Als Abgeordnete können wir alle zwei bis drei Jahre Stipendiat*innen für das Parlamentarische Patenschaftsprogramm (PPP) auswählen, die ein Schuljahr in den USA verbringen werden. Gleichzeitig kommen Schüler*innen aus den USA nach Deutschland und besuchen hier die Schule.
Für das Programm werden in Deutschland immer wieder Gastfamiliengesucht. Bei Interesse kann sich gern in meinem Büro oder direkt hier beim PPP gemeldet werden.
Über das Programm habe ich 2022 Keisha aus Bahrenfeld ein Auslandsschuljahr ermöglicht. Nun ist sie wieder zurück und wir haben uns zu einem spannenden Austausch getroffen. Auch hat Keisha ihre spannenden Erfahrungen aufgeschrieben:
Als ich im Januar 2022 die Bestätigung für das Stipendium erhielt, hat das Abenteuer angefangen. Nun musste ich alle wichtigen Dokumente einreichen und nahm an der YFU VBT (Vorbereitungstagung) im Juni 2022 in Würzburg teil. Dort habe ich nicht nur viel über die US-amerikanische Geschichte, das Leben in einem fremden Land, und den dazugehörigen Kulturschock gelernt, sondern auch über meine Gefühle, Erwartungen und Ängste gesprochen, sowie auch Freunde gefunden, die all diese mit mir teilten.
Am 1. September 2022 ging es endlich los. Spät abends kam ich in Tucson, Arizona, an und wurde herzlich von meinen Gasteltern in Empfang genommen. Die ersten Tage waren wunderschön und gleichzeitig total surreal. Es hat ein paar Wochen gebraucht um wirklich zu realisieren, dass ich die nächsten 10 Monate in den USA leben würde. Es hat sich wie ein Traum angefühlt, alles war so wunderschön und anders, besonders die Natur in Arizona war atemberaubend. Ich hatte mein eigenes Zimmer, keine Gastgeschwister aber dafür drei Gasthunde und eine Katze, die ich sehr in mein Herz geschlossen habe.
Zur Schule habe ich den gelben Schulbus genommen. Die Fahrt dauerte 15 Minuten, da meine Schule im nächsten Ort war. Meine High School hatte etwa 1200 Schüler und ein riesiges Football Feld, einen Tennisplatz, einen Baseballplatz und einen Fußballplatz.
Ich hatte nur 6 Fächer, was mir persönlich sehr wenig vorkam; die Sportangebote waren dafür umso größer. Ich selbst habe mich für Tennis entschieden. Meistens war ich gegen 18:30 Uhr zuhause, wo ich immer zusammen mit meiner Familie zu Abend gegessen habe. Da meine beiden Gasteltern von zuhause gearbeitet haben, habe ich sehr viel Zeit mit ihnen verbringen können. Und auch am Wochenende sind wir oft nach Tucson gefahren, da der Ort in dem wir lebten sehr klein war und man nicht viel unternehmen konnte. In den Herbstferien sind wir weggefahren, nach Los Angeles; dass war einer meiner Highlights des Austausches. Der Walk of Fame, das Hollywood Sign, und das Getty Center Museum haben mir am besten gefallen.
Nach den Ferien habe ich in der Schule und auch meiner Gastfamilie einen Vortrag über Deutschland gehalten. Mit diesem Vortrag habe ich über das Deutsche Regierungs- und Wahlsystem informiert, wie dieses sich von dem amerikanischen unterscheidet und welche Vorteile, oder auch Nachteile es hat. Ebenso habe ich über das deutsche Schulsystem und ganz allgemein über Deutschland gesprochen. Mir war es wichtig, die Rolle als Junior Botschafterin ernst zu nehmen und zu versuchen, den Amerikanern Einblicke in meinen ganz persönlichen Alltag zu ermöglichen, aber auch die politischen Unterschiede aufzuzeigen; und natürlich auch welche Normen und Traditionen in Deutschland gelten und diese wertfrei mit den amerikanischen zu vergleichen, war mir ein Anliegen.
