PM: MdB Linda Heitmann fordert stärkeren Schutz der Nord- und Ostsee

PM: MdB Linda Heitmann fordert stärkeren Schutz der Nord- und Ostsee

Anlässlich der ersten Nationalen Meereskonferenz am 6./7. Mai 2025 in Berlin erklärt Bundestagsabgeordnete Linda Heitmann:

„Die Meere – auch unsere heimische Nord- und Ostsee – sind nicht nur unverzichtbare Verbündete im Kampf gegen Klimawandel, sondern bieten auch Lebensraum für zahlreiche Arten, regulieren unseren Wärmehaushalt und speichern gigantische Mengen an Kohlenstoffdioxid. Gleichzeitig sind sie vielfältigen Herausforderungen, Belastungen und Nutzungen ausgesetzt.

Unsere Meere und Küsten brauchen angesichts dieser Herausforderungen nicht nur besonderen Schutz, sondern auch großflächige Renaturierung. Nichtsdestotrotz findet der Schutz unserer Nord- und Ostsee sowie ihrer Küstenökosysteme kaum Beachtung im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Im Gegenteil: Die Meeresschutzoffensive, die die letzte Regierung unter Federführung des grünen Umweltministeriums auf den Weg gebracht hat, wird massiv ausgebremst oder gar rückgängig gemacht, wenn man den Vertrag zur Grundlage der Arbeit in den nächsten Jahren nimmt.

Daher fordere ich die angehende Bundesregierung auf, die strukturelle Stärkung des Meeresschutzes, die die Vorgängerregierung begonnen hat, fortzusetzen. Mit der Ernennung des ersten Bundes-Meeresbeauftragten, der Errichtung des Meeresnaturschutz-Fonds, dem Aufbau der Unterabteilung „Schutz der Meere“ im Bundesumweltministerium sowie der Gründung der interministeriellen Arbeitsgruppe „IMA Meer“ wurde der Meeresschutz in Deutschland institutionell auf eine neue Ebene gehoben. Im Deutschen Bundestag hat sich zudem der interfraktionelle Parlamentskreis Meerespolitik gegründet, dessen Arbeit ich diese Legislatur gemeinsam mit Kolleg*innen anderer Fraktionen fortsetzen möchte, um dem Meeresschutz im parlamentarischen Raum weiter ein Forum zu geben.

Mit der Entwicklung einer Nationalen Meeresstrategie wurde begonnen, diese konnte allerdings aufgrund der vorgezogenen Wahlen nicht abgeschlossen werden. Es liegt nun an der angehenden Bundesregierung, die Meeresstrategie zu finalisieren und eine Meeresschutzoffensive zu starten. Die kumulativen Belastungen müssen miniert, der Nutzungsdruck in der Nord- und Ostsee zu Gunsten des Arten-, Natur- und Küstenschutzes reduziert und künftige Nutzungen an der ökologischen Tragfähigkeit unserer Küsten und Meere ausrichtet werden, um ihre vielfältigen Ökosystemleistungen zu schützen, zu erhalten und wiederherzustellen.

Die Nationale Meereskonferenz bietet nun eine wichtige Plattform, auf der im Dialog mit verschiedenen Akteur*innen und Entscheidungsträger*innen praxisnahe Ideen und Konzepte entwickelt werden können, die in die zünftige Meeresstrategie einfließen können.“

Pressemitteilung: Kostenfreie Schuldenberatung für alle: Der Konsens steht – die Umsetzung nicht

Pressemitteilung: Kostenfreie Schuldenberatung für alle: Der Konsens steht – die Umsetzung nicht

Zur heutigen Jahresfachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. habe ich mich heute in einer gemeinsamen Pressemitteilung geäußert:

Die Richtung ist klar: Schuldenberatung soll kostenfrei und für alle zugänglich sein. Darin sind sich CDU, SPD, Grüne und Linke einig – doch die Umsetzung bleibt offen. Auf der Jahresfachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB) zeigt sich erneut: Der politische Wille ist da, aber konkrete Lösungen fehlen. CDU und SPD haben die „kostenfreie Schuldnerberatung, die niemanden ausschließt“ im Koalitionsvertrag festgehalten. Auch aus der Opposition kommt Zustimmung:

Linda Heitmann MdB von Bündnis 90/Die Grünen betont die Bedeutung der Beratungslandschaft

In der letzten Wahlperiode haben wir vorgelegt: Die institutionelle Förderung der BAG Schuldnerberatung und Projekte zur aufsuchenden Schuldnerberatung haben einen starken Impuls gegeben, um die Schuldner- und Insolvenzberatung zu stärken. Ich erwarte nun sowohl von den Ländern und Kommunen, die Angebote vor Ort dauerhaft zu sichern und zu finanzieren, als auch von der neuen Bundesregierung, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Die EU-Verbraucherkredit-Richtlinie stößt zudem die Tür auf zu einer einfachen Beratung und Hilfe, die für alle zugänglich ist, sowie zu klareren Regelungen z. B. bei ‚Buy now, pay later‘-Angeboten, die vor Verschuldung effektiv schützen können. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam hochwertige und ausreichende Angebote für überschuldete Menschen schaffen und sicherstellen. Auch über ein Recht auf kostenlose Schuldnerberatung sollten wir ergebnisoffen diskutieren.“

BAG-SB fordert: Zugang zur Beratung muss garantiert sein

Aus Sicht des Fachverbands ist ein kostenfreier Zugang keine Zukunftsvision, sondern eine notwendige Grundlage sozialer Gerechtigkeit. „Ohne verlässliche Strukturen bleibt Beratung ein Glücksfall statt einer sicheren Hilfeleistung. Wir brauchen jetzt politische Entscheidungen, die Beratung dauerhaft absichern – bundesweit, kostenfrei und für alle zugänglich“, so BAG-SB Fachreferentin Charlotte Bischoff.

Ein möglicher Finanzierungsbaustein könnte eine Abgabe auf neu vergebene Kredite sein, wie sie der europäische Verband ECDN empfiehlt. Damit ließen sich Beratungskapazitäten ausbauen – ohne die Finanzierung ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestreiten zu müssen.

