Ganz schön absurd: Die Bundesregierung plant, öffentliche Gelder für eine Werbekampagne zugunsten deutschen Weins einzusetzen, obwohl damit auch alkoholhaltige Produkte beworben werden und das den gleichzeitig erklärten Präventionszielen zuwider läuft.
Nachdem zunächst die taz darüber berichtet hatte, habe ich noch einmal bei der Bundesregierung nachgehakt, wie der Vertrag genau aussieht. Die Ergebnisse sind leider ernüchternd (s.u. in den Screenshots).
Mein Statement dazu: „Die Bundesregierung antwortet auf meine konkrete Nachfrage, ob der Vertrag zur Bewerbung von Wein schon rechtskräftig abgeschlossen wurde, leider nicht. Aber was aus der Antwort leider klar hervorgeht, ist, dass mit dem vorgesehenen Geld auf jeden Fall alkoholhaltige Produkte beworben werden. Das steht den gesundheitspolitischen Zielen diametral entgegen!
Es ist mehr als bedenklich, dass die Bundesregierung unter der Leitung von Agrarminister Alois Rainer Steuergelder in eine Werbekampagne für den deutschen Wein stecken will, ohne die gesundheitlichen Risiken des Alkoholkonsums zu berücksichtigen. Das Deutsche Weininstitut, unterstützt von der Deutschen Weinakademie, soll die geplante Informations- und Werbemaßnahme durchführen. Dabei wird betont, dass diese Institutionen über umfassende Erfahrung in der Aufklärungsarbeit verfügen und sich der Bedeutung der Alkoholprävention bewusst seien. Doch dieser Punkt wirft Fragen auf: Wenn das Deutsche Weininstitut, eine Organisation, die selbst in der Weinwerbung tätig ist, nun auch in der Rolle der Aufklärung agieren soll – wie unabhängig und objektiv kann diese „Aufklärung“ wirklich sein? Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass eine Maßnahme zur Förderung des Weinkonsums, selbst wenn auch alkoholfreie Varianten berücksichtigt werden sollen, mit einer wirksamen Alkoholprävention vereinbar ist. Die Regierung stellt die finanziellen Mittel als „wirtschaftliche Notwendigkeit“ dar, aber hier wird einmal mehr deutlich, wie sehr die Politik auf die Interessen der Weinlobby hört.
Die Bundesregierung sollte sich freuen, dass der Alkoholkonsum in Deutschland sinkt – dies kann insbesondere Ministerin Warken eigentlich nur begrüßen. Doch sie kann sich mit dem Ziel der Gesundheitsförderung und Prävention, die langfristig hohe Kosten im Gesundheitswesen einsparen können, offensichtlich nicht durchsetzen. Statt solche Maßnahmen wie die Wein-Werbekampagne zu fördern, sollten wir viel mehr in umfassende Präventionsprogramme investieren, die tatsächlich die negativen Auswirkungen des Alkohols auf die Gesellschaft und die Gesundheit der Bürger mindern. Wir werden daher als Grüne in den Haushaltsberatungen noch versuchen, die Weinmillion zu verhindern und das Geld in sinnvollere Projekte umzuleiten.“
Zu diesem Thema hat zunächst die taz berichtet, ich werde dort auch zitiert. Hier geht es zum Artikel.
Anbei außerdem die Antworten der Bundesregierung auf meine Nachfragen:
Heitmann zur SCHULBUS-Studie: „Bundesregierung muss Zahlen zum rückläufigen Cannabis-Konsum unter Jugendlichen in ihrer Evaluation berücksichtigen!“
Die heute veröffentlichten Ergebnisse der Hamburger SCHULBUS-Studie zum Suchtmittelkonsum von Jugendlichen kommentiert Linda Heitmann (MdB, Wahlkreis Hamburg-Altona), Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag grüne Berichterstatterin für Drogen- und Suchtpolitik folgendermaßen:
„Die Zahlen zum Suchtmittelkonsum Jugendlicher sind insbesondere in Hinblick auf den Substanzkonsum bei Alkohol, Tabak und Cannabis sehr erfreulich. Hier zeigen sich deutliche Rückgänge. Dass die 30-Tage-Prävalenz bei den 14- bis 17-jährigen bei Cannabis mit 6% so niedrig ist, wie nie zuvor, zeigt, dass der Konsum von Cannabis durch die Entkriminalisierung für Jugendliche offenbar eher uninteressanter geworden ist. Diese Zahlen müssen auf jeden Fall in die von der Bundesregierung angekündigte Evaluierung einfließen! Die SCHULBUS Studie ist eine von sehr wenigen Studien, die das Konsumverhalten auch vor der Entkriminalisierung regelmäßig anonymisiert erhoben hat, so dass die Zahlen für eine ehrliche Analyse zu den Auswirkungen der Cannabis-Gesetzgebung auf das Konsumverhalten von großer Bedeutung sind.
Sorge machen mir bei den aktuellen Zahlen der SCHULBUS-Studie insbesondere E-Zigaretten sowie substanzungebundene Suchterkrankungen wie problematischer Medienkonsum und Essstörungen. Insbesondere in Bezug auf E-Zigaretten und so genannte „neue alternative Tabakprodukte“ müssen wir in Deutschland ein Augenmerk darauf legen, dass hier der Jugendschutz strikt eingehalten werden muss und diese Produkte nicht durch fruchtige Aromen und poppige Designs für Jugendliche interessant gemacht werden.
