
Bevorzugte Selbstzahlertermine untergraben das Solidarprinzip – Bundesregierung erkennt Problem, bleibt aber passiv
Immer wieder berichten gesetzlich Versicherte in Deutschland von einem klaren Missstand: Termine bei Fachärzt*innen werden schneller vergeben, wenn Patient*innen bereit sind, die Behandlung als Selbstzahler*in zu finanzieren. Besonders häufig geschieht dies über digitale Buchungsplattformen wie Doctolib oder Jameda, die trotz gegenteiliger Filtereinstellungen Termine als verfügbar anzeigen, die sich im Buchungsverlauf als kostenpflichtige Privatsprechstunden entpuppen.
Dieses Vorgehen widerspricht nicht nur dem Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern verstößt gegen die kassenärztlichen Zulassungsbedingungen und die ärztliche Berufsordnung. Vor diesem Hintergrund habe ich im Juli 2025 eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Ziel war es, zu erfahren, wie die Bundesregierung diese Entwicklung bewertet, ob sie regulatorischen Handlungsbedarf sieht und welche Maßnahmen geplant sind, um die Einhaltung geltenden Rechts sicherzustellen.
Was die Bundesregierung antwortet – und was sie offenlässt
In ihrer Antwort bestätigt die Bundesregierung die grundsätzliche Problematik, erklärt jedoch, es lägen keine „validen Erkenntnisse über ein flächendeckendes Fehlverhalten von Vertragsärztinnen und -ärzten“ vor. Gleichzeitig räumt sie ein, dass die Verantwortung für Kontrolle und Aufsicht bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) der Länder liegt, denen eine diskriminierungsfreie und wohnortnahe Versorgung gesetzlich Versicherter obliegt.
Diese Haltung ist aus meiner Sicht nicht ausreichend. Denn zahlreiche Medienberichte und Rückmeldungen von Patient*innen zeigen: Die Bevorzugung von Selbstzahler*innen bei der Terminvergabe ist kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Problem.
„Wenn ein zeitnaher Termin beim Arzt zur Frage des Geldbeutels wird, ist das ein direkter Angriff auf das Solidarprinzip unserer gesetzlichen Krankenversicherung.“
Problematische Rolle der Onlineportale
Besonders kritisch ist die Rolle kommerzieller Online-Terminvermittlungen:
Patient*innen, die über Portale wie Jameda oder Doctolib einen Arzttermin suchen, erhalten trotz gesetzter Filteroptionen regelmäßig Angebote, die sich erst im späteren Buchungsverlauf als „Selbstzahlertermine“ entpuppen, häufig ohne ausreichende Transparenz zu Kosten oder medizinischer Notwendigkeit.
„Es ist aus meiner Sicht absolut unverständlich, dass Patientinnen auf diese Weise ungewollt in eine Selbstzahlerrolle geraten – das widerspricht dem Anspruch an eine transparente und faire Gesundheitsversorgung.“
Ärztliche Verantwortung – unzureichende Kontrolle
Vertragsärzt*innen sind verpflichtet, gesetzlich Versicherte gleichwertig zu behandeln. Wer systematisch frühere Termine gegen Aufpreis vergibt, verstößt gegen die eigene Zulassungspflicht und riskiert – zumindest auf dem Papier – seine kassenärztliche Zulassung. Die Bundesregierung verweist auf diese Regelungen, muss sich aber gleichzeitig die Frage gefallen lassen: Warum wird deren Einhaltung nicht systematisch kontrolliert?
„Ich erwarte, dass das Bundesgesundheitsministerium und die Kassenärztlichen Vereinigungen endlich systematisch kontrollieren, ob Vertragsärzt*innen ihren Versorgungsauftrag tatsächlich diskriminierungsfrei erfüllen.“
Was jetzt politisch getan werden muss
Die aktuelle Situation ist untragbar. Damit alle Menschen in Deutschland unabhängig von ihrem Einkommen gleichberechtigten Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten, braucht es jetzt entschlossenes politisches Handeln.
„Die Bundesregierung muss gemeinsam mit den KVen und Aufsichtsbehörden zügig handeln – im Sinne der Patientinnen und zur Stärkung des Vertrauens in unser solidarisches Gesundheitssystem.“
Fazit
Die Antwort auf meine Kleine Anfrage zeigt: Das Problem ist bekannt – aber es fehlt am politischen Willen, es konsequent zu lösen. Eine gerechte und solidarische Gesundheitsversorgung darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Die Bundesregierung ist jetzt in der Pflicht, regulatorische Lücken zu schließen und die Rechte gesetzlich Versicherter aktiv zu schützen.
Die vollständige Kleine Anfrage mit der Antwort der Bundesregierung findet ihr hier.