Ein deutliches Bekenntnis kommt auch von Christian Willnat (Die Linke): „Ich werde mich für die Einführung des Rechts auf kostenfreie Schuldenberatung für Alle einsetzen. Die schnelle Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie […] trägt gleichermaßen zum Schutz vor Armut und zur Verbesserung der Verbraucherrechte bei.“

Beratung öffnet Türen – wenn Strukturen tragen

Die BAG-SB appelliert deshalb an die Bundesregierung, jetzt die Weichen für eine moderne, barrierefreie und dauerhaft abgesicherte Schuldnerberatung zu stellen. „Beratung muss dort ankommen, wo sie gebraucht wird – qualifiziert, frühzeitig und niedrigschwellig“, betont Charlotte Bischoff. Denn: Frühe Hilfe schützt – nicht nur vor Verschuldung, sondern auch vor sozialer Ausgrenzung.

Das komplette Tagungsprogramm finden Sie unter www.bag-sb.de/tagung2025

Zum Hintergrund

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB) vertritt die Interessen der Schuldner- und Insolvenzberatungspraxis sowie der ver- und überschuldeten Haushalte in Deutschland. Als bundesweit anerkannter Fachverband setzt sich die BAG-SB seit 1986 dafür ein, verbraucher- und schuldnerspezifische Themen nicht nur in der Bundespolitik voranzubringen, sondern auch in der Öffentlichkeit auf die Notlage der Ratsuchenden aufmerksam zu machen. Zusammen mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband und den Wohlfahrtsverbänden engagiert sie sich in der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV).

Die vom 5. bis 7. Mai 2025 hybrid stattfindende Tagung wird gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Gedenken zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Neuengamme

Gedenken zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Neuengamme

Heute vor 80 Jahren wurden die Häftlinge des KZ Neuengamme befreit. Im Rahmen einer großen Gedenkveranstaltung besuche ich heute die KZ Gedenkstätte, in der 100.000 Häftlinge und mehr als 40.000 Tote bis 1945 gezählt wurden. Auch die Holocaust-Überlebende Helga Melmed wird sprechen, die als Kind im Außenlager Poppenbüttel des KZ Neuengamme inhaftiert war.

Das Gedenken an die Befreiung des KZ verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung von Gedenkstätten als wichtiger Teil der Erinnerungskultur. Das Menschheitsverbrechen des Holocausts darf niemals in Vergessenheit geraten!

Die Gedenkveranstaltung ist nur für geladene Gäste zugänglich, kann aber vor Ort in einem Zelt oder auf der Website des NDR im Stream verfolgt werden, den Link findet ihr hier.

29. Suchttherapietage in Hamburg: Psychotrope Substanzen – Fluch oder Segen?

29. Suchttherapietage in Hamburg: Psychotrope Substanzen – Fluch oder Segen?

26. – 28. Mai 2025 | Universität Hamburg | Von-Melle-Park 8 | 20146 Hamburg

Die Suchttherapietage in meiner Heimatstadt Hamburg sind ein jährliches Highlight für Drogen- und Suchtpolitisch Interessierte: 

Sie bieten ein vielseitiges Forum für Austausch und Weiterbildung rund um Suchtprävention, -Forschung und -therapie. 

Im Mittelpunkt der diesjährigen Veranstaltung auf dem Campus der Hamburger Uni stehen spannende Fragen zu psychotropen Substanzen: Welche Chancen und Risiken bergen Substanzen wie CannabisMDMAKetamin oder LSD in der Behandlung psychischer und körperlicher Erkrankungen? Wann ist ihr Einsatz medizinisch sinnvoll? Welche rechtlichen Aspekte gilt es zu beachten? Und wie gestaltet sich der Einsatz im Maßregelvollzug?

Die Suchttherapietage richten sich an alle Berufsgruppen der Suchtarbeit – von Sozialarbeit, Psychologie und Medizin bis hin zu Pädagogik und Pflege. Nutzen auch Sie die Gelegenheit, sich mit Expert*innen auszutauschen, neue Impulse zu gewinnen und aktuelle gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungen zu diskutieren.

Weitere Informationen und Anmeldung finden Sie auf der Veranstaltungsseite.

Gesundheitspolitik im Wartebereich

Gesundheitspolitik im Wartebereich

Der Koalitionsvertrag 2025 zwischen CDU/CSU und SPD wirft in Bezug auf die Gesundheitspolitik mehr Fragen auf, als er Antworten gibt. Besonders deutlich wird das beim Thema der Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Anstatt dringend notwendige Reformen jetzt anzugehen, schiebt die neue Koalition das Problem in eine Kommission mit zweijähriger Laufzeit ab. Das ist nicht nur ein Rückschritt gegenüber dem bereits geleakten Vorentwurf, sondern auch ein fatales Signal an die Krankenkassen und die Versicherten. Darüber hinaus bleibt die Preisgestaltung der Pharmaindustrie weitgehend unreguliert: Sie kann weiterhin hohe Preise für neue Arzneimittel festsetzen, wodurch die Ausgaben der GKV weiter steigen. Gerade teure und innovative Medikamente machen einen Großteil der GKV-Ausgaben aus und nach den USA haben wir in Deutschland dafür die höchsten Preise weltweit. Es ist absehbar, dass es zu einem erheblichen Beitragsdruck kommen wird – die Zeche zahlen am Ende die Versicherten.

Auch bei der Pflegereform setzt die Koalition auf Vertagung statt auf Lösungen. Die dringend notwendige große Reform der sozialen Pflegeversicherung soll ebenfalls in einer Kommission erarbeitet werden – konkrete Entlastungen für Pflegebedürftige, deren Angehörige und Pflegekräfte bleiben aus. Doch gerade JETZT brauchen alle Beteiligten dringend spürbare Unterstützung, denn die Pflegekassen sind am Rande ihrer Belastbarkeit. Immerhin: Dank der Vorarbeit der Grünen sollen das Pflegekompetenzgesetz und das Pflegeassistenzgesetz endlich kommen.

Einen Hoffnungsschimmer bietet auch das angekündigte „Primärarzt“-System, das das Potenzial birgt, die Versorgung gezielter zu steuern, Überversorgung zu vermeiden und Patientinnen künftig besser durch das Gesundheitssystem zu lotsen. Viele Akteur*innen im Gesundheitswesen sehen darin eine große Chance, die Strukturen effizienter und patientenfreundlicher zu gestalten. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail: Die Ausgestaltung dieses Systems ist noch völlig offen und die Diskussionen darüber laufen auf Hochtouren.