Auch in Washington D.C. hatte ich die Möglichkeit mit den Mitarbeitern des Senators von Arizona mich über meinen Austausch zu unterhalten und über die Politik, wobei ich ehrlicherweise sagen muss, dass diese eher weniger thematisiert wurde. Hauptsächlich ging es um meine Erfahrungen, Eindrücke und Gefühle. Besonders beeindruckt haben mich die vielen Museen, die wir in Washington D.C. besichtigt haben.
Nachdem ich das erste Mal in meinem Leben Weihnachtenbei warmem Wetter mit meiner Gastfamilie gefeiert hatte, wechselte ich zu einer Familie in Ohio. Es war von Anfang an klar, dass ich nur 4 Monate in der ersten Familie bleiben und danach wechseln würde. Jedoch dachte ich, dass ich in Arizona neu platziert werden würde.
Meine Familie in Ohio bestand aus meinen beiden Gasteltern, 5 Gastgeschwistern und zwei Hunden. Anfangs war ich total überfordert mit einer so großen Familie und vor allem damit, dass ich kein eigenes Zimmer hatte, da ich als Einzelkind das von zuhause gewohnt bin. Doch schon relativ schnell wuchsen mir alle Familienmitglieder ans Herz und jetzt, da ich wieder in Deutschland bin, vermisse ich sie alle. In Ohio war mein Alltag ein ganzer anderer als der in Arizona; nicht nur hatte ich von nun an die Rolle der großen Schwester, an welcher ich sehr viel Gefallen gefunden habe, sondern habe ich auch Rudern als neues Hobby und Schulsport für mich entdeckt. Jeden Tag, Montag bis Freitag von 16:00-18:00 Uhr und Samstag von 08:00-10:00 Uhr, hatte ich Training, welches extrem anstrengend war und mich oft bis an meine Grenzen gebracht hat. Wir hatten mehrere Wettkämpfe, auch außerhalb von Ohio, in anderen Staaten. Bei der Scholastic Championship in Michigan haben wir den ersten Platz erreicht. Immer wieder habe ich zwischendurch Freiwilligenarbeit an verschiedenen Orten geleistet. Am besten hat mir das Food-House gefallen, in dem Obdachlose und Personen mit geringem Einkommen Essen vergünstigt, oder auch umsonst bekamen. Dort habe ich geholfen das Essen für die Menschen zuzubereiten, und es war jedes Mal aufs Neue schön zu sehen, wie dankbar dir die Menschen für die Arbeit und deine Hilfe sind. Auch die Kleiderkammer, in der ich gearbeitet habe, indem ich Bücher einsortierte, Schuhe putzte und reparierte und Kleidung sortierte, hat mir sehr gefallen. Durch die Freiwilligenarbeit wurde mir bewusst, was für ein privilegiertes Leben ich habe und dass ich viel zu selten wertschätze, was ich als Selbstverständlichkeit sehe.
Am 28. Mai 2023 fand meine grauduation statt, mit Cap and Gown wie man es aus den High School Filmen kennt. Meine Gasteltern haben die ganze Familie eingeladen und wir haben zusammen meinen amerikanischen High School Abschluss gefeiert.
Kurz danach bin ich mit einer Freundin nach New York City geflogen und habe dort drei Tage mit ihr verbracht. NYC war das Highlight meines ganzen Austausches, ich habe es geliebt. Der Times Square hat mir am besten gefallen, aber auch die Statue of Liberty und Coney Island waren beeindruckend.