Problematischer Medienkonsum und Essstörungen sind besorgniserregende Trends, denen durch bessere Beratungs- und Hilfsangebote begegnet werden muss. Hier braucht es verstärkte Anstrengungen in Land und Bund, um im Schul- und Freizeit-Alltag von Jugendlichen aufzuklären und die Beratungs- sowie Hilfelandschaft bedarfsgerecht auszubauen.“
Hintergrund:
Hier geht es zur heute veröffentlichten SCHULBUS-Studie.
26. – 28. Mai 2025 | Universität Hamburg | Von-Melle-Park 8 | 20146 Hamburg
Die Suchttherapietage in meiner Heimatstadt Hamburg sind ein jährliches Highlight für Drogen- und Suchtpolitisch Interessierte:
Sie bieten ein vielseitiges Forum für Austausch und Weiterbildung rund um Suchtprävention, -Forschung und -therapie.
Im Mittelpunkt der diesjährigen Veranstaltung auf dem Campus der Hamburger Uni stehen spannende Fragen zu psychotropen Substanzen: Welche Chancen und Risiken bergen Substanzen wie Cannabis, MDMA, Ketamin oder LSD in der Behandlung psychischer und körperlicher Erkrankungen? Wann ist ihr Einsatz medizinisch sinnvoll? Welche rechtlichen Aspekte gilt es zu beachten? Und wie gestaltet sich der Einsatz im Maßregelvollzug?
Die Suchttherapietage richten sich an alle Berufsgruppen der Suchtarbeit – von Sozialarbeit, Psychologie und Medizin bis hin zu Pädagogik und Pflege. Nutzen auch Sie die Gelegenheit, sich mit Expert*innen auszutauschen, neue Impulse zu gewinnen und aktuelle gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungen zu diskutieren.
Zum bundesweiten Aktionstag „Suchtberatung“ am 14. November 2024 fordert die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) zweckgebundene Abgaben auf legale Suchtmittel zugunsten von Prävention, Behandlung und Erforschung von Suchterkrankungen.
Hintergrund der Forderung: Trotz der extremen gesellschaftlichen Schäden werden Hersteller und Händler nicht an den enormen Kosten beteiligt, die durch den Gebrauch ihrer Produkte entstehen, so die Haltung der DHS. Daher fordern die Suchtberater eine zweckgebundene Abgabe auf alle legalen Suchtmittel und Glücksspielangebote. Das Geld daraus soll uneingeschränkt für die Vorbeugung, Behandlung und Erforschung von Abhängigkeitserkrankungen und anderen Konsumfolgen zur Verfügung stehen.
Ich habe dem Tagesspiegel Background dazu ein Statement gegeben:
„Zweckgebundene Steuerabgaben seien dafür jedoch „nicht der geeignete Weg und rechtlich auch nur in sehr wenigen Ausnahmefällen möglich“, sagte deren Sprecherin für Umwelt und Verbraucher:innenschutz, Linda Heitmann, zu Tagesspiegel Background.“
„Als weiteren Grund gegen Abgaben auf verkaufte Suchtmittel wie Alkohol und Tabak führte Heitmann ins Feld, „dass die Finanzierungsgrundlage von Suchthilfe nicht davon abhängig sein sollte, wieviel konsumiert wird“. Ansonsten müssten die Einrichtungen bei sinkendem Konsum, der ja wünschenswert sei, um ihre Finanzierung bangen, argumentierte sie. Dies könne nicht richtig sein.“
„Allerdings brauche eine verlässliche Finanzierung der Suchthilfe. So unterstütze sie etwa die Forderung der DHS, eine verpflichtende Mindestfinanzierung per Einwohnerschlüssel zum Beispiel „im SGB V festzuzurren“, sagte Heitmann. Nur eine dauerhaft ausfinanzierte Suchthilfe könne suchtkranke Menschen erreichen und sei planbar für Sozialarbeiter:innen und medizinisches Personal, „die bislang mit sehr wenig Ressourcen Großes leisten“.“
Überfällig sei zudem „eine ernstzunehmende Besteuerung von alkoholischen Getränken“, drängte Heitmann. „Ein Bier kostet in deutschen Kneipen teilweise weniger als eine Apfelsaftschorle“, sagte sie. Daneben benötige man eine schärfere Regulierung von Alkoholwerbung in Fernsehen, Kino, Social Media, öffentlichem Raum. Und auch der „aus der Zeit gefallene“ Paragraf zum sogenannten begleiteten Trinken gehöre aus dem Jugendschutzgesetz gestrichen. All diese Maßnahmen kosteten die öffentlichen Haushalt kein Geld, so die Grünen-Politikerin. Sie könnten jedoch das Bewusstsein für eigenen Alkoholkonsum schärfen „und zu einer ehrlicher geführten gesellschaftlichen Debatte über unseren Alkoholkonsum beitragen“.
Den ganzen Artikel lest ihr (hinter der Paywall) hier.
Der Entwurf für den Gesundheitshaushalt ist nun in 1. Lesungim Bundestag. Im parlamentarischen Verfahren mache ich mich gemeinsam mit meiner Fraktion insbesondere stark für mehr Präventionsmittel im Bereich Drogen und Sucht. Denn hier dürfen wir nicht an der Aufklärung sparen. Da die Zahl der Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen vor allem von der Volksdroge Alkohol sehr hoch ist.
Gleichzeitig müssen wir endlich Maßnahmen zur Verhältnisprävention, wie z.B. schärfere Regelungen fürAlkoholwerbung anpacken. Diese sind nachweislich wirksam und schlagen im Haushalt für Gesundheit nicht zu Buche.
Hier könnt Ihr die ganze Rede sehen:
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