Im Gegensatz dazu herrscht im Koalitionsvertrag beim Thema Stärkung der Patientenrechte komplette Stille. Das Patientenrechtegesetz ist längst reformbedürftig, um Patient*innen mehr Sicherheit und Mitsprache zu garantieren. Ebenso bleibt die Frage unbeantwortet, wie Menschen mit Sprachbarrieren oder ohne ausreichenden Krankenversicherungsschutz künftig besser erreicht werden können.

Im Bereich der psychischen Gesundheit werden die Probleme zwar erkannt, aber keine konkreten Lösungen geliefert. Wie die Versorgungslage tatsächlich verbessert werden soll, bleibt unbeantwortet – die psychiatrische Versorgung wird gleich gänzlich ausgeblendet. Gerade angesichts der alarmierenden Versorgungslage – von monatelangen Wartezeiten auf Therapieplätze bis hin zu massiven Personalengpässen in Kliniken und Praxen – ist diese Leerstelle besonders fatal.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Präventions- und Suchtpolitik: Die Koalition bleibt auch hier weit hinter dem Notwendigen zurück. Wie ich bereits im Tagesspiegel-Background „Prävention statt Ignoranz ausführlich dargelegt habe, fehlt es im Koalitionsvertrag an konsequenten Maßnahmen zur Verhältnisprävention bei Volksdrogen wie Alkohol und Tabak sowie an einer verlässlichen Finanzierung der Suchtberatung.

Insgesamt bleibt der Eindruck, dass die Gesundheitspolitik der neuen Koalition von Verschiebungen und Unentschlossenheit geprägt ist. Notwendige Reformen werden vertagt, Probleme in Kommissionen ausgelagert und die dringendsten Herausforderungen bleiben ungelöst. Wir Grüne werden uns weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Gesundheitspolitik nicht im Wartebereich verharrt und Schwarz-Rot zumindest nach der Kommissionsphase endlich den Mut zum Handeln aufbringt.

Verantwortung für Deutschland – doch wo bleibt der Verbraucherschutz?

Verantwortung für Deutschland – doch wo bleibt der Verbraucherschutz?

Der Koalitionsvertrag 2025 trägt den Titel „Verantwortung für Deutschland“ – ein Versprechen, das gerade im Alltag der Verbraucher*innen spürbar werden muss. Doch wie viel Verantwortung übernimmt Schwarz-Rot tatsächlich für die Bedürfnisse der Verbraucher*innen?

Zu loben ist das Bekenntnis zum differenzierten Verbraucherleitbild, das unterschiedliche Bedürfnisse anerkennt – ein Paradigmenwechsel weg vom überholten Bild des „mündigen Verbrauchers“.

Die Fortführung des Deutschlandtickets ist vielleicht der wichtigste konkret erwähnte Schritt zur Entlastung der Haushalte und zur Sicherstellung bezahlbarer Mobilität. Doch schon kurz nach Vertragsvorstellung wirft Friedrich Merz in einer Talkshow Zweifel an der Finanzierung des Tickets auf – ein fatales Signal für den Verbraucherschutz.

Zudem sind die konkret erwähnten geplanten Maßnahmen zur Regulierung des Ticketzweitmarktes, die darauf abzielen, Wucherpreise und betrügerische Praktiken bei Kultur- und Sportveranstaltungen einzudämmen, positiv zu bewerten und ein Punkt, der viele Menschen im Alltag tatsächlich betrifft.

Neben den überschaubaren Lichtblicken bleibt der Koalitionsvertrag sonst jedoch hinter seinem eigenen Anspruch zurück: Ausgerechnet in den Bereichen, in denen Verbraucher*innen heute besonders gefährdet sind, klaffen gravierende Schutzlücken. So fehlen klare Regeln gegen gefährliche Produkte auf Online-Marktplätzen oder unseriöse Haustürgeschäfte – Situationen, in denen Verbraucher*innen besonders überrumpelt werden. Auch im finanziellen Verbraucherschutz bleibt der Vertrag blass. Hier hagelt es lediglich Prüfaufträge für längst bekannte Baustellen: Überhöhte Basiskontenentgelte und Dispozinsen, Fehlanreize in der Finanzberatung sowie die dringend erforderliche Regulierung von Kryptowerten und des Grauen Kapitalmarkts. Prüfaufträge sind hier eindeutig zu wenig, die Maßnahmen lägen in vielen Bereichen auf der Hand und wären schnell umsetzbar! Besonders gravierend ist zudem, dass am bisherigen Parallelsystem von Provisions- und Honorarberatung festgehalten wird – und das, obwohl Studien immer wieder massive Interessenkonflikte im Finanzvertrieb nachweisen. Hier zeigt sich die Handschrift der Finanzlobby allzu deutlich.

Echte Verantwortung für Verbraucher*innen sieht anders aus: Das Bekenntnis zum nachhaltigen Konsum („Reparieren statt Wegwerfen“) bleibt eine bloße Floskel: Wer Produkte länger nutzen oder reparieren möchte, findet im Koalitionsvertrag wenig Unterstützung. Weder längere Gewährleistungsfristen noch Anreize für Reparaturen, wie Reparaturboni-Programme, sind vorgesehen. Die EU-Vorgaben gegen Greenwashing („Empowering Consumers“) drohen nur halbherzig umgesetzt zu werden, wie es hier weitergeht, um irreführende Werbung und Label a la „Klimaschonendes Fliegen für 20 Euro“ rechtlich wirksam zu unterbinden, ist völlig unklar .

Problematisch ist auch, dass Verbraucherschutz künftig wieder im Justizministerium liegt. Verbraucherschutz braucht klare Verantwortlichkeiten, durchsetzungsstarke Strukturen und eine engagierte Stimme im Kabinett. Verbraucherschutz lebt davon, dass starkes Recht im Sinne von Verbraucher*innen geschaffen und wirksam durchgesetzt werden kann. Wenn das Justizministerium hier künftig Vorschläge für neue rechtliche Rahmenbedingungen macht, wird es in Zukunft vermutlich kein anderes Ministerium mehr geben, das hier in der Kabinettsberatung im Zweifel Widerspruch im Sinne der Verbraucher*innen einlegt. Durch den angekündigten Bürokratierückbau droht obendrein ein gefährlicher Rückschritt: Wichtige Errungenschaften im Verbraucherschutz könnten schleichend abgebaut werden.