Dieser Austausch hat mich in vieler Hinsicht weitergebracht. Zum einen bin ich selbstständiger und selbstbewusster geworden, habe gelernt mit schwierigen Situationen umzugehen und die dazugehörige Kommunikation und Geduld, die das erfordert. Ich habe mich in meiner Persönlichkeit weiterentwickelt und auch sehr viel über mich gelernt. Ich bin als anderer Mensch zurückgekommen und habe im Auslandsjahr eine ganz neue Seite von mir kennen gelernt und erschaffen, eine Stärke entwickelt und Erfahrungen gemacht, die mir keiner mehr nehmen kann. Dazu bin ich selbstverständlich viel sicherer in der englischen Sprache geworden und auch viel weltoffener und neugieriger andere Kulturen kennenzulernen. Diese Welt hat so viel zu bieten und es ist wichtig, dass man andere Werte und Normen kennen und verstehen lernt, da es dazu beiträgt einander zu verstehen und Vorurteile abzubauen. Ich bin unglaublich dankbar für diese Erfahrung, die mir durch das PPP ermöglicht wurde und würde einen solchen Austausch jederzeit weiterempfehlen.
Auch in diesem Jahr wurde für viele Menschen der Weg in den erholsamen Urlaub zu einigem Stress: Stornierte oder verspätete Flüge machen den Urlaubsstart zum Chaos – und oft müssen Verbraucher*innen lange auf ihre Entschädigung warten. Dazu habe ich heute ein Statement veröffentlicht:
„Die aktuellen Zahlen aus dem Flugverkehr zeigen systemische Probleme von Flughäfen und Airlines, die auf dem Rücken der Kund*innen ausgetragen werden. Trotz gestiegener Preise hapert es an Service, Verlässlichkeit und Rückzahlungsbereitschaft – das ist nicht akzeptabel. Verkehrsminister Wissing sollte das Luftfahrtbundesamt beauftragen, systematisch die Branche zu untersuchen, um die Verbraucherrechte zu verbessern. Es ist überfällig, die schon im Koalitionsvertrag vereinbarten Aufsichtsbefugnisse für das Luftfahrtbundesamt zu erweitern.
Justizminister Buschmann, der für Fluggastrechte zuständig ist, muss nun ebenfalls zeitnah den Koalitionsvertrag umsetzen und einen Vorschlag machen, wie automatisierte Entschädigungen bei Flugverspätungen oder Ausfällen geregelt werden können. Wir sollten auch darüber nachdenken, ob die aktuellen Entschädigungssummen der Fluggastrechteverordnung noch den gestiegenen Ticketpreisen entsprechen.“
Auch das Handelsblatt hat mein Statement dazu aufgegriffen, den Artikel (hinter der Paywall) findet Ihr hier.
Das @flightright_DE-Ranking erfasst alle Abflüge der 20 Airlines, die europaweit die meisten Starts zwischen 22. Juni und 5. September 2023 durchgeführt haben. Das Ergebnis: Vor allem auf deutsche Fluggesellschaften war mitunter kein Verlass. https://t.co/GQshGJFkav
Im Bundestag diskutieren wir dieser Woche den Haushaltsplan für 2024. In der Debatte zum Budget des Gesundheitsministeriums habe ich dabei den Blick auf die aktuellen Zahlen zu Drogenkonsum und -sucht in Deutschland geworfen.
Während der Staat einerseits z.B. durch die Tabaksteuer viel Geld einnimmt, entstehen dem Gesundheitssystem durch die Folgekosten des Drogenkonsums hohe Kosten. Darum ist es wichtig, dass wir bei Suchtprävention nicht hinter den Status Quo der Ausgaben zurückfallen.
Wichtig ist mir aber auch: In der Prävention kann man auch ohne Finanzausgaben Erfolge erzielen, z.B. durch die strengere Regulierung von Werbung für Alkohol.
Gute Nachrichten für Verbraucher*innen! Das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat heute die Eckpunkte des „Weniger-Verpackungsmüll-Gesetz“ vorgelegt. Für Verbraucher*innen gibt es mehr Angebote und mehr Rechte:
Die globale Plastikvermüllung hat mittlerweile katastrophale Ausmaße angenommen und bedroht überall auf der Welt Mensch und Natur. Deutschland ist in der EU Müll-Spitzenreiter: Jedes Jahr fallen bei uns über 230 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf an. Allerdings: Viele Verbraucher*innen wollen gerne auf umweltfreundliche und plastikfreie Alternativen umsteigen, allerdings fehlt es oft an ausreichenden Angeboten. Darum ist es als Politik unsere Aufgabe, Rahmenbedingungen zu setzen, Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, und Angebote für Verbraucher*innen zu schaffen. Mit dem neuen Gesetz schützen wir die Umwelt, bremsen die Vermüllung und stärken Verbraucher*innen.
