Wir sollten einen Standortwettbewerb auf Kosten der Umwelt unbedingt vermeiden.

Screenshot von das-parlament.de

Die Bundesregierung hat angekündigt, eine einheitliche Regelung zu prüfen. Gibt es schon ein Ergebnis?

Linda Heitmann: Die Verhandlungen in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe laufen. Und es ist auch nachvollziehbar, dass dies nicht öffentlich, sondern intern passiert.

Umweltverbände fordern, Wasser zu verteuern, um einen Sparanreiz zu setzen. Mehreinnahmen könnten für die Wiederherstellung von Flüssen genutzt werden, von denen nur acht Prozent in einem guten Zustand sind.

Linda Heitmann: Mit Entnahmeentgelten und der neugefassten EU-Abwasserrichtlinie, die erstmalig eine Herstellerverantwortung einführt, werden einige Nutzer künftig zusätzlich zur Kasse gebeten. Ich würde den Sparanreiz aber nicht überschätzen. Mit Geld lässt sich zudem nur begrenzt Schaden wieder gutmachen. Unser Hauptaugenmerk sollte sein, unsere Gewässer wirklich zu schützen. Deswegen arbeiten wir an politischen Maßnahmen wie dem Düngegesetz und der EU-Düngeverordnung, um den Schadstoffeintrag durch die massive Düngung auf landwirtschaftlichen Flächen von vorneherein zu reduzieren.

Das Düngesetz ist im Bundesrat gerade gescheitert – und damit die geplante Neuregelung für einen besseren Schutz des Grundwassers. Wie ist Ihre Reaktion?

Linda Heitmann: Es ärgert mich, dass einzelne Bundesländer auf Kosten der Wasserreinheit und der Gesundheit aller politische Spielchen spielen. Durch die Blockade im Bundesrat drohen uns nun die Wiederaufnahme des EU-Vertragsverletzungsverfahren und hohe Strafzahlungen.

Die Wasserstrategie sieht die Förderung von „Schwammstädten“ vor, in denen Regenwasser in Zisternen gespeichert oder im Boden versickern kann, anstatt direkt mit dem Abwasser entsorgt zu werden. Ein solcher Stadtumbau verursacht aber Kosten – und Konflikte, weil durch Entsiegelung Flächen verloren gehen. Braucht es bundesweite gesetzliche Vorgaben, die „Wasserversorgungsvorhaben“ Priorität einräumen?

Linda Heitmann: Jedenfalls müssen wir mit Förderprogrammen die nötigen Anreize setzen. Wir sehen überall die Nutzungskonflikte: Wohnungsbau, Gewerbe, Verkehr, Landwirtschaft und Naturschutz konkurrieren um Flächen. Es braucht hier eine Priorisierung für Entsiegelung, denn Wasser ist unsere Lebensgrundlage. Damit sich genügend im Grund neu bilden kann, muss so viel Regen wie möglich versickern können.


Das vollständige Interview sowie weiterführende Links sind auf der Website von „Das Parlament“ zu finden.

Das Interview wurde unter anderem aufgegriffen von der Oldenburger Onlinezeitung, rechtundpolitik.com, hasepost.de, madeinbocholt.de, klamm.de und eu-schwerbehinderung.eu.

Spannender Rundgang im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie

Spannender Rundgang im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie

Gemeinsam mit rund 40 Interessierten konnte ich gestern das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) besichtigen.

Die Sturmflutvorhersage, die marine Werkstatt und der Navigationssimulator waren dabei die Stationen, die wir uns genauer angucken und Mitarbeitende mit Fragen löchern konnten. Wenn der Meeresspiegel sich verändert oder es an der Nordseeküste mal ordentlich stürmt, ist der Sturmflutwarndienst des BSH der erste, der es erfährt, die Informationen frühzeitig veröffentlicht und an die lokalen Behörden gibt. Dieses Frühwarnsystem besteht schon seit 100 Jahren und lädt am 28. September 2024 zum runden Jubiläum ein.

Ein zuverlässig funktionierendes Navigations- und Kommunikationssystem ist auf dem offenen Meer ein lebenswichtiges Tool. Um sicherzustellen, dass alle Schiffe auf den deutschen Wasserstraßen auch mit intakten Systemen fahren, die auch stürmischen Wind- und Wetterverhältnissen Stand halten, prüft und optimiert das BSH diese in verschiedenen Stresssituationen in ihrem Systemlabor mit Navigationssimulatoren. Es war auf jeden Fall ein spannendes Erlebnis, virtuell ein Schiff durch den Hamburger Hafen bis nach Blankenese zu steuern.

Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, erhebt das BSH in regelmäßigen Abständen und teilweise über einen längeren Zeitraum sehr viele Daten. Da nicht alle Geräte auf dem Markt meerestauglich sind, hat das BSH auch eine eigene Werkstatt, in der sie verschiedene Geräte und Gerüste bauen, die zum Datensammeln auf den Meeresgrund abgelassen werden. So durften wir Gestelle mit Seepocken-Resten begutachten, die hier gefertigt wurden und mit diversen Messgeräten ausgestattet auf dem Meeresgrund in der Nordsee Daten gesammelt haben.

In meiner Funktion als umweltpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion hatte ich mit dem BSH in den letzten Monaten mehrmals Kontakt und finde hochspannend, was hier mit Blick auf die Elbe hinter roten Backsteinmauern alles passiert: Das Bundesamt forscht eigenständig, vergibt und prüft Lizenzen und arbeitet unterschiedlichen Bundesministerien wie Umwelt-, Wirtschafts- und auch Verkehrsministerium zu.

Einen großen Dank an Herrn Heegewaldt und Herrn Fröhlich sowie ihr gesamtes Team, dass dieser Einblick möglich war. Sofern es in die Terminkalender passt, werden wir das gern wiederholen und beispielsweise das Seekartenarchiv des BSH besichtigen. Denn es gibt noch verdammt viel zu entdecken – nicht nur in den Weiten des Meeres selbst, sondern auch im BSH auf St. Pauli an der Elbe.

Maritimes Hauptstadtforum in Kiel

Maritimes Hauptstadtforum in Kiel

Landstromversorgung von Schiffen, Zukunftsperspektiven des Kieler Hafens und der Werften sowie Nutzung des Nord-Ostsee-Kanals und Friedenssicherung auf der Ostsee – viel hab ich gelernt und gesehen an einem spannenden Tag in Kiel.

Einmal jährlich organisiert das Maritime Hauptstadtforum für Mitglieder und Mitarbeitende des Bundestages Termine an der deutschen Küste, um für maritime Themen zu sensibilisieren.

Im Rahmen dessen konnte ich selbst einmal austesten, wie schwer so ein Landstrom-Stecker für Schiffe ist. Es brauchte 2-3 Personen, um eines der 5 Steckermodule anzuheben. Aber das ist auch ne gute Sache: ab 2030 gilt in der EU Landstrompflicht für Schiffe, das hält die Luft während der Liegezeiten sauber und ist damit ein wichtiger Beitrag zum Klima- und Umweltschutz.

Auch über die Sicherung kritischer Infrastruktur in der Ostsee, z.B. Seekabel Richtung Finnland, habe ich einiges gelernt und dass Schiffe im Nord-Ostsee-Kanal höchstens 12 km/h fahren dürfen und damit trotzdem noch Sprit und Zeit sparen, wenn sie diesen Weg statt des Bogens über den Öresund nutzen.

Danke ans Hauptstadtforum für die spannenden Einblicke. Als norddeutsches „Kind von der Küste“ und Umweltpolitikerin war das garantiert nicht mein letzter Besuch in Kiel. Auf bald!