Unterm Strich setzt der Koalitionsvertrag mit dem neuen Verbraucherleitbild und der Regulierung des Ticketmarkts wichtige Akzente – doch diese Lichtblicke verblassen sofort angesichts zahlreicher Prüfaufträge und unkonkreter Versprechen, wo klare Regeln und mutige Schritte dringend gebraucht würden. Gerade in Zeiten großer Unsicherheit und steigender Preise braucht es eine Politik, die Verbraucher*innen nicht im Unklaren lässt, sondern ihnen Verlässlichkeit und Schutz bietet.

Als Grüne im Bundestag werden wir uns weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, dass Verbraucherschutz nicht zur Randnotiz wird, sondern als zentrales Querschnittsthema in allen Politikfeldern mitgedacht wird und nicht hinter Wirtschaftsinteressen zurückfällt.

Mee(h)r ist nicht drin im schwarz-roten Koalitionsvertrag

Mee(h)r ist nicht drin im schwarz-roten Koalitionsvertrag

Die Meere – auch unsere heimische Nord- und Ostsee – sind ein unbeschreiblicher Reichtum in Sachen Natur- und Artenvielfalt und unverzichtbare Verbündete gegen den Klimawandel sowie in Fragen der Klimaanpassung. Denn sie bieten nicht nur Lebensraum für zahlreiche Arten, sondern regulieren auch unseren Wärmehaushalt und bestimmen unser Wetter. Mit einem Flächenanteil von 71% der Erdoberfläche nehmen Meere den größten Teil der Wärme auf, die durch Sonnenstrahlung entsteht, und stellen einen gigantischen natürlichen Kohlenstoffspeicher dar.

Trotz ihrer unverzichtbaren Ökosystemleistungen finden der Schutz unserer Nord- und Ostsee sowie der küstennahen Ökosysteme kaum Erwähnung im 144-seitigen Koalitionsvertrag der angehenden schwarz-roten Regierung. Im Gegenteil: Da, wo sie erwähnt werden, sind in erster Linie Rückschritte in den Schutzbemühungen nachzulesen. Das heißt: Die Meeresoffensive, die die Koalition aus Grünen, SPD und FDP angestoßen haben, wird massiv ausgebremst oder gar rückgängig gemacht.

Der wohl belastendste Punkt für die Nord- und Ostsee in den nächsten Jahren: Es soll direkt nach Beginn der Legislaturperiode umgehend ein Gesetzespaket beschlossen werden, mit dem die Entnahme und äußerst energieaufwendige Verpressung von Kohlenstoffdioxid (Carbon Capture and Storage, CCS) in Gesteinen im Meer sowie an Land ermöglicht wird. Dabei ist wichtig zu wissen, dass die Verpressung an Land in Abstimmung mit den Bundesländern erfolgen muss. Die meisten davon haben schon jetzt angekündigt, diese Technik, die auch mit erheblichen Gefahren für das Trinkwasser verbunden ist, bei sich nicht zulassen zu wollen. Es bleibt also nur die Verpressung im Meer, die mit erheblichen Lärmemissionen sowie dem Verlegen von Leitungen durch sensible Naturräume wie das Wattenmeer unweigerlich verbunden sein wird.

Wenn man die CCS-Technik schon ermöglichen will, wäre es daher eigentlich dringend nötig, mindestens sensible Schutzgebiete im Meer auszuschließen und insgesamt die Menge des zu verpressenden Kohlenstoffdioxids möglichst gering zu halten. Doch auch dies deutet sich im Koalitionsvertrag leider nicht an: Nicht nur für die besonders schwer- bis gar nicht vermeidbaren Emissionen, wie etwa aus der Zement- und Stahlherstellung, sondern auch für andere Emissionen aus dem Industriesektor und Gaskraftwerken will Schwarz-Rot die CO2-Abscheidung ermöglichen. Damit wird ein Allheilmittel in Sachen Klimaschutz versprochen, bei dem Unternehmen nicht mehr dazu angehalten werden, Emissionen zu vermeiden, sondern sie in unbegrenzter Menge abscheiden und verpressen zu können. All das auf Kosten des Meeresschutzes! Die Energiewende und insbesondere der Ausbau der Erneuerbaren Energien, die wir massiv beschleunigen konnten, werden entscheidend ausgebremst und der fossilen Energieerzeugung Tür und Tor geöffnet.

Apropos fossile Energieerzeugung: wer im Koalitionsvertrag eine Absage an neue Öl- und Gasförderprojekte in der Nordsee sucht, wird leider ebenfalls bitter enttäuscht. So soll nicht nur die Gasspeicherumlage abgeschafft und verstärkt auf Gasimporte aus dem Ausland gesetzt werden, sondern auch die „Potenziale konventionelle[r] Gasförderung im Inland“ (S. 30) genutzt werden. Somit werden auch die umstrittenen Pläne zur Gasförderung vor Borkum nicht ausgeschlossen. Dabei sind die dort liegenden Gasvorkommen für die Energieversorgung nachgewiesenermaßen nicht notwendig. Eine Förderung am Rande des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer würde das sensible Ökosysteme schädigen oder gar irreversible zerstören.

„Der Schutz der Ostsee als vom Klimawandel besonders betroffenem [sic] Binnenmeer hat für uns Priorität“, heißt es auf Seite 38 im Koalitionsvertrag – die einzige Stelle, wo Meeresschutz überhaupt erwähnt wird. Gleichzeitig sollen unter dem Deckmantel der Planungsbeschleunigung wichtige Maßnahmen, die eben diesen Schutz sicherstellen, ausgehöhlt und teilweise ausgesetzt werden: Konkret soll die Umweltverträglichkeitsprüfung durch die Anhebung von Schwellenwerten und die Aussetzung der Vorprüfung für Änderungsgenehmigungen abgeschwächt werden. Dadurch könnten Projekte wie der Bau von CCS/CCU-Anlagen und -Leitungen, die laut Koalitionsvertrag im überragenden öffentlichen Interesse liegen sollen, ohne Rücksicht auf ihre Umweltauswirkungen durchgeführt werden.