Konkret sieht das Gesetz verschiedene Verbesserungen vor. Im To-Go-Bereich wird die bestehende Pflicht für eine Mehrwegalternative ausgeweitet. Künftig muss nicht nur für Plastikverpackungen, sondern für Verpackungen aus allen Materialien ein Mehrwegangebot gemacht werden. Für den Verzehr im Imbiss vor Ort wird Einweggeschirr komplett verbannt. An der Pommesbude aber auch im Fastfood-Laden wird künftig mit Mehrweggeschirr gegessen.
Doch auch außerhalb der Gastronomie gibt es Verbesserungen: Supermärkte müssen für Bier, Milch, Saft und weitere alkoholfreie Getränke immer mindestens eine Mehrwegalternative anbieten. Dabei wird auch an die Rückgabe gedacht: Jede*r kennt das Problem, dass Mehrweggetränke am Pfandautomaten nicht zurückgenommen werden, weil der Supermarkt nur bestimmte Flaschen zurücknimmt. Damit ist Schluss: Alle Geschäfte in den Getränke verkauft werden, müssen auch alle Mehrwegflaschen zurücknehmen. Das Gesetz gilt für alle Geschäfte ab 200 Quadratmeter Verkaufsfläche.
Besonders wichtig für Verbraucher*innen: Schluss mit Mogelpackungen! Immer wieder versuchen Unternehmen, die Füllmenge eines Produktes zu verringern, obwohl die Verpackungsgröße sich nicht verändert. Durch die gleichbleibende Verpackung fällt die Veränderung der Füllmenge beim Einkaufen nicht auf, in der Praxis zahlt man also gleich viel Geld für weniger Inhalt – eine verstecke Preiserhöhung. Mit dieser Praxis machen wir Schluss, wenn im Produkt weniger drin ist, wird das zukünftig direkt im Einkauf sichtbar.
Meine Bilanz: Mit dem Weniger-Verpackungsmüll-Gesetz schaffen wir viele wichtige Änderungen, die Verbraucher*innenschützer schon lange fordern. Ich freue mich darauf, das Gesetz im Umweltausschuss zu begleiten und die Stärkungen für Verbraucher*innen zu erkämpfen – damit Verpackungsmüll bald der Vergangenheit angehört!
Die Verbandsklage ist ein Meilenstein für mehr Verbraucherschutz und ein zentrales Vorhaben dieser Wahlperiode. Nach konstruktiven Diskussionen innerhalb der Koalition haben wir nun einen wirklich gutes und verbraucherfreundliches Gesetz im Bundestag verabschiedet. In meiner Rede habe ich unterstrichen
warum das späte Opt-in hilft, Verbraucher*innen zu ihren Recht zu verhalfen
inwiefern das Verbraucherschutzministerium geholfen hat, den ersten Entwurf deutlich zu verbessern,
wie Passagiere eines verspäteten Fluges künftig schneller an ihre Entschädigung kommen,
inwiefern wir die Klageanforderungen für Verbände senken konnten und
warum die Verbandsklage auch für Unternehmen Vorteile bietet.
Plädoyer für eine gesundheitsorientierte Reform des Straf- und Maßregelvollzugs. Gemeinsames Autor*innen-Papier mit den Grünen Gesundheits- und Rechtspolitiker*innen Canan Bayram MdB, Dr. Kirsten Kappert-Gonther MdB, Toni Schuberl MdL und Kerstin Celina MdL zur Debatte um die Versorgung von psychisch- und suchtkranken Straffälligen
Der Bundestag hat gerade unter dem Titel der Reform des Sanktionenrechts über die Neufassung verschiedener Paragrafen im Strafgesetzbuch beraten. Grundlage hierfür war die vorangegangene Arbeit einer parteiübergreifenden Bund-Länder Gruppe. In der Zusammenarbeit wurden rechtspolitisch gute Ergebnisse erzielt, um die akuten Missstände anzugehen und einen Systemcrash abzuwenden.
Der Gesetzentwurf ist daher aus gesundheits- und rechtspolitischer Perspektive ein guter Anfang. Er kann jedoch nur die Ausgangslage bilden für die weitere gesellschaftlich offen geführte Debatte über die Reformierung des Maßregelvollzugs nach Paragraf 64 Strafgesetzbuch (StGB). Mittel- und langfristig muss ein Gesamtkonzept erarbeitet werden, das auch die Perspektive des Justizvollzug sowie der ambulanten, gemeindespsychiatrischen und stationären Versorgung in Freiheit mitdenkt.
Paragraf 64 StGB regelt, inwiefern suchtkranke Straftäter*innen, bei denen die Tat auf den Konsum von Alkohol oder andere Betäubungsmitteln zurückzuführen ist und die eine Bereitschaft zur Behandlung haben, im Zuge ihrer Verurteilung in den Maßregelvollzug anstatt in den regulären Vollzug kommen. Die aktuell diskutierte Reform ist darauf angelegt, den Maßregelvollzug – eine klinische Therapieeinrichtung für psychisch- und suchtkranke Menschen – dauerhaft zu entlasten. Wir gehen daher davon aus, dass künftig dadurch deutlich mehr suchtkranke Straftäter*innen in regulären Haftanstalten untergebracht werden. Das bleibt solange unbefriedigend, wie die Versorgung von psychisch- und suchtkranken Häftlingen in Justizvollzugsanstalten deutlich schlechter ist als im klinischen Setting des Maßregelvollzugs. Es ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, – auch vor dem Interessenshintergrund einer erfolgreichen Rehabilitation und dem Menschenrecht auf gute Gesundheitsversorgung, – straffällige Menschen vernünftig medizinisch und therapeutisch zu behandeln, wenn sie den Willen dazu zeigen.
Aus unserer Sicht kann das nur gelingen, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen, um hier die Voraussetzungen und Bedingungen deutlich zu verbessern. Dafür legen wir fünf konkrete Vorschläge vor:
Angleichung der Bedingungen zur Versorgung therapiewilliger Sucht- und psychisch Kranker in Haft
Das Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht, das auch für Personen in Gefangenschaft gelten muss: Im Maßregelvollzug nach § 64 StGB sowie für Gefangene im regulären Vollzug muss die Nutzung aller zur Verfügung stehenden (psycho-)therapeutischen und medikamentösen Behandlungsoptionen ermöglicht werden, d.h. Motivation, Entgiftung, Entwöhnung und Rehabilitation, einschließlich einer Opioid gestützten Substitutionsbehandlung (mit allen Substituten) sowie Arbeit/Beschäftigung, soziale Kontakte und Beziehung. Menschenrechte sind universell, unveräußerlich und unteilbar. Deswegen müssen auch im regulären Vollzug alle suchtbezogenen Therapie- und Hilfeangebote, die Menschen im Maßregelvollzug bekommen können, zugänglich sein. Hier muss im Grundsatz gelten: Für jeden und jede inhaftierte Person muss die bestmögliche Therapieoption ermöglicht werden. Sowohl für Männer als auch für Frauen müssen adäquate Angebote geschaffen werden. Dafür müssen wir an bundesweit einheitlichen Standards arbeiten. Gute Behandlungsmöglichkeiten in der Haft sind bereits der Grundstein für eine gelingende Rehabilitation.