Weitere Minus-Punkte im Koa-Vertrag: Mit einer geplanten Verschlankung des Umwelt-Informationsgesetzes wird die Beteiligung und Informationsgewinnung der Zivilgesellschaft erschwert, was gleichzeitig mit einer Aushöhlung der Demokratie einhergeht. Außerdem soll das Umweltrechtsbehelfsgesetz auf eine unmittelbare Betroffenheit bei Klage und Beteiligungsrechten fokussiert werden, wodurch es Umweltverbänden erschwert wird, stellvertretend für die Natur und die Tiere Recht einzuklagen. Ob dies überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist, darf bezweifelt werden. Darüber hinaus sollen die Nationale Biodiversitätsstrategie sowie die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law, NRL) in der Umsetzung abgeschwächt werden. Gerade das NRL stellt dabei einen harterkämpften Meilenstein der europäischen Umweltpolitik dar, welcher die EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, nach und nach geschädigte Ökosysteme auf Land und im Meer zu renaturieren, um ihre Ökosystemleistungen wieder zu herstellen.

Darüber hinaus bleibt die grundberührende Fischerei weiterhin voraussichtlich erlaubt. Sie belastet empfindliche Ökosysteme auch in Schutzgebieten, wie etwa dem Nationalpark Wattenmeer. Im Koalitionsvertrag heißt es lediglich: „Wir stehen zur Fischerei und stärken deren Entwicklung entsprechend den Empfehlungen der Zukunftskommission Fischerei (ZKF) und der Leitbildkommission Ostseefischerei“ (S. 38).

Trotz all dieser massiven Angriffe auf den Umwelt-, Natur- und Meeresschutz ist es versöhnlich, dass auch die GroKo daran nicht vorbeikommt, zentrale Meilensteine der Vorgängerregierung fortzusetzen. Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) der letzten Regierung unter Federführung des grünen Umweltministeriums bleibt also die bislang umfangreichste Förderung der Geschichte für Klima- und Naturschutz sowie Renaturierungsprojekte bestehen. Bis 2028 stehen im Rahmen des ANK 3,5 Milliarden Euro u.a. für Maßnahmen zur Wiederherstellung sowie für klimafreundliche und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen zur Verfügung. Über 9000 Projekte wurden bereits bewilligt und werden somit aus dem Programm (mit)finanziert. Gefördert werden auch Projekte zur Erhaltung und zum Wiederaufbau von Salzwiesen, Seegraswiesen, Kelpwäldern sowie zu deren Vorlauf- und Begleitforschung zur Stärkung ihres Beitrags zum natürlichen Klimaschutz.

Ebenso erfreulich ist, dass das Sofortprogramm zur Bergung von Munitionsaltlasten fortgeführt und ein Bundeskompetenzzentrum dafür in Ostdeutschland errichtet werden soll, in dem wissenschaftliche Einrichtungen, Privatwirtschaft und operative Behörden zusammenarbeiten. Erstmals ging die Regierung aus Grünen, SPD und FDP es aktiv an, den giftigen Munitionsschrott aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg aus dem Meer zu entfernen. Dafür wurden im parteiübergreifenden Konsens 100 Millionen Euro durch den Bundestag zur Verfügung gestellt, um erste Probebergungen zu machen und die notwendige Technik zur Bergung zu entwickeln. Es liegt nun in der Verantwortung der schwarz-roten Regierung, eine langfristige Finanzierung in Zusammenarbeit mit den Ländern sicherzustellen. Im Koalitionsvertrag bleibt der Finanzierungsaspekt allerdings offen.

Ebenso fortgesetzt wird erfreulicherweise die Meeresnaturschutz- und Fischereikomponente aus dem Wind-See-Gesetz. Noch an dem Tag, an dem Bundeskanzler Scholz Finanzminister Lindner entließ, sicherte der Haushaltsausschuss des Bundestages 400 Millionen Euro für den Meeresnaturschutz in Form eines Meeresnaturschutzfonds in der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Die Mittel stammen aus Einnahmen aus den Versteigerungen von Windkraftflächen auf See und können als DBU-Stiftungskapital dauerhaft schätzungsweise eine jährliche Ausschüttung von ca. 10 Millionen Euro generieren, die für Meeresnaturschutzprojekte eingesetzt werden. Der Koalitionsvertrag lässt jedoch leider offen, ob auch weitere Einnahmen aus den Ausschreibungen von Windkraftflächen für den Meeresnaturschutz eingesetzt werden und was genau die neue Regierung unter nachhaltiger Fischerei verstehen wird.

Alles in allem ist der schwarz-rote Koalitionsvertrag leider insbesondere auch im Küsten- und Meeresschutz von Rückschritt sowie Ambitionslosigkeit gekennzeichnet und verkennt nicht nur die zentralen Herausforderungen der Klima- und Artenkrise, sondern macht auch große Fortschritte der letzten Regierung gerade im Hinblick auf den Klimaschutz und die Energiewende rückgängig. Dabei trifft der Klimawandel Europa besonders stark. Denn kein Kontinent erwärmt sich schneller als Europa, wie gerade der jüngst veröffentlichte Klimabericht 2024 des EU-Klimawandeldienstes Copernicus aufzeigt. Daher wird die nächste Regierung sich auch daran messen lassen müssen, inwieweit sie es schafft, Deutschland an die Klimafolgen anzupassen.

Prävention statt Ignoranz: Namensbeitrag im Tagesspiegel Background

Prävention statt Ignoranz: Namensbeitrag im Tagesspiegel Background

Heute habe ich im Tagesspiegel Background Gesundheit und E-Health in der Rubrik „Standpunkt“ einen Namensbeitrag zum Thema Drogen- und Suchtpolitik veröffentlicht:

Die Ergebnisse der Verhandlungsgruppen von Union und SPD sind da und ein Thema muss man dabei mit der Lupe suchen: Drogen- und Suchtpolitik. Gerade mal ein schwammiger Hinweis dazu, dass man Prävention irgendwie stärken und ein bundesweites Nichtraucherschutzgesetz etablieren will. Diese Vernachlässigung ist ein fataler Fehler, denn Drogen- und Suchtpolitik ist ein wichtiger Pfeiler guter Gesundheitspolitik. Was bräuchte es und warum?