Sprachmittlung
Viele ärztliche – und psychotherapeutische Gespräche in Haft gestalten sich auch deshalb schwierig, weil es Sprachbarrieren gibt. Gerade zum Haftantritt ist es aus unserer Sicht unabdingbar zu klären, welche psychischen und/oder Suchterkrankungen möglicherweise vorliegen und inwiefern die inhaftierte Person therapiewillig ist. Wir fordern daher einen Anspruch auf Sprachmittlung für all jene, bei denen es unüberwindbare Sprachbarrieren schon im Gerichtsverfahren und anschließend im Erstgespräch bei Haftantritt gibt, sowie eine diskriminierungskritische Versorgung. Der Anspruch auf Sprachmittlung muss ebenfalls für alle medizinischen und therapeutischen Hilfen während der Haft und Rehabilitation gelten.
Einheitliche Erhebung
Welche Sucht- oder psychischen Erkrankungen bei Inhaftierten in Deutschland vorliegen, ist nur schwer zu analysieren, da die Datenerhebungen derzeit in den einzelnen Bundesländern nicht nach einheitlichen Kriterien und nicht zum selben Zeitpunkt erfasst werden. Es ist uns ein Anliegen, dass Feststellung und statistische Erfassung der Erkrankungen überall bei Haftantritt nach denselben Kriterien erhoben werden und diese in die nationale Gesundheitsstatistik künftig einfließen. Nur so ist es auch möglich, systematisch an Verbesserungen zu arbeiten.
Neue Wege in der Personalgewinnung
So sehr wir bessere Behandlungsbedingungen für suchtkranke und psychisch kranke Menschen in Haft sowie im Maßregelvollzug für erforderlich halten, so klar sehen wir auch in Gesprächen mit Praktiker*innen vor Ort, dass die Personalgewinnung ein massives Problem darstellt. Gerade Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen sind dringend gesucht. Das Justizwesen und auch der Maßregelvollzug werden von diesen Berufsgruppen bislang nicht als attraktiver Arbeitsort wahrgenommen und auch die Vergütung ist noch nicht gut genug. Wir empfehlen daher, dass die Bundesländer die Arbeitsbedingungen inklusive Bezahlung gerade für Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen besser ausgestalten und zudem innovative Wege der Personalgewinnung gehen: In einigen Bundesländern, so etwa in Hamburg, ist der Dienst in Haft für angehende Ärzt*innen oder Sozialarbeiter*innen eine wahlobligatorische Station in der Ausbildung. So lernen sie den Arbeitsort kennen und entscheiden sich später ggf. eher dafür, hier regelhaft tätig zu werden.
Kommission einsetzen – Reform in Bezug auf ihre Zielsetzung, der Stärkung von Prävention und Resozialisierung, von Beginn an evaluieren und neue Strukturen entwickeln
Die aktuelle Reform ist ein Schritt in die richtige Richtung. In der Folge braucht es aber eine umfassende Reform. Dafür soll eine Kommission, ein interdisziplinäres und interministerielles begleitendes Gremium aus Expert*innen und Praktiker*innen eingerichtet werden. Diese soll mit entsprechenden Haushaltsmitteln ausgestattet werden.
Die aktuelle Reform soll in Bezug auf ihre Zielsetzung – der Stärkung von Prävention und Resozialisierung – evaluiert werden. Dies setzt eine Zusammenarbeit an der Schnittstelle von Rechts- und Gesundheitspolitik im Bund und in den Ländern voraus, um die systemischen, medizinischen und rechtlichen Fragen in den Blick zu nehmen und alle Beteiligten an einen Tisch zu holen.
Es braucht die Expertise aller Beteiligten, wie der Fachgesellschaften, der Justiz- und Gesundheitsressorts der Länder und des Bundes, der Betroffenen-Vertreter*innen, des Suchthilfesystems und der psychiatrischen und psychosozialen Einrichtungen, diese komplexe Debatte zur Verbesserung und Modernisierung der Versorgung von Menschen mit psychischen und Suchterkrankungen in Haft zu führen und das Versorgungssystem in gesamtgesellschaftlichem Interesse zu reformieren.
Der Spiegel hat das Thema aufgegriffen. Hier findet ihr den Beitrag, und noch einmal etwas ausführlicher hinter der Paywall hier.