Viele denken bei Drogen- und Suchtpolitik an Heroin- oder Crackabhängige. Doch die Volksdrogen Alkohol, Tabak und mittlerweile auch Glücksspiel und Sportwetten sind weit verbreitet und verursachen immense Kosten im Gesundheitssystem. Schätzungen zufolge sterben hierzulande jährlich 40.000 Menschen an den direkten oder indirekten Folgen von Alkohol, die enormen Kosten durch Arbeitsausfälle sind dabei noch nicht eingerechnet. Auch durch Tabak sterben jedes Jahr geschätzte 79.000 Menschen.

Was viel zu oft vergessen wird: Jedes vierte bis fünfte Kind in Deutschland wächst mit mindestens einem suchtkranken Elternteil auf. Diese Kinder tragen eine erdrückende psychische Last, schämen sich oft für die Situation daheim, versuchen sie zu vertuschen und sind viel zu früh auf sich allein gestellt. Sie haben obendrein ein extrem erhöhtes Risiko, selbst suchtkrank zu werden. Die beste Prävention wäre es, hier stärker hinzuschauen und Familien frühzeitig Hilfe und Beratung anzubieten.

Suchtberatung in Deutschland: chronisch unterfinanziert

Doch gerade bei den Beratungsangeboten hakt es: Suchtberatung ist in Deutschland zwar kostenlos und damit erfreulicherweise niedrigschwellig zugänglich, doch ist sie eine Kann-Leistung der Kommunen. Das heißt: Kommunen müssen sie sich leisten können. In Zeiten leerer Kassen trifft es diesen Bereich leider vielerorts oft als Erstes. Wir brauchen verpflichtende Angebote abhängig von der Einwohnerzahl. Denn Suchtberatung ist hoch effektiv: Wenn Betroffene ihre Krankheit anerkennen und zur Therapie bereit sind, können Suchterkrankungen effektiv behandelt werden. Wir haben eines der besten Suchthilfesysteme der Welt, doch viele Betroffene werden nicht erreicht, weil es schon bei der Beratung hakt!

Ebenso wichtig wie Behandlung sollte es uns sein, Suchterkrankungen zu vermeiden. Prävention ist vielschichtig: Studien zeigen, dass die so genannte Verhältnisprävention besonders effektiv ist. Das bedeutet, dass man Lebensumstände so ausgestaltet, dass der Konsum von Suchtmitteln möglichst unattraktiv wird. Konkret heißt das etwa: Werbung und Sponsoring eindämmen oder untersagen, Verkaufsorte und -zeiten für Alkohol und Tabak einschränken, effektive Alterskontrollmaßnahmen beim Verkauf oder auch konsumfreie Zonen im öffentlichen Raum. Einsatzlimits und Abstandsregeln sind insbesondere bei Glücksspiel und Sportwetten effektiv, um Suchtkranke daran zu hindern, unbegrenzt Geld an Automaten oder in Online-Casinos zu verzocken.

Die neue Regierung wäre gut beraten, bei der Verhältnisprävention legaler Suchtmittel voranzugehen. Eine deutliche Mehrheit unterstützt dies: Etwa 80 Prozent befürworten einer Studie von 2023 zufolge starke Einschränkungen von Werbung für Alkohol. Doch mit einer CSU aus Bayern, wo exzessiver Bierkonsum auf dem Oktoberfest mit sieben Millionen Maß Bier zelebriert wird, und Markus Söder meint, auch nach mehreren Bieren noch Auto fahren zu können, darf leider bezweifelt werden, ob Fortschritte möglich werden.

Niedrigschwellige Hilfen statt Kriminalisierung

Abseits von Alkohol und Tabak hat die letzte Regierung mit dem Bundes-Drogenbeauftragten Burkhard Blienert (SPD) eine Kehrtwende in der Drogenpolitik eingeleitet: Weg von Kriminalisierung und Stigmatisierung hin zu mehr Hilfen und akzeptierenden Angeboten. Denn suchtkranke Menschen brauchen Hilfe statt Strafverfolgung.

Bei Cannabis wurde der Paradigmenwechsel besonders kritisch beäugt, aber er ist und bleibt richtig. Umso wichtiger ist, dass wir den eingeschlagenen Weg weitergehen und auch für illegalisierte Substanzen niedrigschwellige Zugänge zu Hilfen und Aufklärung ausbauen. Konkret heißt das: mehr Drogenkonsumräume und Drugchecking-Angebote, Ersatzstofftherapie fördern breiter erforschen.

Die neue Koalition täte gut daran, diese Erkenntnisse anzunehmen und dem Thema in den aktuellen Verhandlungen mehr Raum einzuräumen. Denn eine zeitgemäße Drogen- und Suchtpolitik rettet Leben!

Der Beitrag ist auch auf der Website des Tagesspiegel Background hier zu finden.

Küsten- und Hochwasserschutz im Einklang mit Natur- und Klimaschutz: ein Appell an die künftige Bundesregierung! 

Küsten- und Hochwasserschutz im Einklang mit Natur- und Klimaschutz: ein Appell an die künftige Bundesregierung! 

Viele Leaks zu vorläufigen Koalitionsvereinbarungen zwischen Union und SPD erblickten letzte Woche das Licht der Welt, auch zum Thema Umwelt- und Naturschutz. Dabei werden unter dem Stichwort Meeresschutz immerhin Munitionsbergung und nachhaltige Fischerei als Ziele genannt. Doch Küsten- und Hochwasserschutz sucht man in dem Papier vergeblich. Das ist ein fataler Fehler!

Warum ist das so und wie müsste ein wirklich nachhaltiger zukunftsgewandter Schutz der Küsten aussehen?

Die Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 ist tief eingebrannt in das Gedächtnis der Bevölkerung in Norddeutschland. Mit 130 Stundenkilometern löste der Orkan „Vincinette“ die folgenreichste Sturmflut an der Nordsee seit Beginn der Wasserstandsaufzeichnungen aus, die neben Schleswig-Holstein und Niedersachsen ganz besonders auch Hamburg traf. Trotz Sturmflutwarnung wurden viele Menschen damals vom Hochwasser wortwörtlich im Schlaf überrascht. Bis in die frühen Morgenstunden brachen fast alle Deiche und Dämme mit gravierenden Folgen: 315 Tote, 20.000 Obdachlose, zahlreiche zerstörte oder schwer beschädigte Wohnungen sowie kaputte Infrastruktur.

63 Jahre nach dieser schrecklichen Naturkatastrophe ist die Gefahr ähnlicher Extremwetterereignisse nicht gebannt, im Gegenteil: Infolge des anthropogenen Klimawandels dehnt sich nicht nur das Wasser in unseren Meeren und Ozeanen aus, sondern auch die Gletscher und Eisschilde schmelzen immer weiter ab, was unter anderem zu einem globalen Anstieg des Meeresspiegels führt. Dadurch treten Extremwetterereignisse wie Sturmfluten, Starkregen oder aber auch Dürren häufiger und heftiger auf. Nicht zuletzt haben uns die Flut in Spanien im Herbst 2024 oder aber auch die schwere Flut im Herbst 2023 an der Ostseeküste dies deutlich vor Augen geführt.

Daher ist die kommende Bundesregierung dringend gefordert, sich dieser immensen Herausforderung zu stellen und in enger Kooperation mit den Küstenländern den Küsten- und Hochwasserschutz zukunftsfest aufzustellen. Konventioneller und natürlicher Küsten- und Hochwasserschutz müssen dabei künftig stärker zusammengedacht werden. Ein schlichtes Weiterso ist weder finanziell noch ökologisch nachhaltig. Bereits jetzt stößt der konventionelle Küstenschutz mit dem Fokus auf Deicherhöhung und -verbreiterung, ständigen Sandaufspülungen sowie technische Entwässerung an logistische und finanzielle Grenzen und ist ökologisch nur bedingt nachhaltig.

Die immensen Schäden der Sturmflut von 1962 waren ein folgenschwerer Stresstest für die damaligen Schutzanlagen. Infolgedessen wurde eine komplett neue, fast durchgehenden Hochwasserschutzlinie von ca. 100 Kilometern und mindestens 7,20 Meter über Normalnull gebaut. Seit 1990 werden die Schutzanlagen stetig modernisiert und erhöht, aktuell mit einer Deichhöhe von 7,50 bis 9,25 Metern über Normalnull. Ein Erfolg: Zwar gab es seither weitere Sturmfluten, die sogar noch höher ausfielen, jedoch ohne vergleichbare Schäden.

Die nahezu geschlossene Deichlinie bietet derzeit zwar ein hohes Schutzniveau vor Sturmfluten, allerdings können und dürfen wir uns darauf nicht ausruhen: Je höher der mittlere Meeresspiegel steigt, umso häufiger und heftiger treten Extremwetterereignisse wie Sturmfluten auf. Infolge der globalen Erwärmung steigt der Meeresspiegel immer weiter an – schätzungsweise bis zu 1,20 Metern bis zum Ende des Jahrhunderts, wenn wir unsere Treibhausgasemissionen unverändert lassen. In der Deutschen Bucht könnte dies dazu führen, dass Sturmfluten bis zu 1,50 Metern höher ausfallen als heute – dementsprechend wäre auch eine viel größere Fläche zu schützen.

Dieser Umstand setzt unsere Schutzanlage einem immer höheren Anpassungsdruck aus  – mit enormen finanziellen und ökologischen Kosten. Vielerorts fehlen nicht nur Sand, Klei und die zusätzlich benötigte Fläche, sondern auch der Untergrund kann die zusätzliche Last durch die kontinuierliche Erhöhung und Verbreiterung nicht ohne Weiteres tragen kann.

Deiche bieten für das Land dahinter zwar sichtbar Schutz vor Sturmfluten, beanspruchen allerdings auch viel Fläche, die dann fehlt, damit die Wassermassen auslaufen und Energie abbauen können. Dadurch staut sich das Wasser auch verstärkt in den Marschgebieten vor den Deichen auf. Um diese zu entwässern, müssen die Deichanlagen mit umfangreichen Grabensystemen und Sieltoren ergänzt werden. Doch vielfach reichen die bisherigen Siele nicht mehr und es müssen zunehmend energieaufwändige Pumpen zur Entwässerung eingesetzt werden.

Das durch den gestiegenen Meeresspiegel entstandene „umgekehrte Gefälle“ erhöht zudem den Druck des Salzwassers auf die Grundwasserschichten. Infolge des Abpumpens des oberflächennahen Süßwassers durch die Entwässerung dringt mehr Salzwasser in die Süßwasserschichten ein, wodurch unser Grundwasser zunehmend versalzt und damit ungenießbar wird.

Alles in allem ist ein schlichtes Weiterso des Küsten- und Hochwasserschutzes weder finanziell noch ökologisch nachhaltig. Bereits jetzt stößt die aktuelle Praxis an technische wie auch finanzielle Grenzen. Mit steigenden Pegeln werden immer höhere Deichaufstockungen notwendig sein, als dies mit Blick auf die Tragfähigkeit des Untergrundes möglich ist. Daher muss guter Küsten- und Hochwasserschutz Naturschutz klug mitdenken und Synergien schaffen, um langfristig zu funktionieren.

Das heißt ganz konkret: In der Klimaanpassungsstrategie müssen insbesondere die natürlichen Küsten- und Hochwasserschutzfunktionen unserer marinen sowie küsten- und flussnahen Ökosysteme wie Moore, Auen, Riffe, Salzmarschen und Seegraswiesen stärker einbezogen werden, indem wir diese schützen, fördern und vor allem wiederherstellen.

Infolge ihrer systematischen Vernachlässigung und Umgestaltung für wasserbauliche und landwirtschaftliche Nutzungen sind bereits jetzt die Ökosystemleistungen dieser wichtigen Biotope deutlich beeinträchtigt oder sogar unwiderruflich zerstört worden. So sind viele einstige Salzwiesen an den deutschen Küsten eingedeicht oder für landwirtschaftliche Zwecke umgestaltet und dadurch entwässert worden. Allein an der Ostseeküste wurden im vergangenen Jahrhundert 95% der Salzwiesen eingedeicht. Dabei bieten Salzwiesen eine Pufferzone zwischen Land und Meer und schützen vor Sturmfluten und Hochwasser, indem sie die Wellen effektiv ausbremsen. Sie sind zudem auch hochproduktive Kohlenstoffsenken, die um ein Vielfaches schneller Kohlenstoff speichern können als ein Wald. Viele der entwässerten Gebiete haben ursprünglich Moorböden. Durch die vielen trockengelegten Moore fehlen uns nicht nur wichtige Kohlenstoffspeicher, sondern auch viele Insekten und Brutvögel verlieren zudem ihren Lebensraum.

Als hochproduktive natürliche Kohlenstoffsenken und ausgezeichnete Wellenbrecher gelten auch Seegraswiesen. Ihr tiefreichendes Wurzelwerk ist eine natürliche Kohlenstofflagerstätte, die gleichzeitig den Meeresboden stabilisieren und damit vor Hochwasser und Überschwemmungen schützen kann. Schätzungsweise können dichte Seegraswiesen Wellen und Meeresströmungen um 25 bis 45 Prozent dämpfen, bevor diese die Küsten erreichen. Durch die Anhäufung von Sediment bieten sie zudem kontinuierlichen Schutz vor steigenden Meeresspiegeln. Leider sind auch die Seegraswiesenbestände an den deutschen Küsten stark geschrumpft – vor allem durch Nährstoffeinträge. Obwohl leichte Verbesserung zu verzeichnen sind, sind die Ostsee und 87% der Nordsee überdüngt – vor allem in den Mündungsgebieten der deutschen Flüsse.

Im Kampf gegen Hochwasser und Dürreperioden gehören auch Auen zu den Schlüsselakteuren. Bei Hochwasser nehmen sie das Wasser auf und in Trockenperioden geben sie es nach und nach wieder an die Landschaft ab. Zudem lagern sie ebenfalls viel Kohlenstoff und bieten Lebensraum für viele Arten. Allerdings sind in Deutschland zwei Drittel der Überschwemmungsgebiete verloren gegangen, entlang großer Flüsse sind in vielen Abschnitten teilweise nur noch 10-20% der ehemaligen Auen vorhanden.

Wenn wir all diese Ökosysteme künftig besser schützen bzw. auch wiederherstellen, leisten wir zeitgleich zum Hochwasser- und Küstenschutz einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Naturschutz. Denn dadurch wird zudem Kohlenstoff der Atmosphäre entzogen und die vielen marinen wie auch terrestrischen Tier- und Pflanzenarten bekommen wieder einen gesunden Lebensraum zur Verfügung gestellt.

Unsere marinen sowie küsten- und flussnahen Ökosysteme zu schützen und wiederherzustellen, sollte unser vorrangig erklärtes Ziel sein, im Sinne des Klima- und Hochwasserschutzes! Dabei muss und darf der natürliche Küsten- und Hochwasserschutz die technischen Maßnahmen nicht unbedingt ersetzen, sondern vielmehr sinnvoll ergänzen. Beispielsweise können Deiche rückverlegt und durch die Wiederherstellung von Salz- und Seegraswiesen im Deichvorland ökologisch aufgewertet werden. Die Bepflanzung der Hohlräume von Deckwerken kann ebenfalls neue Lebensräume für verschiedene Pflanzen- und Tierarten schaffen. Auch die Wiederherstellung von Riffen schafft nicht nur neue Lebens- und Rückzugsräume für verschiedene Arten, sondern kann auch den natürlichen Küsten- und Hochwasserstutz stärken, da stabile Riffe den Wellengang ausbremsen können.

Mit dem Aktionspragramm Natürlicher Klimaschutz hat die Bundesregierung 2021 bis 2025 unter der Federführung des grünen Umweltministeriums bereits 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, mit denen bis 2028 Maßnahmen zur Wiederherstellung sowie für klimafreundliche und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen gefördert werden, die auch dem natürlichen Küsten- und Hochwasserschutz zugutekommen. Es muss auch langfristig weitergehen, denn all das zeigt: Klima-, Natur- und Küstenschutz sind gut miteinander vereinbar. Auch der neu geschaffene Meeresnaturschutzfonds der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), der Fördergelder für Renaturierungsprojekte vergeben wird, ist ein wichtiger Schritt, der 2024 eingeschlagen wurde. Nun muss es dringend weitergehen! Die nächste Bundesregierung muss es nur politisch wollen und ermöglichen!

100 neue Projekte! Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen

100 neue Projekte! Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen

Grün macht den Unterschied. Das Bundesumweltministerium von Steffi Lemke fördert 100 Vorhaben für die Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen. Damit geht das dritte Antragsfenster der Förderrichtlinie „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ (AnpaSo) in die Umsetzung. Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Kindertagesstätten, Alten- und Pflegeheime und weitere soziale Einrichtungen werden mit insgesamt 11,85 Mio. Euro gefördert, um sich an die Folgen der Klimaerhitzung anzupassen. Im Fokus stehen naturbasierte Maßnahmen wie Gründächer und Fassadenbegrünungen, die Entsiegelung von Flächen oder die Anlage von Wasserflächen, zur Anwendung bringen. Sie dienen der Klimaanpassung und zugleich dem natürlichen Klimaschutz, der Biodiversität, dem Speichern von Regenwasser, der Verbesserung der Luftqualität sowie dem Lärmschutz. Menschen, die in sozialen Einrichtungen betreut werden – z.B. Kinder, Ältere oder Pflegebedürftige – sind von Extremwetterereignissen besonders stark betroffen und können sich nicht gut selbst schützen. Deshalb werden gezielt Kindertagesstätten, Pflegeheime und anderen Einrichtungen bei der Klimavorsorge unterstützt.

Zum Hintergrund:

Die Förderrichtlinie „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ (AnpaSo) richtet sich bundesweit an Kommunen, gemeinnützige Vereinigungen sowie Organisationen und Unternehmen im Gesundheits-, Pflege- und Sozialsektor. Das Bundesumweltministerium fördert ganzheitliche Klimaanpassungskonzepte sowie die Umsetzung von konzeptbasierten und vorbildhaften investiven Maßnahmen. So werden soziale Einrichtungen dabei unterstützt, sich gegen die Folgen der Klimaerhitzung zu wappnen. Die geförderten Projekte sollen einen ausgeprägten Modellcharakter haben und andere Akteure mittels bestehender Netzwerke zur Nachahmung anregen. Die Anträge im aktuellen Förderfenster sehen z. B. Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünungen zur Verringerung der Hitzebelastung in Gebäuden vor, aber auch innovative Ansätze zur Regenwasserversickerung wie die Ausbildung von Spielmulden mit Retentionsfunktion im Außenbereich einer Kindertagesstätte. Alle Antragstellenden erhalten derzeit eine Mitteilung zum Ergebnis des Auswahlverfahrens.

Weitere Informationen gibt es auf der Seite des BMUV „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ der Themenseite „Klimaanpassung“.